«Stirling, «entgegnete Quentin,»wenn Ew. Majestät zu Gnaden halten; es war eine Tat, von der wenig Gutes kam.«
«Stirling nennt Ihr das Schloß?«fügte der König, indem er die letzten Worte Quentins überhört zu haben schien. — »Gut, also Stirling — der Name tut nichts zur Sache. Ich aber will diesen Männern nichts zuleide tun. — Es würde mir zu nichts dienen. Sie sind freilich nicht gut gegen mich gesinnt. — Ich verlasse mich auf Deine Waffe.«
«Ich werde bereit sein auf das Losungszeichen, «sagte Quentin,»aber — «
«Du hast noch etwas auf dem Herzen, «fragte der König.»Sprich es aus — ich gebe Dir volle Erlaubnis. Leute, wie Du, geben oft Winke, die sich wohl der Rede verlohnen.«
«Ich wollte mir nur die Freiheit nehmen, zu bemerken, «versetzte Quentin,»daß, da Ew. Majestät Gründe hat, diesem Burgunder nicht zu trauen, ich mich wundere, wie Ihr ihn Euch so nahe kommen laßt, und noch dazu in so kleiner Gesellschaft.«
«Laßt das gut sein, Herr Knappe, «sagte der König.»Es gibt Gefahren, die, wenn man ihnen trotzt, verschwinden, wenn man aber Furcht vor ihnen zeigt, gewiß und unvermeidlich werden. Gehe ich dreist auf einen knurrenden Bullenbeißer zu und liebkose ihn, so wett ich zehn gegen eins, daß ich ihn in gute Laune bringe; zeige ich Furcht vor ihm, gleich ist er mir auf dem Leibe und reißt mich in Stücke. Ich will frei mit Dir sprechen. — Es liegt mir alles daran, daß dieser Mann nicht in gereizter Stimmung zu seinem hitzköpfigen Herrn zurückkehrt; und deswegen setze ich mich einiger Gefahr aus. Nie hab ich mich bedacht, für meines Reiches Wohl mein Leben aufs Spiel zu setzen. — Folge mir!«
Ludwig führte seinen jungen Trabanten, für den er eine besondere Vorliebe gefaßt zu haben schien, durch die Seitentür, durch die er selbst eingetreten war, und sagte, auf sie hindeutend:»Wer am Hofe fortkommen will, muß alle geheimen Pförtchen und verborgenen Treppen, ja alle Fußschlingen und Fallgruben des Palastes sowohl, als die Haupteingänge, Flügeltüren und Portale kennen.«
Nach vielen Wendungen und Gängen trat der König in ein kleines, gewölbtes Gemach ein, wo eine Tafel mit drei Gedecken zum Mittagessen in Bereitschaft stand. Der ganze Hausrat, sowie die ganze Einrichtung des Gemaches war äußerst einfach, ja beinahe dürftig. Auf einem beweglichen Schenktische mit einem Aufsatze zum Zusammenlegen standen einige wenige Gefäße aus Gold und Silber — die einzigen Stücke, in dem Zimmer, die einigermaßen wenigstens das Ansehen von etwas Königlichem hatten. Hinter diesem Schenktische nun, und ganz von ihm verdeckt, war der Posten, den Ludwig Quentin anwies; und nachdem er sich von verschiedenen Seiten her überzeugt hatte, daß er dort durchaus nicht gesehen werden konnte, gab er ihm noch schließlich seine Verhaltungsbefehle. — »Gedenke der Worte: Ecosse, en avant! Sobald ich diese Worte ausspreche, wirfst Du den Schirm um, kehrst Dich nicht an Becher oder Schalen, und zielst gut auf Crevecoeur. — Versagt Dir Dein Gewehr, so wirfst Du Dich auf ihn und bedienst Dich Deines Messers — Oliver und ich wollen dann schon mit dem Kardinal fertig werden.«
Als er so gesprochen, pfiff er laut, und Oliver, der sowohl erster Kammerdiener als Barbier war und alle persönlichen Dienstleistungen bei dem Könige versah, trat in Begleitung zweier alter Männer, der einzigen Diener oder Aufwärter bei der königlichen Tafel, in das Zimmer ein. Sobald der König seinen Platz eingenommen hatte, wurden die Gäste eingelassen; und Quentin, obgleich selbst ungesehen, konnte alle Einzelheiten dessen, was unter ihnen vorging, genau beobachten.
Der König hieß seine Gäste mit einer Herzlichkeit willkommen, die Quentin sehr schwer vereinigen konnte mit den Befehlen, die er soeben noch bekommen hatte, sowie mit der Absicht, um deren willen er hinter dem Schenktische mit seiner tödlichen Waffe in Bereitschaft stand. Der König schien nicht allein ganz frei von aller Besorgnis zu sein, sondern man hätte auch glauben sollen, daß die Gäste, denen er die hohe Ehre erwies, sie an seine Tafel zu ziehen, gerade diejenigen wären, denen er aufs rücksichtsloseste vertrauen könnte, und die er am liebsten ehrte. Nichts konnte würdiger und zugleich verbindlicher sein, als sein Betragen gegen sie. Während alles um ihn her, selbst seine eigene Kleidung, weit unter dem stand, was der unbedeutendste Fürst seines Reichs bei Festlichkeiten zur Schau trug, waren seine Sprache und sein Benehmen die eines mächtigen Herrschers in seiner herablassendsten Stimmung. Quentin war versucht, zu glauben, daß entweder die ganze vorhergegangene Unterhaltung mit Ludwig ein Traum gewesen sei, oder daß das ehrerbietige Benehmen des Kardinals, sowie die freie, offene, ritterliche Haltung des burgundischen Edelmannes des Königs Verdacht gänzlich entfernt habe.
Während indessen die Gäste auf das Ersuchen des Königs an der Tafel Platz nahmen, warf Se. Majestät einen durchdringenden Blick auf beide und richtete ihn dann sogleich auf Quentins Posten. Alles dies war ein Werk eines Augenblicks; allein in diesem Blicke lag soviel Zweifel und Haß gegen seine Gäste, und ein so bestimmter Befehl an Quentin, auf alles wachsam und stets zur Vollstreckung seines Willens bereit zu sein, daß ihm kein Zweifel mehr übrig blieb, die Gesinnungen des Königs seien noch die nämlichen, und seine Besorgnisse ungemindert. Er war deshalb mehr denn je darüber erstaunt, wie dieser Fürst die Anregungen seines Argwohns und Mißvertrauens in einen so dichten Schleier verhüllen konnte.
Gleich als hätte er völlig vergessen, welche Sprache Crevecoeur gegen ihn angesichts Ludwigs und des ganzen Hofes geführt hatte, unterhielt sich der König mit ihm über die alten Zeiten und die Vorfälle, die sich während seiner Verbannung auf dem burgundischen Gebiete begeben hatten, und erkundigte sich nach allen Edelleuten, mit denen er damals Umgang gepflogen hatte, als ob jene Zeit die glücklichste seines Lebens gewesen wäre, und als ob er gegen alle, die dazu beigetragen, ihm das Harte seiner Verbannung zu mildern, die wohlwollendsten und dankbarsten Gefühle hegte.
«Den Gesandten einer andern Nation würde ich mit mehr Prunk empfangen haben; aber einem alten Freunde, der auf dem Schlosse Gemappes mein Tischgenosse war, wünschte ich mich zu zeigen, wie ich es am liebsten habe, als den alten Ludwig von Valois, schlicht und einfach. Indessen habe ich doch befohlen, ein besseres Mahl für Euch, Herr Graf, zu bereiten. Was den Wein betrifft, so wißt Ihr wohl, daß er der Gegenstand alter Eifersucht zwischen Frankreich und Burgund ist, aber wir wollen's heute ausgleichen! — ich trinke Euch in Burgunder zu, und Ihr, Herr Graf, tut mir in Champagner Bescheid. — Hier, Oliver, reicht mir einen Becher Auxerre! Herr Graf, ich trinke auf das Wohl des edlen Herzogs von Burgund, unsers freundlichen und geliebten Vetters. — Oliver, fülle jenen goldenen Becher mit Goldperle und reiche ihn kniend dem Grafen — er vertritt unsern lieben Bruder. — Herr Kardinal, Euch füllen wir den Becher selbst.«
«Ihr habt es ja schon getan, bis zum Ueberfließen, «sprach der Kardinal mit der demütigen Miene eines Günstlings gegen seinen nachsichtigen Gebieter.
«Wir wissen aber auch, daß Ew. Eminenz ihn mit fester Hand führen kann, «sagte Ludwig.»Auf welche Seite schlagt Ihr Euch denn in diesem edlen Streit — Sillery oder Auxerre, Frankreich oder Burgund?«
«Ich will da neutral bleiben, Sire, «sprach der Kardinal,»und meinen Becher mit Auvergner füllen.«
«Der Neutrale hat immer einen schweren Stand, «versetzte der König; allein als er bemerkte, daß der Kardinal sich etwas entfärbte, ging er von dem Gegenstande ab und fügte hinzu:»Ihr zieht vielleicht den Auvergner vor, weil er so edel ist, daß er kein Wasser verträgt. — Aber Ihr, Herr Graf, zögert, Euern Becher zu füllen. Ich hoffe, Ihr habt keine Nationalbitterkeit auf dem Boden gefunden?«
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