Mosbys unerwartete Ankunft hatte Billy beschwingt und verwirrt. Er hätte ihn sofort erkennen müssen; gleich nach dem von Stuart war sein Federbusch der berühmteste in der ganzen Konföderation. Mosby wandte sich an den anderen Mann in Uniform, einen Sergeanten. »Sorg dafür, daß er zu essen bekommt und nicht mißhandelt wird. Wir müssen weiter.«
Sie ritten los; einer von ihnen blieb zurück, um sich um den Gefangenen zu kümmern. Schnell flüsterte Schwarzkittel Billy zu: »Du kommst ins Libby-Gefängnis. Wenn du siehst, wie ihr Yankeejungs dort behandelt werdet, dann wirst du dir noch wünschen, ich hätte abgedrückt. Wart nur ab.«
87
Der August brachte Richmond eine alles niederdrückende Hitze mit hoher Luftfeuchtigkeit; staubige Blätter und die regungslose Luft warteten auf den großen befreienden Sturm, der nordwestlich vom Potomac hing, sich aber nicht von der Stelle zu rühren schien. Eine durchdringende Verzweiflung folgte den beiden Erkenntnissen: Der Mississippi war verloren; und Gettysburg war nicht der Triumph gewesen, als den das Oberkommando ihn ausgegeben hatte. Ein deutliches Zeichen dafür war der illegale Wechselkurs. Ein Yankeedollar, von denen sich Tausende in Umlauf befanden, hatte vor dem Debakel in Pennsylvania zwei Konföderiertendollar gekostet. Jetzt kostete er vier.
Vicksburg spuckte Tausende von neuen Gefangenen in die bereits überfüllten Camps und in die in Gefängnisse umgewandelten Lagerhäuser. Gettysburg brachte den überbelegten Hospitälern Tausende von frischen Verwundeten. Huntoon nahm das alles am Rande zur Kenntnis, während er seine Arbeit erledigte, die ihn nicht länger interessierte. Memminger hatte ihm die verhaßte Aufgabe aufgebürdet, Listen jener fast zahllosen Geschäftsunternehmen zu erstellen, die mit Druck und Verteilung illegaler Cent-Noten zu tun hatten.
Die Konföderation besaß kein Silber für kleine Münzen, und so hatte das Schatzamt Staaten und Städte bevollmächtigt, Papiergeld von fünf bis fünfzig Cents als Wechselgeld herauszugeben. An diesem Morgen schrieb Huntoon von Informanten des Schatzamtes in Florida und Mississippi zur Verfügung gestellte Namen ab – verhaßte Arbeit, auf die sein Schweiß wie Tränen tropfte.
Es interessierte ihn nicht mehr, was diese Regierung tat. Aber eine neue Konföderation – das konnte einen in Versuchung führen, das elektrisierte ihn. Nachts lag er wach und dachte darüber nach. An seinem Schreibtisch hing er Tagträumen nach, bis ihn irgendein Vorgesetzter ermahnte. Eines heißen Mittags schließlich schreckte er seine schläfrigen Kollegen auf, als er plötzlich seinen Hut packte und mit verzücktem Gesichtsausdruck aus dem Büro stürmte.
In den Saloons hatte er bereits Nachforschungen angestellt. Die meisten Barkeeper kannten Powell recht gut, und bald schon wußte Huntoon die Adresse des Georgiers. Ashton hatte er nicht fragen wollen, aus Furcht, sie wüßte Bescheid.
Huntoon wollte Powell einige zusätzliche Fragen stellen. Er benötigte mehr Details, wollte sich aber gleichzeitig auch nicht unbeliebt machen. So hatte er das eine Weile hinausgezögert. Sein angeregter Zustand trieb ihn schließlich an diesem kochendheißen Mittag aus dem Büro und in eine Mietkutsche.
»Church Hill«, rief er. »Ecke Twenty-fourth und Franklin.«
Mit Staub bedeckte Blätter hingen regungslos über dem Gehsteig. Aufgeregt stolperte Huntoon die Stufen hoch und klopfte. Eine Minute später klopfte er erneut. Endlich ging die Tür auf.
»Powell, ich habe beschlossen – «
»Was zum Teufel tun Sie hier?« fragte Powell und zog den Gürtel seines Samtmorgenmantels zu.
Die St. John’s-Kirche begann die halbe Stunde einzuläuten. Huntoon hatte das unbehagliche Gefühl, daß es die Totenglocke für seine Chance war. »Ich wollte nicht stören.«
»Aber das tun Sie. Ich bin ungemein beschäftigt.«
Huntoon blinzelte, von Furcht überwältigt. »Bitte nehmen Sie meine Entschuldigung an. Ich bin nur gekommen, weil Sie eine schnelle Entscheidung von mir wollten. Heute morgen habe ich sie getroffen.« Ein hastiger Blick die Straße hinunter. Dann glaubte er die Bewegung einer unsichtbaren Person hinter der Tür zu hören.
»In Ordnung. Reden Sie.«
»Ich – ich möchte mitmachen, wenn Sie mich haben wollen.«
Ein Teil des Zorns schwand aus Powells Gesicht. »Natürlich. Das sind gute Neuigkeiten.«
»Könnten wir über die Einzelheiten sprechen, wann und wie?«
»Nicht jetzt. Ich nehme Verbindung auf.« Als er Huntoons Reaktion auf seine schroffe Antwort sah, lächelte Powell. »Sehr bald schon. Ich würde es gerne heute machen, aber unglücklicherweise muß ich mich um viele andere Dinge kümmern. Ich bin froh, Sie bei uns zu haben. Wir brauchen einen Mann mit Mut und Visionen im neuen Schatzamt. Sie werden bald von mir hören, das verspreche ich.«
Er schloß die Tür. Huntoon blieb draußen in der Hitze stehen. Natürlich war er ohne Voranmeldung gekommen, und Südstaatler mochten solche Unhöflichkeiten nicht. Er hatte kein Recht, verstimmt zu sein, obwohl er sich fragte, welche Privatangelegenheit es nötig machte, daß Powell mitten am Tag einen Morgenmantel trug. Huntoon hegte einen Verdacht, der zu schmerzhaft war, als daß er ihn lange hätte aufrechterhalten können.
Während er sich auf die Suche nach einer Kutsche machte, vollführte er eine emotionale Kehrtwendung. Powell wurde zu der Person, der eine Kränkung widerfahren war; er selbst wurde zum Angreifer. Sein Geist vollführte den Umschwung, weil er das Gefühl brauchte, ein echter Bestandteil von Powells Plan zu sein.
Am meisten aber wünschte er sich, seiner Frau von seiner tapferen Entscheidung zu berichten.
»Knappe Sache«, sagte Powell im Foyer und schlüpfte aus der heißen Samtrobe. Huntoon watschelte auf dem Gehsteig davon, und Ashton, splitternackt, gab sich dem Gelächter hin, das sie mühsam unterdrückt hatte, während sie hinter der Tür versteckt gewesen war.
»Ums Haar hättest du uns verraten.«
»Aber – ich mußte lauschen, Lamar.« Sie lachte so sehr, daß ihr die Tränen kamen. »Es war – so köstlich – mein Ehemann auf der einen Seite der Tür – mein Liebhaber auf der anderen.« Sie hielt sich die Seiten; ihre Brüste bebten.
»Ich habe nicht gehört, wie du runtergeschlichen bist. Bei deinem Anblick hätte mich beinahe der Schlag getroffen.« Mit der linken Hand umklammerte er ihr Kinn und hob es grob an. »Tu sowas nie wieder.«
Ihr Lächeln verblaßte. »Nein, nein – es tut mir leid – ich werd’s nie wieder tun. Aber ich bin so froh, daß er ja gesagt hat. Seit Tagen kämpft er mit der Entscheidung. Er hat kein Wort davon zu mir gesagt, aber es war offensichtlich.« Sie griff nach seinem Arm. »Du bist erfreut, nicht wahr? Jetzt haben wir ihn da, wo wir ihn im Auge behalten können.«
»Vor allem wollen wir nicht, daß er seinen Entschluß noch mal umstößt. Also mußt du irgendwelche Zweifel, die er noch haben mag, zerstreuen. Mach ihn stolz auf seine Entscheidung, indem du ihn belohnst.« Er drückte ihr Kinn zusammen; ein Zucken ihrer Mundwinkel zeigte den Schmerz. »Du verstehst, Liebes?«
»Ja. Ja. Ich tue, was du sagst.«
»Wie immer.« Er ließ los. Der Abdruck seiner Finger verblaßte. Lächelnd drückte er einen kurzen, väterlichen Kuß auf ihre Wange. »Deshalb liebe ich dich.«
Nachdem an diesem Abend die Dienerschaft entlassen und die Türen zum Speisezimmer geschlossen worden waren, räusperte sich Huntoon auf eine Art und Weise, die eine Ankündigung verhieß.
Lächelnd sagte sie: »James, was ist los? Du bist so aufgeregt.«
»Mit gutem Grund. Kürzlich führte ich einige persönliche Gespräche mit Mr. Lamar Powell.« Er schob die Terrine mit der dampfenden Fischsuppe beiseite, sprang auf. »Oh, ich kann nicht sitzen!« Er eilte zu ihr. »Er unterbreitete mir einen höchst erstaunlichen Plan, Ashton – ein Angebot, das ich akzeptiert habe, weil ich es für meine patriotische Pflicht halte, weil ich es für moralisch richtig halte und weil ich glaube, daß es uns große Vorteile bringen wird.«
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