Als er in den Hof geritten kam, warf Boz seine Axt hin, sprang über einige gespaltene Holzscheite und rannte auf ihn zu. »Hallo, hallo! Miss Augusta – Captain Charles ist hier!«
Boz hörte sich mehr als glücklich an. Er klang sehr erleichtert.
»Irgend etwas beunruhigt dich«, sagte sie. »Was ist es?«
Nebeneinander lagen sie in der Dunkelheit. Sie hatten gegessen und geredet, gebadet und miteinander geschlafen. Und anstatt sich jetzt angenehm müde zu fühlen, kämpfte er gegen die Spinnweben seiner eigenen Gedanken.
»Wo soll ich anfangen?« fragte er.
»Wo du willst.«
»Es läuft schlecht, Gus. Der ganze verfluchte Krieg. Vicksburg bedroht – Grant führt dort das Kommando. Orry kennt ihn von der Akademie und Mexiko her. Er sagt, der Mann sei wie ein Terrier mit einem Knochen. Läßt nicht los, selbst wenn er daran erstickt. Orry meint, Grant wird Vicksburg im Herbst eingenommen haben. Dann ist da Davis, der immer noch zweitklassige Generäle wie Bragg hätschelt. Und die Kavallerie kann nicht genügend Pferde auftreiben, geschweige denn sie füttern.«
»Die Farmen hier sind ausgeplündert. Und wenn man jetzt ein Feld pflügt, dann zieht zehn Minuten später eine Artillerie-Batterie darüber, und du kannst wieder von vorn anfangen.«
Charles zitterte in der Dunkelheit. Besänftigend strich sie über seine nackte Schulter. »Ich würde sagen, das alles sind ungemein ehrbare Sorgen.«
»Da ist noch eine.«
»Welche?«
Er rollte zur Seite, konnte sie nur als blassen Umriß sehen.
»Du.«
»Mein Liebling, verschwende keine Minute darauf, dich um mich zu sorgen. Ich kann schon auf mich aufpassen.« Ihre Stimme klang stolz und beruhigend. Aber er hörte auch eine Spur von Ärger heraus.
»Nun, ich mache mir trotzdem Sorgen. Beim Gedanken an dich hier ganz alleine kann ich nicht schlafen.«
Und deshalb sollte sich ein Mann in Kriegszeiten nicht verlieben. Diese Überzeugung ruhte wie ein Felsblock in ihm, unerwünscht, störend – und zweifellos wahr.
»Das ist albern, Charles.«
»Den Teufel ist es das. Hooker wird mit Sicherheit Fredericksburg angreifen – vielleicht schon in den nächsten Tagen. Die Potomac-Armee könnte das ganze Land überrennen.«
»Boz und Washington und ich können – «
»Ihr könnt euch gegen Blaubäuche verteidigen, die seit Monaten keine hübsche Frau mehr gesehen haben? Jetzt hör aber auf.«
»Du bist streitsüchtig.«
»Du auch. Ich habe gute Gründe. Ich kann nicht aufhören, mir Sorgen zu machen.«
»Du müßtest nur nicht mehr hierherkommen, dann hättest du überhaupt keine Sorgen.«
Kalt und hart fielen die Worte zwischen sie. Er warf sich aus dem Bett, kratzte sich wütend den Bart. Sie berührte ihn an der Schulter.
»Glaubst du vielleicht, ich mache mir deinetwegen keine Sorgen? Ständig? Manchmal glaube ich, ich habe mich zum falschen Zeitpunkt verliebt – in einen Mann, der – «
»Dann sollte ich vielleicht nicht mehr kommen.«
»Ist es das, was du willst?«
»Ich – «
Schweigen. Dann zerbrach etwas in ihm, er wirbelte herum, umarmte ihren nackten Körper, streichelte ihr Haar. »Oh Gott, nein ,Gus. Ich liebe dich so sehr, ich weiß manchmal gar nicht mehr, was ich tue.« Zitternd umklammerten sie einander. »Geh nach Richmond«, bat er.
Sie löste sich aus der Umarmung. »Charles, das hier ist mein Zuhause. Ich werde nicht wegrennen.«
»Es hat nichts mit Feigheit zu tun, wenn du die Farm für ein oder zwei Wochen verläßt. Bis Hooker losschlägt und eine Entscheidung fällt.«
»Und wenn die Yankees kommen, und ich bin nicht hier? Wenn sie plündern und alles niederbrennen? Das hier ist alles, was ich habe.«
»Sie können plündern und brandschatzen, während du in der Küche stehst.«
»Richmond ist zu überfüllt. Es gibt keinen Platz – «
»Mein Cousin und dessen Frau werden dich aufnehmen. Boz und Washington auch.«
Sie sank zurück, verschränkte die Arme vor ihrer Brust, als wäre ihr kalt. »Es würde viel Umstände machen, alles zu packen und – «
»Hör auf, Gus. Du bist eine stolze Frau. Stark. Deswegen liebe ich dich. Aber verflucht noch mal – «
»Ich wollte, du würdest nicht ständig fluchen.«
Die leisen Worte drückten ihren Ärger deutlicher als alles andere aus. Er atmete tief durch und umklammerte den Bettpfosten, als müßte er sich festhalten.
»Tut mir leid. Aber die Gründe sind nach wie vor stichhaltig. Stolz und Stärke und zwei Neger reichen als Schutz gegen Joe Hookers Armee nicht aus. Du mußt nach Richmond gehen; wenn du es nicht für dich tust, dann tu es für mich.«
»Für dich?«
»Ja.«
»Ich verstehe.«
»Wenn du den Ton beibehältst, dann schlafe ich im anderen Zimmer – «
»Das tust du wohl besser.«
Und draußen war er, eingewickelt in eine Decke; die Tür knallte hinter ihm zu.
Beim ersten Tageslicht schlich er zu ihr hinein, flüsterte ihren Namen, erschrak, als sie sich hellwach aufrichtete. Ihr Gesicht zeigte ihm, daß sie kaum geschlafen hatte.
Er hielt ihr die Hand hin. »Es tut mir leid.«
Sie umarmten sich, beendeten den Streit, und beim Frühstück sagte sie, sie würde noch vor Ablauf der Woche nach Richmond gehen, wenn er ihr einen Paß besorgen könnte. Er versprach es. Er schrieb ihr den Weg zu Orrys und Madelines Haus auf. Alles war wieder in Ordnung. An der Oberfläche.
Später am Morgen bereitete er sich zum Aufbruch vor. »Ich schau in Richmond vorbei und sage ihnen, daß du kommst.«
Sie standen im Hof. Sie legte ihre Arme um ihn, küßte ihn und sagte: »Ich liebe dich, Charles Main. Du darfst dir keine Sorgen um mich machen.«
»Oh nein, niemals. Und Old Abe wird morgen in Atlanta die Stars and Bars-Fahne hochziehen.«
Er stieg in den Sattel, winkte und trabte auf die Straße zu. Nach einer halben Meile blickte er zurück, aber eine ratternde Kolonne Munitionswagen wirbelte Staub auf. Er konnte nur schwitzende Pferde und knirschende Räder sehen. Als die Kolonne ihn passiert hatte, war der Hof leer.
Wieder bei der Brigade in Sussex County log er Ab vor, der Besuch sei großartig gewesen.
75
»Miss Jane, ich muß gestehen – «
In der Dämmerung hatte er sie zur Veranda ihrer Hütte gebracht, hatte unterwegs versucht, sich auf diesen Moment vorzubereiten. Sie lächelte ihm ermutigend zu.
»Ich liebe dich. Ich sehne den Tag herbei, wo ich ein freier Mann bin und dich um deine Hand bitten kann.«
Schon lange hatte er sich das zurechtgelegt, es aber nie auszusprechen gewagt. Seine Worte machten sie glücklich. Sie sah Andy an. Die versteckte Sonne ließ den leichten Nebel in staubig rötlicher Farbe aufleuchten. Sanft sagte sie: »Der Tag wird kommen. Dann werde ich voller Stolz ja sagen.«
»Großer Gott! Ich würde dich küssen, wenn nicht so viele Leute zuschauen würden.«
Lachend sagte sie: »Ich sehe niemanden.« Sie gab ihm einen kleinen Kuß auf die Wange und rannte hinein. Sie lehnte sich gegen die Tür ,preßte ihre Hände gegen ihre Brüste.
Und dann bemerkte sie den Geruch. Den Geruch eines schmutzigen Körpers und eines schmutzigen Geistes. Er räkelte sich an der weißgetünchten Wand, die Augen trübe. Wo hatte er den Whiskey her bekommen? Wie hatte er sich ins Haus geschlichen?
»Wie kannst du es wagen, Cuffey. Raus hier.«
Er rührte sich nicht. Mit einem verschlagenen Lächeln griff er nach unten und fingerte an sich herum. »Hab’ gehört, was der Nigger sagte. Er liebt dich.« Die dunkelbraune Hand öffnete einen Knopf nach dem anderen, bis er ihr zeigen konnte, was darunter war. »Ich kann’s dir viel besser machen als er.«
»Du betrunkener, dreckiger – «
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