«Nun also, «rief der König,»sorgt der Himmel nicht allezeit für seine Diener?… Vorwärts, meine Herren! heut morgen ist's aus mit der Jagd. Knappe, hol mir mein Weidmesser: es ist mir dort auf dem großen Platze aus der Scheide gefallen. Dunois, reitet voraus! ich folge auf der Stelle.«
Ludwigs geringste Bewegungen waren häufig scharf wie Kriegslisten berechnet; er gewann auch jetzt die nötige Zeit, um an Ouentin die heimliche Frage zu richten:»Du hast, wie ich sehe, ein scharfes Auge, lieber Schotte! aber wer unserm lieben Kardinal auf ein Roß verholfen hat, kannst Du mir wohl nicht sagen? es muß unbedingt ein Fremder gewesen sein, denn da ich an ihm vorbeigeritten bin, ohne mich um ihn zu bekümmern, dürfte es schwerlich einem vom Hofe beigekommen sein, ihm solchen Dienst zu erweisen.«—»Sire, ich sah die Herren, die Seiner Eminenz auf einen Gaul verhalfen, bloß einen Augenblick, «erwiderte Quentin;»denn ich war leider von der Jagd abgekommen und hatte begreiflicherweise Eile, sie wieder zu erreichen. Aber ich glaube mit Bestimmtheit sagen dürfen, daß es der burgundische Gesandte mit seinen Leuten war, der Seiner Eminenz diesen Dienst erwies.«—»Aha!«rief Ludwig;»nun denn, sei ihm so… Frankreich wird wohl noch imstande sein, ihnen die Spitze zu bieten.«
Darauf kehrte der König mit seinem Gefolge nach dem Schlosse zurück, und es ereignete sich nichts Bemerkenswertes weiter auf diesem Jagdzuge.
Quentin war kaum auf seinem Kämmerchen angelangt, um die nötigen Veränderungen in seinem Anzuge zu treffen, als sein würdiger Oheim alle Umstände zu erfahren begehrte, die sich mit ihm auf der Jagd zugetragen hätten.
Der Jüngling, welcher nicht umhin konnte, nach allem seines Oheims Arm für stärker als seinen Verstand zu halten, trug Sorge, bei seiner Erzählung den König im vollen Besitz des Sieges zu lassen, den er sich so eifrig anzueignen geschienen hatte. Balafré setzte hierauf mit vieler Ausführlichkeit auseinander, um wieviel besser er sich bei solchen Umständen benommen haben würde, und ließ einen sanften Tadel über die Saumseligkeit seines Neffen mit einfließen, daß er dem Könige nicht zu Hilfe geeilt sei, da sich dieser in so drohender Gefahr befunden habe. Der Jüngling war klug genug, sich aller weitern Rechtfertigung seines Benehmens zu enthalten, außer daß er sagte, er halte es den Regeln der edeln Weidmannskunst zuwider, sich mit einem Stücke Wild zu befassen, das von einem andern Jäger angegriffen sei, sofern er nicht ausdrücklich von diesem zur Unterstützung aufgefordert werde. Diese Erörterung war kaum vorüber, als Quentin Gelegenheit bekam, sich Glück zu wünschen, daß er gegen seinen Verwandten etwas zurückhaltend war. Ein leises Klopfen an bei Tür kündigte einen Besuch an. — Sie öffnete sich, und herein trat Oliver Dain, auch le Mauvais oder le Diable (der Böse oder Teufel) genannt, denn unter allen diesen Namen war er bekannt.
Dieser gewandte, aber gewissenlose Mann ist nach seinem Aeußern bereits beschrieben worden. In seinen Bewegungen und seinem Benehmen hatte er vielleicht die meiste Ähnlichkeit mit einer Hauskatze, die, während sie in einem anscheinenden Schlummer liegt, oder mit leisen, verstohlenen und furchtsamen Schritten durch das Zimmer schleicht, entweder den Schlupfwinkel einer unglücklichen Maus belauscht, oder mit scheinbarer Vertraulichkeit und verstellter Gutmütigkeit sich an denen streicht, von denen sie geliebkost sein will, gleich darauf aber sich auf ihre Beute wirft, oder vielleicht gar den Gegenstand ihrer Liebkosungen kratzt.
Er trat mit gekrümmtem Rücken und mit demütigem und bescheidenem Blick ein, und wußte einen solchen Grad von Höflichkeit in seine Anrede an Herrn Balafré zu legen, daß jeder, der bei dieser Zusammenkunft zugegen gewesen wäre, geglaubt hätte, er komme, den schottischen Bogenschützen um irgend eine Gefälligkeit zu bitten. Er wünschte Lesley Glück zu dem trefflichen Benehmen seines jungen Verwandten bei der heutigen Jagd, das, wie er bemerkte, des Königs besondere Aufmerksamkeit erregt habe. Hier hielt er inne mit auf den Boden gesenktem Blick, um eine Antwort zu erwarten, und warf nur ein paarmal verstohlene Seitenblicke auf Quentin. Balafré antwortete hierauf: daß es für Se. Majestät ein unglückliches Geschick gewesen sei, statt seines Neffen nicht ihn selbst zur Seite gehabt zu haben — er würde sogleich herbeigeeilt sein und das Tier niedergestoßen haben, was Quentin, wie er hörte, Sr. Majestät eigenen Händen überlassen habe. Aber es wird Zeitlebens eine Lehre für Seine Majestät sein, «sagte er,»einem Manne von meinem Kaliber ein besseres Pferd geben zu lassen; denn wie konnte mein Klotz von flämischem Karrengaul mit Sr. Majestät normannischem Renner gleichen Schritt halten? Ich bin gewiß, ich habe ihm die Rippen aufgefurcht, — aber umsonst. — »Man hat das gar nicht beachtet, Meister Oliver, aber Ihr müßt es Sr. Majestät vorstellen.«
Meister Oliver beantwortete diese Bemerkung bloß dadurch, daß er auf den kühnen, prahlerischen Sprecher einen jener langsamen, zweifelhaften Blicke warf, die, begleitet von einer leichten Bewegung der Hand und einem leichten Herabsenken des Kopfes nach der einen Seite, entweder als eine stillschweigende Zustimmung zu dem Gesagten, oder als eine vorsichtige Ablehnung, den Gegenstand des Gespräches weiter zu verfolgen, gedeutet werden können. Einen kühneren, mehr forschenden Blick warf er auf den Jüngling, indem er mit einem zweideutigen Lächeln sagte:»So, junger Mann, ist es also Sitte in Schottland, Eure Fürsten in Umständen, wie die heutigen waren, aus Mangel an Beistand in Gefahr geraten zu lassen?«—»Es ist Sitte bei uns, «antwortete Quentin, entschlossen, kein weiteres Licht über den Gegenstand zu verbreiten,»sie bei ehrenvollem Zeitvertreib nicht mit unserer Hilfe zu belästigen, wenn sie sich selbst helfen können. Wir halten dafür, daß ein Fürst auf der Jagd so gut wie ein anderer sein Glück versuchen muß, und daß er sich dahin auch bloß in dieser Absicht begibt. Was wäre auch das edle Weidwerk ohne Beschwerde und Gefahr?«—»Da hört einmal den Teufelsjungen, «sagte sein Oheim,»so macht er es immer; auf alles hat er eine Antwort, einen Grund in Bereitschaft, woher er nur das alles haben mag, — ich habe meine Lebtage keinen Grund für etwas angeben können, außer fürs Essen, wenn mich hungerte, oder für die Musterung meiner Leute, und andere Dinge, die meines Dienstes sind.«—»Aber sagt mir einmal, werter Herr, «sprach der königliche Bartkünstler, indem er unter seinen Augenwimpern ihn anblinzelte,»was war denn wohl der Grund, Eure Soldaten zu mustern?«—»Weil's der Hauptmann befahl, «antwortete Balafré.»Beim heiligen Aegidius, ich kenne keinen andern Grund! Hätt er's dem Tyrie oder Cunningham befohlen, sie hätten das nämliche tun müssen.«—»Ein echt soldatischer Entscheidungsgrund!«sprach Oliver. — »Aber, Herr Balafré, Ihr werdet ohne Zweifel erfreut sein, zu vernehmen, daß Se. Majestät, weit entfernt, mit Eures Neffen Benehmen unzufrieden zu sein, ihn vielmehr auserlesen hat, diesen Nachmittag einen besonderen Dienst zu übernehmen.«—»Ihn auserlesen?«fragte Balafré mit großem Erstaunen; —»mich auserlesen, wolltet Ihr ohne Zweifel sagen.«—»Ich meine genau das, was ich sage, «versetzte der königliche Barbier mit mildem, aber entschiedenem Tone; —»der König will Euerm Neffen einen Auftrag zur Vollziehung anvertrauen.«
«Wie, warum, aus welchem Grunde?«fragte Balafré.»Warum wählt er den Jungen und nicht mich?«—»Ich muß auf Euren eigenen letzten Grund zurückkommen, Herr Balafré; so lautet Sr. Majestät Befehl. Aber, «fuhr er fort,»wenn ich eine Vermutung wagen darf, so wird Se. Majestät etwas zu tun haben, das besser für einen jungen Mann paßt, wie Euer Neffe ist, als für einen erfahrenen Krieger, wie Ihr, Herr Balafré! — Also, junger Mann, legt Eure Waffen an und folget mir. Nehmt Euer Feuergewehr mit, denn Ihr müßt Schildwache stehn.«—»Schildwache!«versetzte der Oheim. — »Seid Ihr auch sicher, daß Ihr recht gehört habt, Meister Oliver? Die innern Wachen sind immer bloß von solchen bezogen worden, die, gleich mir, ihre zwölf Jahre in unserm ehrenwerten Korps gedient haben.«—»Ich bin des Willens Sr. Majestät ganz gewiß, «sagte Oliver,»und darf nicht länger säumen, ihn zu vollstrecken. Habt die Güte und geht Euerm Neffen an die Hand, damit er bald zum Dienste bereit ist.«
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