Sie stieß ihn hinaus. Besänftigend hob er die Hand; hinter den Brillengläsern tränten seine Augen. »Ashton!« Die zuknallende Tür schlug gegen seine Handfläche. Er lehnte sich gegen die Wand und schloß die Augen.
Am nächsten Tag hatten sie wieder Frieden geschlossen – das taten sie stets –, obwohl sie ihm zwei Wochen lang jeden körperlichen Kontakt verweigerte. Danach besserte sich ihre Laune beträchtlich. Sie war so fröhlich, als würden Powell und sein Plan gar nicht existieren.
Doch die Erinnerung an diesen Streit wollte nicht von ihm weichen; eine weitere dunkle Wolke am Horizont. Mit der gefälschten Banknote saß Huntoon an seinem Schreibtisch, die Augen leer, mit unglücklichem Gesichtsausdruck. Ein Angestellter mußte ihn recht deutlich auffordern, endlich zur Zeitung zu gehen.
An den meisten Wochentagen kam James erst nach halb acht nach Hause, der üblichen Stunde für ein leichtes Abendessen. Auch an diesem Herbstnachmittag rechnete Ashton mit ihm erst am frühen Abend. Eine ganze Stunde brachte sie damit zu, sich attraktiv herzurichten; um zwei Uhr war sie bereit, aufzubrechen, und Homer fuhr die Kutsche vor.
Der Tag war mild, aber Ashton war heiß. Sie ging ein enormes Risiko ein. Würde sie die Sache allein durchstehen? Allein eine Woche hatte es sie gekostet, die Adresse des Mannes aufzuspüren, eine weitere, um eine entsprechende Nachricht zu formulieren, mit der sie ihm Tag und Zeitpunkt ihres Besuches mitteilte, ›um eine kommerzielle Angelegenheit von beidseitigem Interesse‹ zu besprechen. Sie konnte sich das amüsierte Aufleuchten seiner Augen vorstellen, wenn er das las.
Wenn er das las. Sie hatte keine Antwort erhalten. Falls er nun nicht in der Stadt war?
In das Pfeifen eines Zuges an der Broad Street Station hinein rief Homer: »Hier ist die Ecke, wo Sie hinwollten, Miz Huntoon. Soll ich Sie in einer Stunde abholen?«
»Nein. Ich weiß nicht, wie lange ich mit Einkäufen zu tun habe. Wenn ich fertig bin, nehme ich eine Mietkutsche, oder ich schaue bei Mr. Huntoon vorbei und komme mit ihm heim.«
»Sehr wohl, Ma’am.« Schnell betrat Ashton den nächsten Laden und kam wenige Minuten später mit zwei überflüssigen Garnrollen heraus. Sie vergewisserte sich, daß Homer verschwunden war, dann winkte sie die erstbeste Kutsche heran.
Schwitzend, mit klopfendem Herzen, stieg sie vor einem der hübschen Häuser mit hoher Veranda auf Church Hill aus. Es lag an der Franklin Street. Aus Furcht, sie könnte jemanden sehen, der sie beobachtete, stieg sie, ohne nach rechts und links zu blicken, die Stufen hoch und läutete. Würden Diener da sein?
Lamar Powell öffnete persönlich. Vor lauter Erregung wäre sie beinahe in Ohnmacht gefallen.
Er trat zurück in den Schatten. »Bitte, kommen Sie herein, Mrs. Huntoon.«
Im Foyer war es kühl. Durch die offenstehenden Türen zu jeder Seite wurden andere Zimmer sichtbar, Zimmer mit verschwenderischen Holzarbeiten, üppiger Möblierung und passenden Lüstern. Vor kurzem hatte James erneut Powells Namen erwähnt und gesagt, er habe Nachforschungen über ihn angestellt. »Scheint so, als ob der Kerl von Unverschämtheit, Eigenreklame und Kredit lebt.« Falls die hämische Bemerkung auch nur teilweise stimmte, dann mußte Powells Kredit gewaltig sein.
Er lächelte ihr zu. »Ich gestehe, daß mich Ihre Nachricht überrascht hat. Ich war mir nicht sicher, ob Sie die Verabredung einhalten würden. Allein auf die Möglichkeit hin hab’ ich meinen Hausdiener zum Fischen geschickt und bin zu Hause geblieben. Wir sind ganz allein.« Er machte eine Geste mit seinen schlanken, merkwürdig sinnlichen Händen. »Sie brauchen also nicht zu befürchten, kompromittiert zu werden.«
Ashton fühlte sich so verlegen wie ein Kind. Er war groß – so groß – und machte in seinen dunklen Hosen und dem weiten Baumwollhemd einen vollkommen entspannten Eindruck. Er war barfuß. »Es ist ein wunderbares Haus«, rief sie. »Wieviele Zimmer bewohnen Sie?«
Amüsiert von ihrer Nervosität sagte er: »Alle, Mrs. Huntoon.« Sanft griff er nach ihrem Arm. »Als wir im Spotswood einander vorgestellt wurden, wußte ich, daß Sie irgendwann zu mir kommen würden. Sie sehen wunderbar aus in diesem Kleid. Ich vermute, ohne das Kleid würden Sie noch wunderbarer aussehen.«
Ohne zu zögern nahm er ihre Hand und führte sie zur Treppe.
Schweigend stiegen sie die Stufen hoch. In einem Zimmer, in dem eine Jalousie Lichtstreifen auf das Bett warf – sie bemerkte, daß die Bettdecke bereits zurückgeschlagen war –, zogen sie sich aus; er ruhig, sie mit hektischen, nervösen Bewegungen. Nie zuvor hatte ein Mann sie in solch einen Zustand versetzt.
Das Schweigen dehnte sich. Er half ihr mit den Miederknöpfen, küßte sie sehr sanft auf die linke Wange. Dann küßte er ihren Mund, fuhr langsam mit seiner Zunge über ihre Unterlippe. Sie hatte das Gefühl, in einem Freudenfeuer zu versinken.
Er schob die Spitzenbänder von ihren Schultern, entblößte sie bis zur Taille. Vorsichtig, zart hob er erst die eine Brust heraus, dann die andere, preßte sanft seinen Daumen gegen ihre Brustwarzen. Er beugte sich vor, immer noch auf seine merkwürdig entrückte Weise lächelnd. Sie warf den Kopf zurück, mit geschlossenen Augen, feuchten Schenkeln, erwartete, seine Zunge zu spüren.
Mit der Handfläche schlug er gegen ihren Kopf und warf sie aufs Bett. Sie war zu entsetzt, um zu schreien. Lächelnd stand er über ihr.
»Warum –?«
»Damit es keinen Zweifel gibt, wer in dieser Liaison das Kommando führt, Mrs. Huntoon. Ich wußte nach dem ersten Blick, daß Sie eine starke Frau sind. Reservieren Sie diese Eigenschaft für andere.«
Dann bückte er sich und begann sie vollständig zu entkleiden.
Ihr Entsetzen verwandelte sich in eine so intensive Erregung, daßes an Wahnsinn grenzte. Sie war so feucht wie ein Fluß, als er seine Baumwollunterhosen herunterzog. Er war seltsam geformt, kleiner, als sie es aufgrund seiner Statur erwartet hatte. Er spreizte ihre Beine und bohrte sich in sie, ohne die Augen zu schließen.
Sie konnte nicht glauben, was mit ihr geschah. Sie hämmerte auf die zerwühlten feuchten Laken, bis zum Wahnsinn erregt von seinem Schlag. Sie begann zu schreien, als er sein Tempo steigerte; bei anderen Liebhabern war ihr das nie passiert. Tränen strömten über ihre Wangen, und als er ihr den letzten rammenden Stoß versetzte, schluchzte sie auf, stöhnte und fiel in Ohnmacht.
Als sie erwachte, lag er lächelnd da, auf einen Ellbogen gestützt. Sie war verschwitzt, erschöpft, erschreckt von ihrem Ohnmachtsanfall. »Ich war weg – «
»La petite mor! Der kleine Tod. Du meinst, es ist das erste Mal –?«
Sie schluckte. »Noch nie.«
»Nun, es wird nicht das letzte Mal gewesen sein. Du hast fast fünfundzwanzig Minuten geschlafen. Genug Zeit für einen Mann, sich zu erholen.« Er machte eine entschiedene Geste. »Los, mach’s mit dem Mund.«
»Aber ich habe noch nie – bei niemandem – «
Er packte sie an den Haaren. »Hast du gehört, was ich gesagt hab’? Tu es.«
Sie gehorchte.
Viel später fanden sie ein erneut Erfüllung. Wieder schlief sie, und bei ihrem zweiten Erwachen spürte sie nichts mehr von dem früheren Entsetzen.
Die Lichtstreifen änderten sich, wurden dunkler. Der Nachmittag ging zu Ende. Es war ihr egal. Was heute in diesem Zimmer geschehen war, die geheimen Dinge, hatte sie emotional verändert. Sie hatte schon genügend Liebhaber gehabt, das bewies ihre Sammlung an Souvenirs, aber Lamar Powell hatte sie gelehrt, daß sie eine Novizin, ein Kind war.
Allmählich jedoch fiel ihr der zweite Grund ihres Besuches wieder ein. »Mr. Powell – «
Sein Lachen dröhnte auf. »Man sollte meinen, wir kennen uns gut genug, um uns beim Vornamen zu nennen.«
»Ja, das stimmt.« Mit rotem Gesicht schob sie eine feuchte, schwarze Haarsträhne aus der Stirn. In seinem Humor lag eine gehörige Portion Grausamkeit. »Ich wollte mit dir übers Geschäft sprechen. In unserem Haushalt kontrolliere ich das Geld. Ist in deinem Maritim-Syndikat noch Platz für einen weiteren Kapitalanleger?«
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