Dunois nahm zuerst wieder das Wort, und in dem zürnenden Tone eines durch Mangel an Zutrauen gekränkten Freundes sprach er!» Ew. Hoheit findet also für gut, Euer bestes Schwert an demselben Morgen wegzuwerfen, an dem ihr kein Bedenken trugt, die Gnade des Königs zu verscherzen und Dunois' Freundschaft zu verschmähen?«—»Teuerster Vetter, «sprach der Herzog,»wie konnte ich Deine Freundschaft verschmähen wollen? Doch nicht dadurch, daß ich die Wahrheit sagte, wo ich sie Deiner Sicherheit und meiner Ehre schuldig war?«—»Was ging Euch denn meine Sicherheit an, fürstlicher Vetter, das möcht ich wissen?«sagte Dunois kurz; —»was in aller Welt kann es Euch verschlagen, wenn ich Lust habe, mich hängen oder erdrosseln, in die Loire werfen, oder erdolchen oder rädern, oder in einem eisernen Käfig einsperren, oder in einem unterirdischen Burgverließ lebendig begraben, oder sonst auf irgend eine Art aus der Welt schaffen zu lassen, wie es König Ludwig über seine getreuen Untertanen zu verhängen für gut finden mag? Ihr habt nicht nötig, mir zuzuwinken, die Stirne zu runzeln und auf Tristan l'Hermite zu deuten, ich sehe den Schuft so gut wie Ihr. — Aber so wär' es mir wohl nicht ergangen. — Soviel inbetreff meiner Sicherheit. Und was Eure Ehre anbelangt — bei dem Erröten der heiligen Magdalene! die wäre, dächt' ich, gerettet worden, wenn man das Unternehmen von diesem Morgen ganz unterlassen hätte, oder wenn Ihr dabei Euch nicht hättet blicken lassen. Da ist nun Eure Hoheit von einem wilden, schottischen Burschen aus dem Sattel gehoben wurden.«—»Still, still!«entgegnete Lord Crawford,»ich lese Eure Handschrift auf dieser gespaltenen Sturmhaube da. Man nehme sie dem Jungen ab, und gebe ihm meine Mütze, die ihm mit ihrem Stahlfutter den Kopf besser schützen wird als das zerbrochene Ding da. — Und nun, Dunois, muß ich Euch und den Herzog von Orleans ersuchen, aufzusitzen und mich zu begleiten, da ich Vollmacht und Auftrag habe, Euch an einen Ort zu führen, der, leider! sehr verschieden ist von dem, den ich Euch gern anweisen möchte.«—»Darf ich nicht noch ein Wort mit jenen schönen Damen dort sprechen, Lord Crawford?«fragte der Herzog von Orleans. — »Nicht eine Silbe, «antwortete Lord Crawford;»ich bin zu sehr Freund Ew. Hoheit, als daß ich eine solche Unbesonnenheit zulassen sollte. «Dann wandte er sich an Quentin und sagte:»Ihr, junger Mann, habt Eure Schuldigkeit getan. Fahrt fort, den Euch gewordnen Auftrag auszuführen.«—»Mit Erlaubnis, Mylord, «sprach Tristan mit seinem gewöhnlichen, rauhen Wesen,»der junge Mann muß sich einen andern Führer suchen. Ich kann Petit-André nicht entbehren, da sich leicht Geschäfte für ihn finden möchten.«—»Der junge Herr, «sprach Petit-André, der jetzt wieder zum Vorschein kam,»braucht nur den Weg, der gerade vor ihm liegt, zu verfolgen, und er wird an den Ort gelangen, wo er den Mann finden wird, der ihm zum Wegweiser bestimmt ist. Nicht um tausend Dukaten wollte ich mich heute von der Seite meines Vorgesetzten entfernen. Ich habe schon manche Ritter und Knappen, reiche Schöppen und Bürgermeister gehenkt — sogar Grafen und Marquis schon zu bedienen gehabt — aber, hm, hm,«— hier sah er den Herzog an, als wollte er sagen,»es fehlt nur noch ein Prinz von Geblüt! — Ho, ho, ho! Petit-André, man wird von Dir noch in der Chronik lesen.«—»Erlaubt Ihr Euern Schuften, in solcher Gegenwart eine solche Sprache zu führen?«sagte Crawford, indem er einen ernsten Blick auf Tristan warf. — »Warum weist Ihr ihn nicht selbst zurecht, Mylord?«entgegnete Tristan tückisch. — »Weil Deine Hand die einzige in der ganzen Gesellschaft ist, die ihn züchtigen kann, ohne durch eine solche Handlung entehrt zu werden, «versetzte Crawford. — »So haltet denn Eure eignen Leute in Ordnung, Mylord, und ich will für die meinigen verantwortlich sein, «sprach der Generalprofoß.
Lord Crawford schien im Begriff, ihm eine leidenschaftliche Antwort zu geben, allein als ob er sich eines Bessern besonnen hätte, kehrte er Tristan rasch den Rücken zu und ersuchte den Herzog von Orleans und Dunois, ihm zur Seite zu reiten, gab den Damen ein Abschiedszeichen und sagte zu Quentin:»Gott segne Dich, mein Kind; Du hast Deinen Dienst tapfer begonnen, obgleich in einer unglücklichen Sache. «Als er im Begriff war, sich aufzumachen, hörte Quentin noch, daß Dunois dem Lord zuflüsterte:»Führt Ihr uns nach Plessis?«
«Nein, mein unglücklicher, unbesonnener Freund!«antwortete seufzend Lord Crawford;»nach Loches.«—»Nach Loches!«Der Klang dieses Namens, noch mehr gefürchtet als Plessis selbst, schallte wie ein Donnerschlag in des jungen Schotten Ohr. Er hatte Loches als einen Ort schildern hören, der zur Ausübung jener geheimen Handlungen der Grausamkeit bestimmt war, womit selbst Ludwig das Innere seines Wohnsitzes zu beflecken sich schämte. An diesem Orte des Schreckens befanden sich Kerker auf Kerker, von denen einige sogar den Gefangenenwärtern unbekannt waren: Gräber für Lebendige, in denen diese für ihr ferneres Leben außer Wasser und Brot zu ihrem Unterhalt und dem Einatmen einer verpesteten Luft nichts weiter zu hoffen hatten. In diesem furchtbaren Schlosse waren auch jene schrecklichen Gefängnisse,»Käfige «genannt, in denen die unglücklichen Gefangenen weder aufrecht stehen, noch sich ausstrecken konnten: eine Erfindung, wie man sagte, des Kardinals Balue.
Als er sich wieder an der Spitze des kleinen Haufens befand und den ihm bezeichneten Weg weiter verfolgte, nahm Gräfin Hameline Gelegenheit, ihn anzureden.
«Mich dünkt, junger Mann, Ihr bedauert den Sieg, den Eure Tapferkeit zu unserem Schutze erfochten hat?«
Es lag etwas in dem Tone dieser Frage, das wie Spott klang, aber Quentin hatte Schicklichkeitsgefühl genug, um einfach und treuherzig zu antworten:
«Ich bedaure nichts, was ich im Dienste solcher Damen, wie ihr seid, getan habe; aber hatte es mit eurer Sicherheit bestehen können, so wollte ich, glaub ich, lieber durch das Schwert eines so guten Kriegers, wie Dunois, gefallen sein, als daß ich so die Veranlassung zur Einsperrung dieses berühmten Ritters und seines unglücklichen Gebieters, des Herzogs von Orleans, in jene furchtbaren Gefängnisse geworden bin.«—»So war es also doch der Herzog von Orleans?«sagte die ältere Dame zu ihrer Nichte.»Selbst in der Entfernung, in der wir dem Kampfe zusahen, erkannte ich ihn dafür. Ihr seht, Nichte, was aus uns hätte werden können, wenn uns der hinterlistige, habsüchtige Monarch gestattet hätte, an seinem Hofe aufzutreten. Der erste französische Prinz von Geblüt und der ritterliche Dunois, dessen Name ebenso weltberühmt ist, als der seines heldenmütigen Vaters! — Dieser junge Mann tat seine Schuldigkeit tapfer und gut; aber mich dünkt, es ist schade, daß er nicht ehrenvoll unterlegen ist, da seine unzeitige Tapferkeit sich zwischen uns und die erlauchten Befreier gestellt hat. «Die Gräfin Isabelle erwiderte in festem und fast unwilligem Tone, mit einer Energie, welche Quentin noch nicht an ihr bemerkt hatte:»Madame, wenn ich nicht wüßte, daß Ihr scherzet, so müßt ich sagen, daß Eure Aeußerung großen Undank gegen unsern tapfern Verteidiger, dem wir mehr verdanken, als Ihr vielleicht glaubt, an den Tag legt. Wäre es den Rittern gelungen, unser Gefolge zu überwältigen, so ist es offenbar, daß wir ihre Gefangenschaft hätten teilen müssen. Was mich betrifft, so fließen dem tapfern Mann, der für uns gefallen ist, meine Tränen, und ich werde Seelenmessen für ihn lesen lassen! der Ueberlebende aber wird, «dies setzte sie in einem mehr schüchternen Tone hinzu,»meinen innigen Dank nicht verschmähen.«
Als Quentin sie anblickte, um ihr etwas Passendes zu erwidern, bemerkte sie, daß das Blut an seiner Wange herabströmte, und rief im Tone tiefen Gefühls aus:»Heilige Jungfrau, er ist verwundet! er blutet! Steigt ab und laßt Eure Wunde verbinden.«
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