»Aber wir besitzen genügend Geld, um die Water Witch zu ersetzen und vielleicht ein zweites Schiff zu kaufen. Wir brauchen uns wegen des Präsidenten keine Sorgen zu machen.«
»Das könnten wir, wenn uns der Süden scheißegal wäre.« Er sagte es leise, aber voller Leidenschaft. Erschrocken erkannte sie, daß sie ihn verärgert hatte. »Mir ist er das nicht. Zum Glück gibt es eine Möglichkeit, Davis zu stoppen und die Prinzipien des Südens zu bewahren.«
»Was meinst du damit?«
Powells schmaler, starker Mund zog sich nach oben, doch seine Augen blieben kalt.
»Wie sehr liebst du mich, Ashton?«
Sie lachte nervös. »Wie sehr –?«
»Es ist eine ganz einfache Frage. Beantworte sie.«
»Mein Gott – du kennst die Antwort. Bei keinem Mann hab’ ich das empfunden, was ich bei dir empfinde.«
»Ich kann dir also vertrauen?«
»Hat dir das unsere Partnerschaft nicht schon bewiesen?«
»Ja, ich glaube, ich kann dir vertrauen. Aber wenn ich ein Geheimnis teile und dann feststellen muß, daß ich einen Fehler gemacht habe«, er packte die Sharps und stieß die Mündungen in ihre Brust, »dann mache ich diesen Fehler wieder gut.«
Ashtons Mund klappte auf, als sie seinen Finger weiß werden sah. Lächelnd drückte er ab. Der Hammer fiel – auf eine leere Kammer.
»Was – Lamar – was soll das?« Verwirrt und zitternd vor Furcht preßte sie die Worte heraus. »Was steckt hinter all dem?«
Er legte die Pistole beiseite und breitete die Landkarte auf dem zerwühlten Bett aus. In der Südwestecke der Karte hatte er eine vertikale Linie durch das Territorium von New Mexico gezogen; links davon waren mit gepunkteten Linien kleine Quadrate eingetragen, die sich nirgendwo überschnitten.
»Hier siehst du alles vor dir, Liebes. Unsere unfähigen Generäle in Texas haben den Südwesten verloren. Das gehört jetzt alles der Union. Einschließlich des neuen Territoriums von Arizona. Der Yankee-Kongreß hat im Februar das Gesetz erlassen. Ein paar Berufssoldaten aus Kalifornien und einige Freiwillige aus New Mexico sollen das ganze Gebiet bewachen, was natürlich unmöglich ist. Es ist zu groß, und außerdem sind die Soldaten ständig unterwegs, um isolierte Ansiedlungen vor den roten Wilden zu schützen. Das neue Territorium ist geradezu perfekt für einen Plan geeignet, den ich und einige andere Gentlemen entwickelt haben. Uns allen ist klar, daß King Jeff uns ruinieren wird, wenn wir es zulassen.«
Das entnervende Lächeln blieb auf seinem Gesicht, als er die Karte zusammenrollte. Ashton sprang mit wippendem Hinterteil aus dem Bett. Sie verschränkte die Arme vor ihrem Busen.
»Du drückst dich so geheimnisvoll aus, um mich zu quälen, Lamar. Wenn du nicht erklären willst, was du meinst, dann ziehe ich mich an und gehe.«
Er lachte bewundernd. »Daran gibt es nichts Geheimnisvolles, Liebes. Diese Quadrate auf der Landkarte umfassen die mögliche Anordnung einer neuen Konföderation.«
Sie wirbelte herum, eine Figur so weiß wie Milch bis auf die Schwärze ihres Haares. »Eine neue –?« Sie schüttelte den Kopf. »Mein Gott. Du meinst es ernst, nicht wahr?«
»Absolut. Die Idee ist gewiß nicht neu.« Sie nickte. Sie hatte von einem dritten Staat reden hören, der im Nordwesten aufgebaut werden sollte, und von einer Konföderation an der Pazifikküste. »Ich habe nichts weiter getan, als die ideale Lage für einen neuen Staat zu finden, klein, aber uneinnehmbar. Ein Ort, wo jeder seinen Wünschen und Fähigkeiten entsprechend reich werden kann und wo die Sklaverei unterstützt wird.«
Die Vorstellung war so überwältigend, daß sie es noch gar nicht fassen konnte. Sie ging zurück zum Bett und setzte sich auf die Kante. »Wie lange arbeitest du schon an dem Plan?«
»Seit über einem Jahr. Der eigentliche Anstoß war Sharpsburg, als die europäische Anerkennung hoffnungslos geworden war.«
»Aber Davis wäre für einen solchen Plan nicht zu gewinnen, Lamar. Er würde seine gesamte Regierungsgewalt einsetzen, um ihn zu verhindern.«
»Meine arme, gedankenlose Ashton«, sagte er und streichelte sie. »Natürlich würde er das. Was glaubst du, weshalb ich mich vergewissern wollte, daß du vertrauenswürdig bist? Wenn wir den neuen Staat errichten, dann wird die Regierung ohne Führung sein. Mr. Jefferson Davis wird seinen Lohn erhalten – in der Hölle, wie ich hoffe.«
»Du meinst – ihn ermorden?«
»Den Präsidenten und die wichtigsten Kabinettsmitglieder. Jene, die uns vielleicht Widerstand leisten könnten.«
»Wie – wieviele andere Personen sind an der Sache noch beteiligt?«
»Du brauchst nur zu wissen, daß ich das Kommando führe und daß wir es ernst meinen. Jetzt, wo dir der Plan bekannt ist«, sein Daumen preßte sich in ihre Wange; seine Finger schlossen sich um ihren Nacken, verursachten einen Hauch von Schmerz, »gehörst du dazu.«
Nachdem sich der erste Schock gelegt hatte, schossen ihr Unmengen von Fragen durch den Kopf. Sie stellte die nächstliegende davon: Wie sollte dieser neue Staat finanziert werden? Er war zwar klein, mußte aber trotzdem verteidigt werden. Wie sollte die Armee bezahlt werden? Erregt lief Powell im Schlafzimmer herum. »Zuerst einmal mit meinem Anteil an den Profiten der Water Witch. Aber natürlich wird in den ersten paar Jahren für die Ausrüstung unserer Verteidigungsarmee wesentlich mehr Geld benötigt. So lange, bis die Yankees erkennen, daß sie uns nicht überwältigen können, und uns unsere Souveränität bestätigen.«
»Woher willst du die Männer für eine solche Armee bekommen?«
»Mein Liebes, jetzt in diesem Moment gibt es in der Konföderation Tausende von ihnen. Unzufriedene Offiziere und Mannschaften. Einige unserer besten Leute sind desertiert, von all den stümperhaften Fehlern desillusioniert. Falls notwendig, können wir auch noch Söldner aus Europa anheuern. Soldaten zu finden ist kein Problem.«
»Aber du mußt sie trotzdem noch bezahlen.«
Er grinste breit. »Wir haben die Mittel. Habe ich je meinen Bruder Atticus erwähnt?«
»Flüchtig. Erzählt hast du nie was über ihn.«
Powell setzte sich neben sie und begann ihr Bein zu streicheln. Sie studierte sein Profil, für einen Moment um seine geistige Gesundheit besorgt. Er sprach voller Leidenschaft, aber mit der Klarheit eines Mannes, der sein Vorgehen seit langer Zeit genau geplant hatte. Ihr Zweifel schwand.
Verachtung schlich sich in Powells Stimme. »Mein Bruder besaß dem Süden gegenüber keine Loyalität. Er verließ Georgia im Frühling 1856 und ging in den Westen auf die Goldfelder. Viele Georgier taten das. In Colorado, wo Atticus sich seinen Claim absteckte, gab es eine ganze Kolonie davon. Er bearbeitete ihn bis Sommer 1860 und holte in der Zeit zweitausend Dollar heraus – ganz anständig, aber auch nicht mehr. Ungefähr zu der Zeit, als South Carolina abfiel, überkam ihn wieder die Wanderlust. Atticus verkaufte seinen Claim für weitere tausend und machte sich mit seinem Kapital nach Kalifornien auf. Er kam bis zu den Schürfgebieten am Carson River, an der Westgrenze des Nevada-Territoriums.«
»Ich habe von den Carson-River-Minen gehört. James redete davon, Anteile zu kaufen.«
»Mein Bruder kam gerade zur rechten Zeit. Im Jahr zuvor hatten einige Goldgräber ein paar vielversprechende Stellen am Mount Davidson entdeckt. Von Anfang an machten sie einen ordentlichen Profit. Doch die ganze Mine war reicher, als sie sich erträumt hatten. Erzadern zogen sich durch den ganzen Berg. Zusätzlich zu dem Gold kam auch noch ein weiteres Edelmetall hinzu. Silber.«
»Steckte sich dein Bruder einen Claim ab?«
»Nicht direkt. Goldgräber sind eine merkwürdige Rasse – ständig schachern sie mit ihren Claims herum, kaufen und verkaufen. Reines Glücksspiel, wieviel Erz noch im Boden ist. Einem der ursprünglichen Entdecker, einem Burschen namens Penrod, gehörte ein Sechstel der Ophir-Mine, das er für 5.500 Dollar verkaufen wollte. Mein Bruder konnte den Betrag nicht aufbringen, aber Penrod machte ein zweites Angebot – halbe Beteiligung an einer Mine, genannt ›Der Mexikaner‹, für 3.000 Dollar. Atticus kaufte.«
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