Charles Begrüßung war zurückhaltend und korrekt. »Colonel!«
»Komm, komm – du wirst doch deinen alten Barbier nicht so begrüßen.«
»Also gut, Beauty. Großartig, dich zu treffen. Du und General Beauregard, ihr seid die Helden der Stunde.«
»Wie ich gehört hab’, denken diese Yankees, wir reiten alle schwarze Hengste, aus deren Nüstern Feuer und Schwefel faucht. Gut! Wir schlagen sie um so eher, je mehr sie die Hosen voll haben. Komm mit und trink einen Whiskey.«
Die drei gingen zur Erfrischungsbar, wo Schwarze ehrerbietig den Bestellungen nachkamen.
Charles’ Blick kehrte immer wieder zu Augusta zurück. Sie tanzte immer noch mit dem gleichen Major, der in Charles’ eifersüchtiger Phantasie zum Musterbeispiel eines pompösen Langeweilers geworden war.
Er schreckte zusammen, als Fitz sagte: »Hübscher kleiner Leckerbissen.«
»Kennst du sie?«
»Natürlich. Sie ist eine reiche Frau – jedenfalls ziemlich reich, dank ihres verstorbenen Mannes. Die Verwandten ihrer Mutter, die Duncans, zählen zu den ältesten und besten Familien am Rappahannock.«
»Bis auf ihren verräterischen Onkel«, sagte Stuart. »Der hat sich an die Afrikanergruppe verkauft, genau wie mein Schwiegervater.«
»Aber du hast deinen Sohn nach Old Cooke benannt«, sagte Fitz.
»Ich hab’ darauf bestanden, daß Flora den Namen des Jungen ändert. Er heißt nicht mehr Philip; er heißt James – jetzt und für immer.« Eisstücke lagen in Stuarts Lächeln, und seine Augen leuchteten fanatisch. Es beunruhigte Charles.
Andere Bewunderer warteten auf Stuart. Sie trennten sich in bestem Einvernehmen, und doch blieb bei Charles das Gefühl zurück, daß Rivalitäten in Rang und Status sie nun trennten. Er verfiel in leichte Melancholie, die sich steigerte, als das Orchester ein neues Stück spielte und der Major erneut Augusta zum Tanz aufforderte.
»Wenn du hinter ihr her bist, dann nichts wie los«, flüsterte Fitz.
»Er ist ranghöher als ich.«
»Kein Südstaatler mit einem Schuß Selbstachtung würde das für einen Hinderungsgrund halten. Außerdem«, die Stimme von Fitz wurde noch leiser, »kenne ich den Mann. Er ist ein Narr.«
Er klopfte Charles auf die Schulter. »Los, Bison, oder die Nacht ist vorbei, und du hast nichts davon gehabt.«
Zögernd manövrierte sich Charles an den Rand der Tanzfläche, wo die Paare herumwirbelten. Er merkte, daß Augusta ihn beobachtete, freudig und erleichtert, falls er sich das nicht einbildete. Schnell plante er seine Strategie und stürzte dann auf sie zu, als die Musik endete.
»Cousine Augusta! Major, entschuldigen Sie die Störung, ich hatte ja keine Ahnung, daß ich meine Verwandte heute abend hier sehen würde.«
»Ihre Verwandte?« wiederholte der First Virginia Offizier mit einer Stimme, die aus der Tiefe eines Fasses zu kommen schien. »Sie erwähnten nichts von Verwandten in South Carolina, Mrs. Barclay.«
»Hab’ ich nicht? Die Duncans haben einen ganzen Schwarm davon. Und ich habe den lieben Charles sei zwei – nein, seit drei Jahren nicht mehr gesehen. Major Beesley – Captain Main. Wenn Sie uns entschuldigen würden, Major?« Sie lächelte, nahm Charles’ Arm und zog ihn von dem finster blickenden Virginier fort.
»Beastly, sagten Sie?« flüsterte er. Vom Whiskey brannte er innerlich und reagierte auf den Druck ihrer Brust gegen seinen Arm.
»So müßte er heißen. Federn im Gehirn und Blei in den Füßen. Ich dachte schon, mein Schicksal sei für den restlichen Abend besiegelt.«
»Federn und Blei – das stammt nicht von Mr. Pope, nicht wahr?«
»Nein, aber Sie haben jedenfalls ein gutes Gedächtnis.«
»Gut genug, um mich daran zu erinnern, daß ich Sie auf keinen Fall Gus nennen darf.«
Mit ihrem Fächer versetzte sie ihm einen leichten Schlag auf die Hand. »Seien Sie vorsichtig, oder ich gehe zurück zu Beastly.«
»Das würde ich niemals zulassen.« Er warf einen Blick über die Schulter. »Er belauert uns. Holen wir uns was zu essen.«
Charles reichte Augusta einen Becher mit Punsch und begann dann zwei kleine Teller zu beladen. Er trug sie hinaus auf einen Balkon, von wo aus man die belebte Straße überblicken konnte. Augusta seufzte. »Eigentlich gehöre ich gar nicht auf diese Party. Die Reise ist zu weit, und die Gesellschaft ist größtenteils unerträglich.« Sie nahm eine kleine Scheibe Toast vom Teller; der Kaviar glänzte. »Größtenteils«, wiederholte sie und blickte zu ihm auf.
»Warum sind Sie dann gekommen?«
»Es hieß, sie benötigten mehr Frauen. Ich kam zu dem Schluß«, sie legte eine Pause ein, »daß es meine patriotische Pflicht sei, der Party beizuwohnen. Einer meiner freigelassenen Neger machte die Reise mit. Natürlich hätte ich auch alleine fahren können – warum lächeln Sie?«
»Weil Sie so verdammt – äh, verflucht – «
»Schon gut, ich hab das Wort ›verdammt‹ auch schon gehört.«
»So selbstbewußt sind. Sie haben mehr Schneid als Jeb Stuart.«
»Und das ziemt sich nicht für eine Frau?«
»Das habe ich nicht gesagt, oder?«
»Weshalb erwähnen Sie es dann extra?«
»Nun, es ist – überraschend.«
»Ist das alles – überraschend? Wie denken Sie wirklich darüber, Captain?«
»Gehen Sie nicht gleich wieder auf mich los. Wenn Sie es unbedingt wissen wollen, es gefällt mir.«
Sie errötete, was ihn verblüffte. »Ich wollte nicht auf Sie losgehen. Das ist eine schlechte Angewohnheit von mir. Wie ich Ihnen schon beim erstenmal erzählte, war ich nie eine Schönheit und benehme mich nicht immer so, wie es sich gehört.«
»Nichtsdestoweniger, es gefällt mir von ganzem Herzen.«
»Besten Dank, verehrter Sir.« Die Barriere war wieder da. Hatte er sie mit seiner Aufmerksamkeit beunruhigt? Ihn beunruhigte es mit Sicherheit, wie sehr er sich von dieser hübschen, aber unkonventionellen Witwe angezogen fühlte.
Das Orchester setzte wieder ein. »Würden Sie mit mir tanzen, Augusta?«
Sie lag genau richtig in seinen Armen, weich und sanft. Er war so lange ohne Frau gewesen, daß er ganz bewußt Abstand halten mußte, sonst hätte sie gespürt, wie es um ihn stand. Sie tanzten zu Walzerklängen, immer weiter und weiter; Augusta lachte und preßte sich für einen Moment gegen ihn.
Nur zu bereitwillig blieb sie für den Rest des Abends seine Tanzpartnerin, dann begleitete er sie zu der Pension, in der sie ein Zimmer bekommen hatte. Charles war froh, mit ihr noch etwas allein sein zu können. Sein Zug fuhr um drei; bis dahin war es fast noch eine ganze Stunde.
»Ich muß Ihnen die Wahrheit sagen, Charles«, erklärte sie, als sie vor der dunklen Veranda der Pension ankamen. Sie trat auf die unterste Stufe, ihre Augen nun auf gleicher Höhe mit den seinen. »Heute abend haben wir uns über alles unterhalten, angefangen von meiner Ernte bis zu General Lees Charakter, nur das eine Thema, über das wir sprechen sollten, haben wir ausgelassen.«
»Und das wäre?«
»Den wirklichen Grund, weshalb ich so weit gereist bin. Ich bin eine Patriotin, aber so sehr nun auch wieder nicht.« Sie atmete tief durch, als bereite sie sich auf einen Sprung ins kalte Wasser vor. »Ich hoffte, Sie seien hier.«
»Ich – « Verstrick dich nicht in irgendwas. Er ignorierte die innere Warnung. »Ich hoffte das gleiche von Ihnen.«
»Ich bin ziemlich offen und direkt, nicht wahr?«
»Ich bin froh darüber. Ich hätte es nicht als erster sagen können.«
»Sie haben nicht gerade einen schüchternen Eindruck auf mich gemacht, Captain.«
»Im Umgang mit Männern wie Beastly, nein. Aber bei Ihnen – «
Von einem fernen Kirchturm schlug die Glocke die Viertelstunde. Die Nacht war immer noch warm, und ihm war heiß. Ihre rechte Hand schloß sich fest um seine Linke.
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