Trotzdem waren sie dankbar.
Zum Glück gab es kein elektrisches Licht, sonst wären sie vielleicht auf die Idee gekommen, auch nachts mit den Reparaturarbeiten weiterzumachen.
Draußen regnete es.
Tatsächlich wollte es gar nicht mehr aufhören zu regnen, als beklagte der Himmel den riesigen Verlust, den sie erlitten hatten.
»Meinst du, wir kriegen die Maschine wieder hin?«, fragte Curry ängstlich, während er das Flugzeug begutachtete, in das er sein ganzes Vermögen investiert hatte.
»Der Propeller ist keinesfalls zu retten. Wahrscheinlich brauchen wir auch ein neues Fahrwerk, aber was zählt, ist der Motor und ich glaube, dass er keinen allzu großen Schaden genommen hat.«
»Bist du sicher?«
»Nein. Das werden wir erst wissen, wenn wir ihn auseinander genommen haben.«
Sie machten sich unverzüglich an die Arbeit, obwohl ihnen alle Knochen wehtaten und sie bei der geringsten Anstrengung vor Schmerzen stöhnten. Doch als sie am Ende den Motor zerlegt und alle Einzelteile mit unendlicher Sorgfalt unter die Lupe genommen hatten, wechselten sie einen erleichterten Blick.
»Ein neuer Propeller und ein neues Fahrwerk und mit etwas Geduld und Glück kriegen wir die Kiste wieder zum Fliegen«, murmelte Curry zuversichtlich.
Der Chef des Flughafens, ein umgänglicher Mann mit einer großen Leidenschaft für alles, was fliegen konnte, bot ihnen seine Hilfe an.
»Dort drüben gegenüber dem Wäldchen ist vor weniger als einem Jahr eine Boeing 40 in den See gestürzt. Vielleicht kann man das Fahrwerk noch benutzen, wenn es intakt geblieben ist.«
»Aber wie könnten wir sie bergen?«
»Mein Schwager ist Fischer. Wenn es ihm gelänge, eine Kette an der Boeing anzubringen, könnte man sie mit Hilfe der Kühe vielleicht an Land ziehen. Sie sollten mit dem Besitzer sprechen.«
Es kostete sie fünfzig Dollar. Ein kleines Vermögen für Leute wie sie, die jeden Cent zweimal umdrehen mussten. Doch blieb ihnen nichts anderes übrig, als auf den Handel einzugehen, wenn sie nicht weiter bei den Kühen schlafen und darauf warten wollten, dass aus Panama oder Mexiko Stadt ein viel teureres Fahrwerk eintraf. Und womöglich würde auch das von einer verunglückten Maschine stammen, die irgendwer ausgeschlachtet hatte.
Für den Propeller mussten sie selbst sorgen.
Zum Glück gab es in Nicaragua mehr als genug Edelholz und in einem kleinen Dorf im Landesinneren fanden sie tatsächlich einen Schreiner, der sich bereit erklärte, ihnen einen Propeller zu bauen.
Doch er war langsam. Langsam und pingelig. Vermutlich war ihm klar, dass die beiden verrückten Gringos wie ein Stein vom Himmel stürzen würden, wenn der Propeller nicht hundertprozentig ausbalanciert war.
An einem abscheulich schwülen, langweiligen Vormittag, an dem es ohne Unterbrechung regnete und sie unter dem Vordach ihres Schuppens saßen und resigniert auf den Propeller warteten, der offenbar nie kommen würde, fuhr plötzlich ein Wagen vor. Virginia stieg aus, hagerer als je zuvor.
Wortlos musterte sie die zertrümmerte Maschine und warf einen Blick auf die beiden Männer, die da hockten wie ein Häufchen Elend.
»Sehr weit seid ihr ja nicht gekommen«, erklärte sie vorwurfsvoll. »Ein Wunder, dass ihr noch lebt und sie euer Hirn nicht von der Windschutzscheibe kratzen mussten. Falls ihr überhaupt so was wie Hirn im Schädel habt.«
»Was machst du hier?«
»Ich habe in der Zeitung gelesen, dass eine De Havilland abgestürzt ist; das konntet nur ihr sein. Daraufhin habe ich die Botschaft in Managua angerufen und sie haben es bestätigt.« Sie trat zu ihrem Mann und gab ihm einen Tritt in den Hintern. »Du hättest dir wenigstens die Mühe machen können, mich zu informieren.«
»Wozu? Die zwei Monate sind doch noch nicht vorbei.«
»Zwei Monate, du sagst es. Immerhin sind schon drei Wochen vergangen und ihr seid immer noch hier. Dabei habt ihr nicht mal die Hälfte des Weges geschafft, ihr Idioten!«
»Jetzt mach aber mal halb lang«, mischte sich Curry ein.
»Du hältst lieber den Mund! Wie kann man nur so blöd sein, eine sichere Existenz aufs Spiel zu setzen! Du hättest mit deiner Kneipe ein sorgenfreies Leben führen können, aber stattdessen…«
»Noch ist nichts verloren«, unterbrach Curry sie. »Sobald wir den Propeller haben…«
»Propeller!«, fiel sie ihm ins Wort. »Was weißt du schon vom Fliegen? Du hast doch keine Ahnung. Der Propeller ist die Seele eines Doppeldeckers, das weiß sogar ich. Wenn man ihn auswechselt, wird die Maschine nie wieder so fliegen wie vorher. Wenn du mir nicht glaubst, dann frag doch deinen verdammten Freund!«
»Ich bitte dich, Virginia«, ging der König der Lüfte dazwischen. »Lass uns in Ruhe. Wir haben auch ohne dich genug Probleme.«
Seine Frau warf ihnen einen langen Blick zu und schien einzusehen, dass Jimmie Recht hatte. Schließlich setzte sie sich auf einen Tisch, auf dem mehrere Landkarten ausgebreitet waren.
»Das kann man wohl sagen. Außerdem stinkt ihr bestialisch und wie ich euch kenne, ernährt ihr euch nur von der Milch eurer Kühe hier. Na schön, wir werden als Erstes ein vernünftiges Hotel suchen, damit ihr ein ordentliches Bad nehmen könnt. Dann braucht ihr auch neue Klamotten und etwas Anständiges zu essen.«
»Das können wir uns nicht leisten.«
»Ich habe genug Geld dabei«, erklärte sie schroff. »Ich habe den Wagen verkauft.«
»Du hast deinen Wagen verkauft?«, fragte ihr Mann überrascht.
«›Unseren‹ Wagen. Falls du es vergessen hast, noch sind wir nicht geschieden. Deshalb wäre es auch nicht richtig, wenn ich dich jetzt im Stich ließe.« Sie drohte ihm mit dem Zeigefinger. »Was nicht heißt, dass ich meine Meinung geändert hätte.«
Jimmie hätte gern etwas gesagt, zog es dann aber vor zu schweigen. Er dachte einen Augenblick nach, stand auf und fragte dann mit aufrichtiger Neugier: »Sag mir… ist es wirklich so schwer, mit mir zu leben?«
»Nicht mit dir«, antwortete Virginia entschieden. »Aber mit deinem verdammten Beruf. Hätte Gott gewollt, dass du fliegst, hätte er dir Flügel geschenkt. Aber du musst ja immer gegen den Strom schwimmen!«
Sie suchten ein sauberes Hotel, nahmen ein ordentliches Bad und kauften sich neue Kleider, die nicht nach Kuhmist stanken. Anschließend aßen sie sich in einem guten Restaurant satt. Drei Tage später erhielten sie das unbezahlbare Geschenk eines Propellers, der sich auf den ersten Blick nicht im Geringsten von dem alten unterschied.
Jimmie startete allein und testete die Maschine eine ganze Stunde lang. Nachdem er gelandet war, nahm er kein Blatt vor den Mund. »Sie liegt nicht mehr so gut in der Luft wie vorher. Das neue Fahrwerk ist schwerer als das alte und es wackelt ein bisschen. Aber man kann damit fliegen.«
»Die Frage ist nur, wie lange das gut geht«, wandte Virginia ein.
»Das weiß Gott allein«, gab Jimmie zurück.
»Aber du willst es trotzdem versuchen.«
»Klar.«
»Na dann, Hals und Beinbruch!«
Damit machte sie auf dem Absatz kehrt und ging zurück in die Stadt. Als die beiden Männer am Abend ins Hotel kamen, hatte sie die Rechnung für alle drei bezahlt und war abgereist.
Am folgenden Morgen starteten sie in aller Herrgottsfrühe Richtung Panama. Von da flogen sie weiter an der Küste entlang nach Cartagena de las Indias, das bereits in Kolumbien lag.
Als Nächstes nahmen sie Kurs auf Santa Marta, Riohacha und Maracaibo. Es war ein ziemlich langer Umweg, doch Jimmie wollte angesichts der Tatsache, dass die Maschine nicht im besten Zustand war, die hohen Berge der Kordilleren lieber meiden.
Der Propeller war nicht so präzise gebaut, wie er sein sollte; Jimmie befürchtete, dass sich die Achse mit der Zeit verschieben könnte. Deshalb versuchte er, die Maschine nicht allzu heftig zu belasten und möglichen Turbulenzen aus dem Weg zu gehen.
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