»Schon möglich.« Augen wie undurchsichtiges Glas verbargen seine Gedanken. »Wieviel kannst du anlegen?«
»Fünfunddreißigtausend Dollar.« Bei einer Investition in dieser Höhe würden nur noch wenige Tausender übrigbleiben, falls der Plan fehlschlug.
»Diese Summe wird dir einen ordentlichen Anteil an dem Schiff sichern«, sagte er. »Und am Profit. Bedeutet deine Entscheidung, daß dein Mann seine Meinung geändert hat?«
»James weiß nichts davon, und er wird auch nichts davon erfahren, bis ich es für richtig halte. Er wird auch nichts von meinem heutigen Besuch hier erfahren – oder von zukünftigen Besuchen.«
»Falls es zukünftige Besuche geben wird.« Sie sollte sich ruhig ein bißchen krümmen.
»Das wird es, falls du das Geld willst.«
Lächelnd lehnte er sich zurück. »Ich brauche es. Sobald ich es habe, kann es losgehen.«
»Bei unserem nächsten Treffen bringe ich einen Wechsel mit.«
»Abgemacht. Bei Gott, du bist eine Entdeckung. Es gibt verdammt wenige Männer in der Stadt mit deinen Nerven. Wir passen gut zusammen«, sagte er, rollte sich zu ihr und küßte ihren nackten Bauch. Diesmal war er es, der hinterher einschlief.
Ashton besaß ein Kästchen, das ihr Mann noch nie zu Gesicht bekommen hatte. Darin bewahrte sie Erinnerungsstücke an romantische Affären auf, die einen Monat oder eine Woche oder eine Nacht gedauert hatten. Das aus Japan stammende Kästchen war aus lackiertem Holz, mit kleinen Perlensplittern besetzt. Den Deckel zierte ein Tee schlürfendes Pärchen. Die Innenseite des Deckels zeigte das gleiche Paar, doch hier hatten sie ihre Kimonos hochgerafft und kopulierten mit breitem Lächeln. Der Künstler hatte sein Werk so dargestellt, daß die Genitalien beider Partner deutlich zu sehen waren. Der gewaltige Penis des Mannes ließ Ashton den glücklichen Gesichtsausdruck der Frau nachfühlen.
Die Souvenirs, die sie in diesem Kästchen aufbewahrte, bestanden aus Hosenknöpfen. Lange vor dem Krieg hatte sie mit ihrer Sammlung begonnen, nach einem Besuch bei Cousin Charles, als dieser noch Kadett in West Point war. Zu der Zeit war es Sitte, daß ein Mädchen dem Kadetten in ihrer Begleitung ein kleines Geschenk machte – für gewöhnlich irgendwelche Süßigkeiten – als Gegenleistung für einen Knopf von seinem Waffenrock. Ashton unterhielt an einem einzigen Abend nicht einen, sondern sieben Kadetten in der muffigen Finsternis des Pulvermagazins. Von jedem verlangte sie ein unkonventionelles Souvenir: einen Knopf von seinem Hosentürchen.
Jetzt, während Powell schlief, kroch sie leise aus dem Bett, suchte seine Hosen, die er auf den Boden geworfen hatte, und zerrte, bis sich ein Knopf löste. Dann legte sie sich zufrieden wieder ins Bett. War der Knopf erst sicher in ihrem Kästchen untergebracht, dann würde sich ihre Sammlung auf achtundzwanzig Knöpfe belaufen – einen für jeden Mann, der ihre Gunst genossen hatte. Unberücksichtigt blieben dabei der Junge, der sie als Mädchen entjungfert hatte, und ein Matrose mit viel Erfahrung, mit dem sie Beziehungen unterhalten hatte, bevor der West-Point-Besuch sie zu ihrer Sammlung anregte. Der einzige durch keinen Knopf repräsentierte Partner war ihr Ehemann.
37
Washington war in diesem Herbst auf der Suche nach Sündenböcken. Auf McDowell wurde weiterhin eingeprügelt, aber auch Scott bekam nun einen Teil der Schuld an Bull Run in die Schuhe geschoben. Und fast jeden Abend kehrte Stanley mit neuen Horrorstories über Cameron heim. Der Boß wurde generell von Bürokraten, der Presse und der Öffentlichkeit gegeißelt.
»Selbst Lincoln hat sich der Claque angeschlossen. Unser Spion hat ein paar Notizen seines Sekretärs Nicolay entdeckt.« Er zog einen Zettel hervor, auf den er die alarmierenden Zitate gekritzelt hatte: Präsident sagt, Cameron sei vollkommen unwissend. Selbstsüchtig. Verhaßt im ganzen Land. Unfähig, irgend etwas zu organisieren oder allgemeine Pläne auszuführen. Er gab ihr den Zettel. »Gibt noch mehr davon.«
Sie studierte das Papier, dann sagte sie: »Wir haben zu lange gewartet, Stanley. Du mußt dich von Cameron trennen, bevor sie ihm den Kopf abschlagen.«
»Nur zu gern. Ich weiß bloß nicht, wie.«
»Ich habe lange darüber nachgedacht. Es existiert eine eindeutige Spaltung, und wir müssen daraufsetzen, daß eine der Seiten gewinnt.«
Verblüfft schüttelte Stanley den Kopf. »Aber welche?« sagte er, den Mund vollgestopft mit Hummer.
»Das kann ich dir am besten beantworten, wenn ich dir erzähle, wer mich heute nachmittag besucht hat. Caroline Wade.«
»Die Frau des Senators? Isabel, du erstaunst mich immer wieder. Ich wußte gar nicht, daß du mit ihr bekannt bist.«
»Bis vor einem Monat war ich das auch nicht. Ich habe dafür gesorgt, daß wir einander vorgestellt wurden. Heute war sie recht herzlich, und ich glaube, ich habe sie davon überzeugen können, daß ich ein Anhänger ihres Mannes und seiner Clique bin – Chandler, Grimes und all die anderen. Außerdem deutete ich an, wie unglücklich du über Simons Management des Kriegsministeriums seiest, aus Loyalitätsgründen aber nichts dagegen unternehmen könntest.«
Er wurde augenblicklich blaß und sagte: »Du hast doch nicht Lashbrook erwähnt?«
»Stanley, du machst die Fehler, nicht ich. Mrs. Wade hat es nicht ausdrücklich betont, aber jedenfalls vermittelte sie mir den Eindruck, daß der Senator einen neuen Kongreßausschuß bilden möchte, der die diktatorische Macht des Präsidenten beschneidet und die Kriegsführung beaufsichtigt. Solch ein Ausschuß würde sicherlich als erstes Simon seines Postens entheben.«
»Glaubst du? Ben Wade ist einer von Simons engsten Freunden.«
»War, mein Lieber. War. Alte Allianzen sind in Bewegung geraten.« Sie beugte sich zu ihm. »Ist Simon immer noch verreist?«
Er nickte; der Minister besuchte den Westen.
»Dann ist es eine einmalige Gelegenheit. Du wirst nicht so genau beobachtet werden. Besuche Wade, und ich schicke die Einladungen zu einem Empfang ab, den ich für seine Frau und den Senator und ihren Kreis plane. Vielleicht lade ich, um den Schein zu wahren, auch George und Constance ein. Einen Abend werde ich ihre Arroganz schon ertragen können.«
»Schön und gut, aber was soll ich dem Senator sagen?«
»Sei still, und hör zu; ich werd’s dir erklären.«
Das Essen war vergessen; er saß lauschend da, bis ins Mark erschreckt von dem Gedanken, dem gefährlichsten der Radikalen gegenüberzutreten. Doch je länger Isabel sprach, desto überzeugter wurde er, daß Wade für sie ein Mittel zum Überleben werden konnte.
Am nächsten Tag traf er die Verabredung, allerdings erst zum Wochenende. Die Verzögerung brachte seine Verdauung durcheinander und ruinierte seinen Schlaf.
Am Freitag endlich saß Stanley auf einer Bank in Senator Benjamin Franklin Wades Vorzimmer. Sein Magen schmerzte. Die verabredete Stunde des Treffens, elf Uhr, verstrich. Gegen viertel nach elf schwitzte Stanley heftig. Um halb zwölf war er fluchtbereit. In diesem Augenblick öffnete sich Wades Bürotür. Ein untersetzter Mann mit Brille und herrlichem Bart kam herausmarschiert. Vor lauter Entsetzen war Stanley zu keiner Bewegung fähig.
»Morgen, Mr. Hazard. Sind Sie in ministeriellen Angelegenheiten hier?«
Sag was! Geh in Deckung! Er war überzeugt davon, daß sein schlechtes Gewissen deutlich erkennbar war. »Es ist – eigentlich ist es mehr persönlich, Mr. Stanton.« Der kleine, aber einschüchternd wirkende Mann stammte wie Wade aus Ohio; ein Demokrat, seit langem einer der besten und teuersten Anwälte Washingtons und eine Zeitlang Buck Buchanans Justizminister. Außerdem war er Simon Camerons persönlicher Anwalt.
»Bei mir ebenfalls«, sagte Edwin Stanton. »Ich bedaure, daß mein Termin sich mit dem Ihren überschnitten hat. Wie geht es meinem Klienten? Schon wieder aus dem Westen zurück?«
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