«Also frei heraus, Sire, «erwiderte Galeotti,»wenn Ihr bei Euerm Auftrage etwas habt, das — nun kurz — das ein bedenkliches Gewissen stutzig machen könnte — so vertraut es nicht diesem Jüngling an — wenigstens nicht eher, als bis ihn einige Jahre in Euerm Dienst ebenso unbedenklich, wie die andern, gemacht haben.«
«Und dies war es, was Ihr zu sagen Euch scheutet, guter Galeotti? Dadurch glaubt Ihr mich zu beleidigen?«antwortete der König.»Ach, gewiß seht Ihr ein, wie der Pfad königlicher Politik mit den reinen Grundsätzen der Religion und Moral (wie das im Privatleben unabänderlich sein muß) nicht immer übereinstimmen kann. Warum stiften wir Fürsten Kirchen und Klöster, stellen Wallfahrten an und legen uns Büßungen auf, wenn's nicht geschieht, weil uns das allgemeine Beste und die Wohlfahrt unseres Königreiches zu Maßregeln zwingen, die unser Gewissen, als Christen, verdammt? Aber der Himmel ist barmherzig — die Kirche ein unversiegbarer Quell von Verdiensten, und die Fürsprache unserer lieben Frau von Embrun und der gebenedeiten Heiligen ist dringend, dauernd und allmächtig. «Hier setzte er seinen Hut auf den Tisch, und andächtig vor den Bildern an seinem Hutrande sich niederlassend, wiederholte er im ernstesten Tone:»Heiliger Hubert, heiliger Julian, heiliger Martin, heilige Rosalie, ihr Heiligen alle, die ihr zugegen seid, bittet für mich armen Sünder!«Hierauf schlug er an seine Brust, setzte seinen Hut wieder auf und fuhr fort:»Seid versichert, guter Vater, daß, wenn auch in unserm Auftrage etwas der Art läge, wie Ihr angedeutet habt, so soll die Ausführung diesem Jüngling nicht anvertraut werden, noch soll er von diesem Teil unseres Vorhabens Kunde bekommen.«
«Darin, «sprach der Sterndeuter,»mein königlicher Bruder, werdet Ihr weise handeln. — Etwas möchte wohl von der Unbesonnenheit des jungen Mannes zu besorgen sein; ein Fehler, der Leuten von lebhaftem Temperament immer eigen ist. Allein ich halte dafür, daß, soviel ich nach den Regeln der Kunst erforschen konnte, dies eben nicht viel bedeutet in Vergleichung mit den andern Eigenschaften, die in seinem Horoskop und sonst entdeckt worden sind.«
«Ist wohl die nächste Mitternacht eine günstige Stunde, um eine gefährliche Reise anzutreten?«fragte der König. — »Seht, hier sind Eure Ephemeriden — Ihr seht hier die Stellung des Mondes dem Saturn gegenüber und das Aufsteigen des Jupiters — das sollte doch, dünkt mich, ohne jedoch Eurer bessern Einsicht vorgreifen zu wollen, dem, der Zu solcher Stunde die Unternehmung beginnt, Glück prophezeien?«
«Dem wohl, der sie absendet, «sprach der Sterndeuter nach einer Pause,»verspricht diese Stellung Glück; aber sie droht, deucht mir, da Saturn der Sonne so nah ist, Gefahr und Unglück dem Abgesandten, woraus ich schließe, daß die Reise für die, welche sie antreten, gefährlich, ja vielleicht tödlich ist. Gewalttat und Gefangenschaft werden, dünkt mich, durch diese ungünstige Konjunktur angedeutet,«
«Gewalttat und Gefangenschaft für die, welche ausgesandt werden, «erwiderte der König,»aber Glück für den Absender. — War es nicht so, mein gelehrter Vater?«
«So ist's, «erwiderte der Sterndeuter.
Der König schwieg eine Weile, ohne weitere Auskunft zu geben, inwiefern diese Weissagung (die wahrscheinlich der Astrolog auf gut Glück hingeworfen hatte, weil er wußte, daß der Auftrag sich auf irgend einen gefährlichen Plan bezog) zu seinen Absichten Passe, die, wie der Leser bereits weiß, keine anderen waren, als die Gräfin Isabelle von Croye den Händen Wilhelms von der Mark zu überliefern, der, ein Mann vor vornehmer Herkunft, sich an die Spitze eines Heeres gestellt hatte, das sich durch wilde Tapferkeit und ungezügelte Raubsucht auszeichnete. — Dann zog er ein Papier aus der Tasche und sagte, ehe er es Martivalle gab, mit einem Tone, der dem einer Entschuldigung glich:»Gelehrter Galeotti, erstaunt nicht, wenn ich so oft versucht bin, mich Eurer Geschicklichkeit in solchen Zweifelfällen und Schwierigkeiten zu bedienen, die jeden Fürsten bedrängen, der mit Aufständen im eigenen Lande und mit mächtigen und erbitterten Feinden von außen zu kämpfen hat.«
«Als mir die Ehre Eurer Einladung, Sire, «sprach der Philosoph,»zuteil ward und ich den Hof von Ofen mit dem von Plessis vertauschte, geschah dies mit dem Entschlusse, alle meine Kunst dem Dienste meines königlichen Gebieters zu widmen.«»Genug, guter Martivalle, ich bitte Dich, gib nun aufmerksam auf folgende Frage acht.«— Er las nun von dem Papiere, das er in der Hand hatte, folgendes ab:»Es wünscht jemand, der in eine wichtige Streitigkeit verwickelt ist, die entweder auf dem Wege der Unterhandlungen oder durch Waffen entschieden werden muß, dieselbe für jetzt in einer persönlichen Zusammenkunft mit einem Gegner gütlich beizulegen. Er wünscht zu wissen, welcher Tag der Ausführung dieses Planes günstig sei; ferner, was der Erfolg dieser Unterhandlungen sein werde, und ob der Gegner geneigt sei, dem in ihn gesetzten Vertrauen mit Dankbarkeit und Wohlwollen zu entsprechen, oder ob er nicht vielmehr die ihm durch eine solche Zusammenkunft sich darbietende Gelegenheit und deren Vorteile mißbrauchen könnte?«—»Das ist eine Frage von Wichtigkeit, «versetzte Martivalle, als der König mit dem Lesen zu Ende war,»und erfordert, daß ich mein Planetarium zu Rate ziehe und das Ganze in reifliche Erwägung nehme.«
«Tut das, mein gelehrter Vater, und Ihr sollt sehen, was es heißt, sich einem König von Frankreich zu verpflichten. Wir sind entschlossen, wenn die Konstellationen es nicht verbieten, auf persönliche Gefahr hin etwas zu wagen, um diesen unchristlichen Kriegen ein Ziel zu setzen.«
«Mögen die Heiligen Ew. Majestät frommes Beginnen fördern, «sprach der Sterndeuter,»und Eure geheiligte Person beschützen.«—»Dank, gelehrter Vater! — Hier einstweilen etwas, Eure seltene Büchersammlung zu bereichern.«
Damit schob er unter einen der Bände einen kleinen Beutel mit Gold, denn, selbst bei Befriedigung seines Aberglaubens auf Sparsamkeit bedacht, glaubte Ludwig den Sterndeuter durch den ihm ausgesetzten Gehalt hinlänglich an seinen Dienst gefesselt und hielt sich um einen mäßigen Preis für berechtigt, auch für wichtige Fälle sich seiner Geschicklichkeit zu bedienen.
Nachdem Ludwig so dem Astrologen eine erfrischende, aufmunternde Belohnung hatte zufließen lassen, wandte er sich von ihm an Durward. — »Folge mir, mein guter Schotte, Du bist vom Schicksal und einem Monarchen erkoren, ein kühnes Abenteuer zu bestehen. Alles muß bereit sein, daß Du in dem Augenblicke, wo auf Sankt Martin die Glocke zwölf schlägt, den Fuß in den Bügel setzest. Eine Minute früher oder später würde die Konstellation, die Deinem Abenteuer günstig ist, verrücken.«
Mit diesen Worten verließ der König das Gemach, und ihm folgte sein Leibgardist. Sie hatten sich nicht sobald entfernt, als der Sterndeuter Gefühlen Raum gab, die ganz verschieden von denen waren, welche ihn in Gegenwart des Königs beseelt zu haben schienen.
«Der knickrige Filz, «rief er aus, als er die Börse in der Hand wog, denn ein Mann, der soviele Ausgaben machte wie er, hatte immer Geld nötig, — »der elende, schmutzige Geizhals! — Eines Bootsmanns Weib hätte mehr gegeben, um zu erfahren, ob ihr Mann glücklich die Meerenge überschifft habe. — Er hätte einen Schatten von Wissenschaft? ja, wenn stehlende Füchse und heulende Wölfe Musikanten werden. Er will das glänzende Wappenschild des Firmaments deuten? — ja, wenn schmutzige Maulwürfe Luchse werden! — nach sovielen schönen Versprechungen, um mich vom Hofe des prachtliebenden Mathias wegzulocken, wo Hunnen und Türken, Christen und Ungläubige, der Zar von Moskau und der Khan der Tartarei mich um die Wette mit Geschenken überhäuften, — da denkt er, ich lasse mich gleich einem Dompfaffen in einen Käfig einsperren und singe, so oft's ihm zu pfeifen beliebt, und das alles um das liebe tägliche Brot? Nein, so stehen wir nicht — entweder finde ich einen Weg, oder ich bahne mir ihn. — Der Kardinal ist staatsklug und freigebig. — Diese Frage gelangt an ihn, und es soll Sr. Eminenz eigene Schuld sein, wenn die Steine anders sprechen, als er es haben will.«
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