Aus diesem Grund trifft Charles auf die ersten Landminen auf der Halbinsel, und Cooper experimentiert mit ›Torpedos‹ (diese Bezeichnung ist leicht verwirrend, da zu der Zeit damit Seeminen gemeint waren). Aus diesem Grund taucht Cooper mit der Hunley, deren Nachbau in voller Größe heute vor dem Eingang des Museums von Charleston steht. Deshalb wird hier weniger von Generälen und mehr von Soldaten mit all ihren Problemen berichtet.
Einige der erfundenen Details haben durchaus eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich. Powells Plan zum Beispiel, keineswegs unwahrscheinlicher als der tatsächliche Plan, eine ›dritte Nation‹ durch Anschluß der sogenannten Grenzstaaten an den Mittleren Westen zu etablieren. Diese Idee schwirrte während des Winters 1862/63 durch Richmond. Zu Beginn des Krieges ging das Gerücht einer pazifischen Konföderation um, die ebenfalls im Buch erwähnt wird.
Die geplante Ermordung von Davis ist eine Erfindung, aber auch sie erscheint nur logisch. Wenn Lincoln ständig als Ziel von Mordanschlägen betrachtet wurde, warum dann nicht auch sein konföderierter Widerpart? Zumal Davis genauso leidenschaftlich gehaßt wurde, ganz besonders von seinen eigenen Baumwollpflanzern.
Die zweite Zutat, die ich benötigte und die auch im Nachwort von Die Erben Kains erwähnt wird, war historische Exaktheit.
Ich meine damit nicht Unfehlbarkeit. Bei einem so langen und komplexen Roman ist es unmöglich, perfekt zu sein. Aber es ist absolut notwendig, es zumindest zu versuchen. Während der Anfangszeit meiner Arbeit bekam ich in diesem Punkt einen wirkungsvollen Anschauungsunterricht vorgesetzt.
Schon immer ein Fan der Filme von Errol Flynn, nahm ich einen auf Band auf, den ich schon seit Jahren nicht mehr gesehen hatte: Santa Fe Trail. Warner Brothers brachte ihn 1940 heraus, und er ist auch heute noch häufig im Fernsehen zu sehen. Es kommen darin folgende Männer als Angehörige der West-Point-Klasse von 1854 vor: Jeb Stuart, gespielt von Flynn – zumindest dieser Jahrgang ist korrekt. Außerdem Longstreet (Klasse von ‘42), Pickett (‘46), Hood (‘53) und Stuarts bester Kumpel, George Custer (‘61). Der junge Custer wird von Ronald Reagan dargestellt.
Im Verlaufe der wirren Handlung – Flynn-Anhänger betrachten das Ganze als einen seiner schwächeren Filme – begegnen wir einem silberhaarigen Schauspieler, der den Typ des ehrenwerten Geschäftsmannes verkörpert. Dieser ehrenwerte Geschäftsmann besitzt eine Eisenbahn in Kansas und eine Tochter, die Jeb heiratet. Mit anderen Worten, Jeb kommt auch nicht annähernd dazu, das zu tun, was er in der Realität getan hat: die Tochter von Philip St. George Cooke zu heiraten, des Karriereoffiziers, der im Krieg zu seinem verschworenen Feind wurde und den er bei seinem Ritt um McClellan herum zu demütigen suchte.
Stuarts ewig grinsender Kumpel Custer ist gezwungen, sich mit einer faden Blondine zufrieden zu geben, der Tochter von Jeff Davis. Davis schaut aus wie ein Lincoln aus dem Schlußverkauf: das Mädchen ähnelt einem Revuegirl aus einem billigen Musical.
Schlimmer noch, es ist ein seltsam rückgratloser Film, was die Sklavenfrage betrifft. An einer Stelle kämpfen die Kavalleristen gegen John Brown in dem ›verfluchten‹ Kansas, aber sowohl Stuart als auch Custer erklären, daß ›andere‹ in der Sklavenfrage ›entscheiden‹ müssen. Sie führen ›lediglich Befehle aus‹ und haben offensichtlich in wichtigen nationalen Angelegenheiten keine eigene Meinung.
Dieser Film strotzte also von Ungenauigkeiten. Da Menschen und nicht Maschinen Romane – und Drehbücher – schreiben, wird es immer zu Fehlern kommen, wenn man die Vergangenheit wiederauferstehen läßt. (Im ersten Buch dieser Trilogie leistete ich mir einen Schnitzer mit Münzbezeichnungen.) Aber unbeabsichtigte Fehler sind nicht ganz das gleiche wie grobe Veränderungen der Geschichte, wie sie in vielen Romanen toleriert werden, am schlimmsten aber in Filmen auftauchen. Ich hoffe, die Leser haben nichts dergleichen in diesem Buch entdecken können.
Der Fairneß halber muß gesagt werden, daß nicht nur Filmemacher an der Vergangenheit herumpfuschen. Als Volk neigen wir alle dazu, im Laufe der Generationen Mythen aufzubauen. So ist unsere Ikonen-Version von Lincoln für immer auf den allwissenden, ewig ruhigen Idealisten und Humanisten festgelegt worden anstatt auf den von Zweifeln getriebenen, depressiven und verhaßten politischen Pragmatiker, der durch die Umstände und sein eigenes Gewissen zur Größe getrieben wurde. Unser Lee ist der ewig gütige Held, nicht der Soldat, dessen Fähigkeiten und Entscheidungen oft genug in Zweifel gezogen wurden und dem viele Mit-Konföderierte ihre Verachtung durch Spitznamen wie ›Granny‹ und ›Rückzugs-Lee‹ zum Ausdruck brachten.
Wir mythisieren nicht nur Individuen, sondern auch den Krieg selbst. Unsere natürliche menschliche Tendenz, Glanz und Gloria dem Schmutz und Elend vorzuziehen, hat den Krieg mit einer Patina überzogen – um ihm seine Romantik zurückzugeben. Die hatte er auch – für ungefähr neunzig Tage. Danach kam der Horror. Und der Horror wurde größer und größer.
Obwohl der Film Vom Winde verweht all die Bewunderung und Ehren verdient, die er erhalten hat, ist er keine glaubwürdige Nachbildung der Geschichte; der Film ist eine Romanze. Das brennende Atlanta ist ein gewaltiges Spektakel, sagt aber wenig über persönliche Tragödien aus. Sklaverei ist nie ein Thema; die Hausneger auf Tara sind glücklich, niedlich und offensichtlich zufrieden. Und trotz einiger Hospitalszenen wird echtes Leid nie dargestellt, bis auf die berühmte Einstellung, wo der Kamerakran steigt und steigt und mit verheerender Eindringlichkeit immer mehr und mehr Verstümmelte ins Blickfeld geraten läßt.
Es mag unfair sein, einen Klassiker nach anderen als den zu seiner Zeit gültigen Normen zu beurteilen. Andererseits besitzen die sozialen Ansichten von Charles Dickens durchaus bis heute Gültigkeit.
Ich habe zwei Probleme mit dem autoritären Vom Winde verweht, den ich trotz seiner eindeutig negativen Aspekte schamlos liebe. Erstens ist es die größte filmische Darstellung des Krieges und somit eine stillschweigende Gültigkeitserklärung seiner eigenen zweifelhaften Moral. Und zweitens kommt nur ein in letzter Zeit gedrehter Film – David L. Wolpers Meilensteinproduktion Roots – seiner Wirkung und seinem populären Zuschnitt nahe. Dies mag eine anhaltende, wertvolle Erinnerung an die unterschiedlichen Normen der dreißiger Jahre und des neuen Amerika sein: der Unterschied zwischen Mythos und Wahrheit.
Der Genauigkeit zuliebe folgte ich den Spuren des Krieges, besuchte noch einmal jedes östliche Schlachtfeld und jeden historischen Park. Die meisten hatte ich zuvor schon besucht, jedoch nicht alle. Ich sah Little Brandy Station 1982 an einem wunderbaren Frühlingstag. In der gleichen Woche verbrachte ich einen ganzen feuchten, nebligen, einsamen Samstag in Antietam.
In Kapiteln, in denen es um Schlachten und Feldzüge geht, werden die Leser bemerkt haben, daß kaum Namen und Nummern militärischer Einheiten verwendet werden. Eine Armee-Organisation ist stets komplex, das trifft jedoch in verstärktem Maße auf den Bürgerkrieg zu, da die Armeen auf beiden Seiten mehrfach umstrukturiert wurden, den speziellen Vorstellungen des jeweils kommandierenden Generals entsprechend. Ich glaube, das Nummerngewirr von Armeen, Divisionen und Regimentern ist in erster Linie für Spezialisten von Interesse. Als Fundament eines Schlachtberichts verwirrt und irritiert es jedoch lediglich. Aus diesem Grunde habe ich es vermieden. Nichtsdestoweniger habe ich mich bemüht, für die Erzählung wichtige Armee-Einheiten zur richtigen Zeit am richtigen Ort erscheinen zu lassen.
Noch einige andere Dinge müssen erwähnt werden, um keine Irrtümer aufkommen zu lassen.
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