«Und zugestanden, daß er von edler Geburt sei, «sagte Oliver,»so hat er doch die Sitten, die Züge und das Aeußere sowie das Herz eines flämischen Schlächters. — Sie wird ihn nicht zum Gemahl annehmen,«
«Seine Art zu freien, «entgegnete Ludwig,»wenn ich mich anders recht auf ihn verstehe, wird ihr die Wahl wohl überflüssig machen.«—»Fürwahr, ich hatte fehl unrecht, wenn ich Ew. Majestät wegen so großer Bedenklichkeit tadelte, «versetzte der Ratgeber,»so wahr ich lebe, Adolphs Verbrechen sind noch Tugenden gegen die dieses Wilhelm von der Mark! Und dann, wie sollt er denn mit seiner Braut zusammentreffen? — Ew. Majestät ist ja bekannt, daß er außer seinem Ardennenwald sich nirgends blicken lassen darf.«
«Dafür muß gesorgt werden, «sprach der König» zuvörderst muß man den beiden Damen unter der Hand beibringen, daß sie nicht länger an diesem Hofe bleiben können, wenn nicht zwischen Frankreich und Burgund ein Krieg ausbrechen soll, und daß ich, da ich sie nicht gerne meinem schönen Vetter von Burgund überantworte, es äußerst gerne sähe, wenn sie insgeheim meine Lande verließen.«—»So werden sie verlangen, nach England geleitet zu werden, «entgegnete Oliver;»und wir werden das Vergnügen haben, sie von dorther an der Hand eines Insel-Lords, so eines runden Milchsuppengesichts in langen, braunen Locken, hinter den dreitausend Bogenschützen hermarschierend, zurückkehren zu sehen.«
«Nein — nein, «sprach der König,»wir dürfen's nicht wagen — Ihr versteht mich schon — unsern schönen Vetter von Burgund zu beleidigen, daß wir sie nach England ziehen ließen. Das würde seinen Unwillen ebenso erregen, wie wenn wir sie hier behielten. Nein, nein! Dem Schutze der Kirche allein will ich sie anvertrauen; und das Aeußerste, was wir im vorliegenden Falle tun könnten, wäre, die Gräfinnen Hameline und Isabelle von Croye verkleidet und unter einem geringen Geleite an den Hof des Bischofs von Lüttich abziehen zu lassen, der die schöne Isabelle einstweilen unter den Schutz eines Klosters stellen mag.«
«Und wenn dies Kloster sie vor Wilhelm von der Mark schützt, falls dieser einmal von Ew. Majestät günstigen Gesinnungen Wind bekommen hat, so habe ich mich in diesem Manne getäuscht.«
«Nun ja, «antwortete der König,»dank unsern geheimen Geldzuschüssen — Wilhelm von der Mark hat jetzt eine hübsche Handvoll so unbedenklicher Leute beisammen, als nur irgendwo geächtet worden ist, mit denen er sich auch in den Wäldern so gut zu behaupten weiß, daß er sich beiden, dem Herzog, wie dem Bischof von Lüttich, furchtbar macht. Ihm fehlt nichts, als etwas Land, das er sein nennen kann, und da die Gelegenheit so günstig ist, sich dies durch eine Heirat zu erwerben, so denk ich, Pasques-Dieu! braucht es für ihn nur einen Wink von meiner Seite, so wirbt und freit er. Der Herzog von Burgund wird dann einen solchen Dorn in seiner Seite haben, den ihm keine Lanzette in unsern Tagen herausziehen soll. Wenn dann der Eber der Ardennen, den er für vogelfrei erklärt hat, durch den Besitz der Ländereien, Schlösser und Herrschaften dieser schönen Dame verstärkt sein und vollends an der Spitze der mißvergnügten Lütticher stehen wird, die unter solchen Umständen nicht abgeneigt sein werden, ihn zu ihrem Hauptmanne und Anführer zu wählen, — dann laßt ihn an Krieg mit Frankreich denken, wenn er Lust hat; er mag aber eher dem Himmel danken, wenn Frankreich nicht selbst mit ihm Krieg anfängt. — Nun, Oliver, wie gefällt Dir dieses Plänchen, hm?«
«Vortrefflich, «erwiderte Oliver,»das Urteil ausgenommen, nach welchem diese Dame dem wilden Eber der Ardennen zuteil wird. — Heilige Jungfrau, mit etwas mehr äußerem Anstrich von Galanterie wäre der Generalprofoß Tristan am Ende noch der bessere Bräutigam von beiden.«
«Und eben schlugst Du mir noch Meister Oliver, den Barbier, vor, «sprach Ludwig;»aber Freund Oliver und Gevatter Tristan sind mir liebwerte Leute, wenn es gilt, Rat zu schaffen oder einen Plan ins Werk zu setzen, nur sind sie nicht der Stoff, aus dem man Grafen macht. Weißt Du denn nicht, daß die Bürger von Flandern edle Geburt hoch anschlagen, und zwar eben deswegen, weil sie ihnen selbst abgeht? Der Pöbel sucht immer adelige Anführer; und Wilhelm von der Mark stammt aus dem Blute der Fürsten von Sedan. — Doch nun zur Sache. Ich muß die Gräfinnen von Croye zu schleuniger und geheimer Flucht unter sicherem Geleit zu bestimmen suchen. Das wird nicht schwer sein, wenn man verlauten läßt, man müßte sie im Weigerungsfall dem Burgunder überliefern. Du wirst Mittel finden, dem Wilhelm von der Mark von ihren Bewegungen Kunde zu geben und ihn dann Zeit und Ort, wo er seine Bewerbung anzubringen gedenkt, selber bestimmen lassen. — Ich kenne jemand, der sich ganz dazu eignet, sie zu begleiten.«
«Darf ich fragen, wem Ew. Majestät einen so wichtigen Posten anvertraut?«fragte der Barbier.
«Einem Fremden, «antwortete der König,»einem, der in Frankreich weder Verwandte noch Verbindungen hat, um die Ausführung meines Planes zu hintertreiben, und der zu wenig das Land und seine Fraktionen kennt, um von meinen Plänen mehr zu vermuten, als ich ihm zu sagen für gut finde. — Mit einem Worte, ich gedenke den jungen Schotten dazu zu gebrauchen, durch den ich Euch hierher entbieten ließ.«
Oliver schwieg eine Weile, mit einer Miene, als ob er die Zweckmäßigkeit dieser Wahl in Zweifel zu ziehen schiene, dann setzte er hinzu:»Ew. Majestät hat diesem fremden Burschen viel früher, als es sonst Eure Gewohnheit ist, Ihr Vertrauen geschenkt.«
«Ich habe meine Gründe, «antwortete der König. — »Du kennst meine Verehrung gegen den gebenedeiten St. Julian«(hier bekreuzte er sich).»Ich hatte in der vorletzten Nacht spät noch meine Gebete an diesen Heiligen gerichtet und ihn demütig angefleht, er möchte meinen Haushalt mit solchen wandernden Ausländern vermehren, die am besten imstande wären, in unserm Königreiche eine unbedingte Unterwürfigkeit unter unsern Willen zu begründen; und ich gelobte dagegen dem guten Heiligen, daß ich sie in seinem Namen aufnehmen, unterstützen und erhalten wolle.«
«Und da sandten denn der heilige Julian, «sagte Oliver,»Euch auf Euer Gebet diesen langbeinigen Schotten ins Land?«
Obgleich der Barbier wohl wußte, daß sein Gebieter statt der ihm fehlenden Religion eine gute Dosis Aberglauben besaß, und daß man in solchen Fällen ihn leicht beleidigen konnte — obgleich, sage ich, er diese Schwäche des Königs wohl kannte und daher diese Frage in dem sanftesten, unbefangensten Tone tat, so fühlte Ludwig doch das Beißende, das in ihr lag, und warf einen unwilligen Blick auf den Sprecher.
«Schurke, «sprach er,»mit Recht heißest Du Oliver der Teufel, da Du Deines Herrn und der gebenedeiten Heiligen also zu spotten wagst. Wärest Du mir nur um einen Gran weniger notwendig, so hätte ich Dich schon längst an der Eiche dort vor dem Schlosse baumeln lassen, allen zum warnenden Beispiel, die sich vermessen, mit den Heiligen ihren Spott zu treiben!«
Mit diesen Worten nahm der König seinen Hut ab und wählte aus den kleinen, bleiernen Figuren, womit derselbe verziert war, diejenige heraus, die den heiligen Julian vorstellte, setzte sie vor sich hin auf den Tisch, wie er oft zu tun pflegte, wenn irgend eine besondere Hoffnung in ihm aufstieg oder vielleicht Gewissensbisse ihn anwandelten, kniete nieder und betete mit anscheinender tiefer Andacht:»Heiliger Julian, erhöre unser Gebet! Bitte, bitte für uns!«Während er so beschäftigt war, sah sein Günstling ihn mit einem Ausdrucke sarkastischer Verachtung an, die er kaum zu verhehlen suchte. Es war eine der Eigentümlichkeiten dieses Mannes, daß er in seinem Benehmen gegen den König jene katzenartige, süßliche Dienstfertigkeit und Demut, wodurch er sich gegen andere auszeichnete, völlig beiseite setzte; und wenn er noch einige Ähnlichkeit mit einer Katze behielt, so war es die, wenn das Tier auf seiner Hut ist, wachsam, lebendig, und zu plötzlichem Angriffe bereit. Der Grund dieser Umwandlung mochte bei Oliver in der Ueberzeugung liegen, daß sein Gebieter selbst ein zu großer Heuchler sei, um die Heuchelei anderer nicht zu durchschauen.
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