«Nichts, hoff ich, als was Ihr wünscht, «antwortete Durward,»und nun sehe ich mich genötigt, Euch zu fragen — edle Damen, könnt Ihr mir vertrauen?«
«Ich meinesteils, «sagte Gräfin Isabelle,»vertraue Euch blindlings und unbedingt; und wenn Ihr uns täuschen könnt, so glaube ich, daß es keine Treue mehr unter der Sonne gibt.«
«Edle Jungfrau, «erwiderte Durward, höchlich erfreut,»Ihr laßt mir nur Gerechtigkeit widerfahren. Meine Absicht ist, unsern Weg zu verändern, indem wir auf dem linken Ufer der Maas auf Lüttich zugehen, statt Namur zu berühren. Dies läuft allerdings den Befehlen König Ludwigs und den unserem Führer gegebenen Anweisungen zuwider. Ich hörte aber in dem Kloster von Räubern, die sich auf dem rechten Ufer der Maas zeigen, sowie von burgundischen Soldaten, die gegen sie anrückten, um sie zu Paaren zu treiben. Beide Umstände machen mich für Eure Sicherheit besorgt. Habe ich Eure Erlaubnis, daß ich insoweit von der vorgeschriebenen Reiseroute abgehen darf?«
«Ihr habt meine volle und unbedingte Erlaubnis, «sagte die jüngere Dame.
«Nichte, «sagte Gräfin Hameline,»ich glaube mit Euch, daß es der junge Mann gut mit uns meint; — aber bedenkt, wir überschreiten die ausdrücklichen Verhaltungsbefehle König Ludwigs.«
«Und was haben wir auf seine Verhaltungsbefehle zu achten?«fragte Gräfin Isabelle.»Ich bin, dem Himmel sei Dank, nicht seine Untertanin, und da ich als eine Schutzbittende mich an ihn wandte, hat er das in ihn gesetzte Vertrauen gemißbraucht. Ich möchte den jungen Mann da nicht so entehren, daß ich gegen seinen Vorschlag die Vorschriften jenes hinterlistigen, selbstsüchtigen Despoten auch nur einen Augenblick in die Wagschale legte.«
«Nun denn, «sprach Quentin erfreut,»Gott lohne Euch diese Worte und wenn ich mich Eures Vertrauens unwürdig zeigen sollte, dann wäre es noch viel zu wenig für mein Vergehen, wenn ich lebendig von Pferden zerrissen oder ewigen Martern preisgegeben würde.«
Mit diesen Worten gab er seinem Pferde die Sporen und gesellte sich wieder dem Zigeuner zu. Dieser Ehrenmann schien ein sehr verträglicher Mensch zu sein. Beleidigungen oder Drohungen schienen nicht lange in seinem Gedächtnis zu haften; und er ging auf das Gespräch, das Durward mit ihm begann, so unbefangen ein, als ob diesen Morgen kein unfreundliches Wort zwischen ihnen gewechselt worden wäre.
«Der Hund, «dachte der Schotte,»zeigt mir jetzt die Zähne nicht, weil er seine Rechnung mit mir mit einemmal abzumachen gedenkt, wenn er mich an der Gurgel gefaßt hat; aber wir wollen sehen, ob wir ihn nicht mit seinen eigenen Waffen schlagen. Hayraddin, «sagte er,»Du bist denn doch nun schon zehn Tage mit uns gereist und hast uns noch kein Pröbchen Deiner Geschicklichkeit im Wahrsagen gegeben. So gib mir denn jetzt einen Beweis Deiner Kunst. «Und Quentin zog den Handschuh aus und hielt seine Hand dem Zigeuner hin.
Sorgfältig betrachtete Hayraddin alle Linien, welche sich auf der flachen Hand des Schotten durchkreuzten, sowie auch die kleinen Erhöhungen und Vertiefungen an den Fingerwurzeln, von denen man damals glaubte, sie ständen in Verbindung mit der Stimmung, den Neigungen und dem Schicksale des Betreffenden.
«Das ist eine Hand, «sagte Hayraddin,»in der sich viel von überstandenen Mühseligkeiten und Gefahren kundgibt. Auch lese ich eine frühere Bekanntschaft mit dem Schwerte, und doch zeigt sie auch an, daß Euch das Gebetbuch nicht fremd geblieben ist.«
«Dies betrifft mein früheres Leben, das kannst Du anderswo erfahren haben, «versetzte Quentin.»Von der Zukunft sollst Du mir etwas sagen.«
«Diese Linie von dem Venusberge, «fuhr der Zigeuner fort,»die nicht so plötzlich abbricht, sondern der Lebenslinie zur Seite hinläuft, verkündet großes Glück durch Heirat. Der Glückliche wird dadurch unter die Zahl der Reichen und Edeln erhoben.«
«Solche Versprechungen machst Du wohl allen, die Dich zu Rate ziehen, «sagte Quentin;»sie gehören mit zu Deiner Kunst.«
«Was ich Euch sage, ist ebenso gewiß, «sagte Hayraddin,»als daß Ihr in kurzem von großer Gefahr werdet bedroht werden, was ich aus dieser glänzenden, blutroten Linie folgere, welche die Lebenslinie durchschneidet und auf Schwertstreiche und andere Gewalttaten hindeutet, denen Ihr einzig und allein durch die Anhänglichkeit eines treuen Freundes entgehen werdet.«
«Durch Dich selbst wohl? Ha!«fragte Quentin, unwillig, daß der Wahrsager seine Leichtgläubigkeit so dreist mißbrauchen wollte.
«Meine Kunst, «versetzte der Zigeuner,»lehrt mich nichts von dem, was mich selbst betrifft,«
«So übertreffen denn darin die Seher bei mir zu Lande Eure gerühmte Weisheit, «sagte Quentin;»denn ihre Kunst läßt sie auch die Gefahren voraussehen, von denen sie selbst bedroht sind. Ich habe meine Berge nicht verlassen, ohne meinen Anteil an der Gabe des doppelten Gesichts mit mir zu nehmen, und ich will Dir für diese Deine Handwahrsagerei da ein Pröbchen davon geben. Hayraddin, die Gefahr, die mich bedroht, liegt auf dem rechten Ufer des Flusses. Ich will ihr dadurch aus dem Wege gehen, daß ich auf dem linken Ufer meinen Weg nach Lüttich nehme.«
Der Führer hörte ihm mit einer Gleichgültigkeit zu, die dem Schotten, da er die Umstände kannte, ganz unverständlich blieb.»Wenn Ihr Euer Vorhaben ausführt, «sagte der Zigeuner,»so geht die Gefahr von Euch auf mich über.«
«Sagtest Du nicht eben, Du könntest Dein eigenes Schicksal nicht vorhersagen?«entgegnete Quentin.
«Nicht in der Art, wie ich Euch das Eurige vorhergesagt habe, «antwortete Hayraddin;»allein man darf Ludwig von Valois nur wenig kennen, um vorauszusagen, daß er Euern Führer hängen lassen wird, weil es Euch gefiel, von dem Wege, den er empfohlen, abzugehen.«
«Wenn wir das Ziel unserer Reise glücklich erreichen, so wird er uns auch eine kleine, den Zweck der Reise fördernde und sichernde Abweichung von der vorgeschriebenen Reiseroute nicht verübeln.«
«Ja, «antwortete der Zigeuner,»wenn Ihr der Absicht des Königs gewiß seid, daß die Pilgerfahrt so enden sollte, wie er Euch glauben ließ.«
«Und wie konnte er etwas anderes dabei gewollt haben, als er in seinen Instruktionen aussprach?«fragte Quentin.
«Ganz einfach deswegen, «versetzte der Zigeuner,»weil denen, welche den allerchristlichsten König nur etwas kennen, bekannt sein muß, daß er das, was ihm am Herzen liegt, am wenigsten laut werden läßt. Laßt unsern gnädigen König zwölf Gesandtschaften schicken, und ich verschreibe meinen Hals dem Galgen ein Jahr früher, als er ihm anheimfällt, wenn nicht elfe derselben anders instruiert sind, als ihr Beglaubigungsschreiben ausweist.«
«Was gehen mich Eure schändlichen Vermutungen an?«erwiderte Quentin;»mein Auftrag lautet klar und einfach dahin, die Damen sicher nach Lüttich zu geleiten, und ich nahm mir heraus, zu glauben, daß ich mich dessen am besten entledige, wenn ich von der vorgeschriebenen Reiseroute abgehe und den Weg auf dem linken Ufer der Maas einschlage. Es ist auch die gerade Straße nach Lüttich. Wenn wir über den Fluß gehen, verlieren wir unnützerweise Zeit und ermüden uns ohne Zweck — und wozu das?«
«Einzig deswegen, weil Pilgrime, die nach Köln wallfahrten, — und dafür wollen sie doch gelten, «entgegnete Hayraddin,»gewöhnlich nicht so weit an der Maas hinabgehen; und weil man so den Weg, den die Damen nehmen, mit ihrer angeblichen Bestimmung im Widerspruch finden wird.«
«Werden wir darüber zur Rede gestellt, «sagte Quentin,»so sagen wir, daß uns beunruhigende Gerüchte von dem gottlosen Herzog von Geldern oder von Wilhelm von der Mark oder von den Ecorcheurs und Landsknechten auf dem rechten Ufer des Flusses vermocht hätten, uns lieber auf dem linken zu halten.«
«Wie Ihr wollt, guter Herr, «antwortete der Zigeuner. — »Ich für mein Teil führe Euch ebenso gern an der linken, als an der rechten Seite der Maas hinab — bei Eurem Herrn mögt Ihr Euch dann selbst entschuldigen.«
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