Balafré, der von Natur weder böse noch mißgünstig war, schickte sich sogleich an, den Anzug seines Neffen in Ordnung zu bringen, und gab ihm Lehren, wie er sich unter den Waffen zu benehmen habe, konnte sich aber nicht enthalten, Ausrufungen des Erstaunens mit einfließen zu lassen, wie doch dem jungen Manne ein solches Glück so früh zuteil geworden sei…»Das fand noch nie statt bei der schottischen Garde, «sagte er,»auch nicht bei mir selbst! Aber ganz gewiß soll er Wache stehen bei den Papageien und indianischen Pfauen, die der venetianische Gesandte kürzlich dem Könige zum Geschenk gemacht hat. Anders kann es nicht sein, und solch ein Dienst schickt sich denn freilich einzig nur für einen bartlosen Jungen«(hier strich er sich seinen ungeheuern Knebelbart),»und ich bin im ganzen froh, daß das Los auf meinen guten Neffen gefallen ist.«
Lebendig, scharfsichtig und mit glühender Einbildungskraft begabt, sah Quentin in dieser so schnellen Entbietung zum Könige Dinge von höherer Wichtigkeit im Geiste voraus und sein Herz schlug hoch im Vorgenuß der Empfindung baldiger Auszeichnung. Er nahm sich vor, das Benehmen und die Sprache seines Führers genau zu studieren, denn er argwöhnte bereits, daß man sie wenigstens in gewissen Fällen im entgegengesetzten Sinne zu verstehen habe, gleichwie die Wahrsager die Deutung der Träume finden sollen. Er wünschte sich Glück, daß er über die Vorfälle der Jagd das strengste Stillschweigen beobachtet hatte, und faßte den für einen jungen Menschen sehr klugen Entschluß, so lange er die Luft dieses abgeschiedenen und geheimnisvollen Hofes atmete, seine Gedanken tief in sich verschlossen, und seine Zunge unter der strengsten Zucht zu halten… Sein Anzug war bald vollendet, und die Hakenbüchse auf der Schulter (denn obgleich die schottische Garde immer noch Bogenschützen genannt wurden, so hatten sie doch sehr früh ihren langen Bogen, in dessen Gebrauch sich ihre Nation nie besonders auszeichnete, mit dem Feuergewehr vertauscht,) folgte er Meister Oliver aus der Kaserne.
Lange sah ihm sein Oheim nach, mit einer Miene, in der sich halb Erstaunen, halb Neugier aussprachen; beschlichen auch weder Neid noch die bösartigen Gesinnungen, die er geweckt hatte, sein ehrliches Gemüt, so blieb doch ein gewisses Gefühl verwundeten und gedrückten Selbstgefühls zurück, das sich in Freude über den glücklichen Dienstanfang seines Neffen verwandelte. Er schüttelte bedenklich den Kopf, öffnete einen geheimen Schrank, nahm eine große Flasche starken alten Weins heraus, rüttelte sie, um zu untersuchen, wie weit der Inhalt schon geschmolzen wäre, füllte einen Becher und tat einen derben Trunk; hierauf nahm er halb sitzend, halb liegend in dem großen eichenen Armsessel Platz, und nachdem er wieder langsam den Kopf geschüttelt, empfand er von dieser Bewegung eine so wohltätige Wirkung, daß er sie, gleich dem Mandarin, womit die Kinder spielen, so lange fortsetzte, bis er in einen Schlummer sank, aus welchem ihn erst das Zeichen zum Mittagessen weckte.
Indes Ouentin Durward seinen Oheim diesen erhabenen Betrachtungen überließ, folgte er seinem Führer, Meister Oliver, der ihn, ohne einen der Haupthöfe zu berühren, teils durch geheime, der Luft ausgesetzte Gänge, hauptsächlich aber über ein Labyrinth von Treppen, Gängen und Galerien führte, die miteinander durch verborgene Türen in Verbindung standen, bis sie eine große, geräumige, vergitterte Galerie erreichten, die man vermöge ihrer Breite füglich hätte einen Saal nennen dürfen. Sie war mit mehr altväterischen denn schönen Tapeten und mit einigen wenigen jener steifen, kalten, geisterhaft aussehenden Gemälde behangen, die der ersten Morgenröte der Kunst angehörten, ehe die Sonne in ihrem Glanze über ihr aufging. Sie stellten die Paladine Karls des Großen vor, die in der romantischen Geschichte Frankreichs eine so ausgezeichnete Rolle spielen, und weil die riesenhafte Gestalt des berühmten Roland die hervorstechendste Figur bildete, so hatte das Gemach davon den Namen der Rolandshalle oder der Rolandsgalerie erhalten.
«Hier sollt Ihr Wache stehen, «flüsterte Oliver in einem so leise lispelnden Tone, als hätten die rohen Abbildungen der Monarchen und Krieger umher durch eine stärkere Erhebung der Stimme beleidigt werden können, oder als fürchtete er, das in den Kreuzgewölben und gotischen Steinmassen dieses großen und öden Gemaches lauernde Echo zu wecken. — »Was habe ich auf meinem Posten zu tun, und was ist das Losungswort?«fragte Quentin in demselben leisen Tone. — »Ist Euer Gewehr geladen?«versetzte Oliver, ohne auf seine Frage zu antworten. — »Das ist bald getan, «antwortete Ouentin, schickte sich an, sein Gewehr zu laden, und zündete eine Lunte (mit der es losgebrannt werden mußte) an der glühenden Asche eines Herdfeuers an, das in dem ungeheuren Kamin der Halle dem Verglimmen nahe war, einem Kamine, der an und für sich schon so geräumig war, daß man ihn für ein gotisches Kabinett oder eine zur Halle gehörige Kapelle hätte nehmen können.
Als dies geschehen war, sagte ihm Oliver, daß er noch eines der hohen Privilegien seines Korps nicht wisse, welches nur vom Könige in Person, oder vom Großkonnetable von Frankreich, statt von seinen Offizieren, Befehle annehme.»Ihr stehet, «setzte Oliver hinzu,»auf Sr. Majestät ausdrücklichen Befehl auf diesem Posten, junger Mann, und werdet nicht lange hier verweilen, bis Ihr erfahret, warum Ihr da seid. Mittlerweile möget Ihr in dem Zimmer auf und ab gehen. Ihr dürft auch stehen bleiben, wie es Euch gefallt, aber nicht niedersitzen, noch die Waffe beiseite legen. Laut singen oder pfeifen dürft Ihr gleichfalls nicht; aber Ihr möget, wenn's Euch gefällt, kirchliche Gebete hersagen, oder sonst etwas Anständiges vor Euch hinmurmeln. Lebt wohl denn, und haltet gute Wache.«
«Gute Wache!«dachte der junge Soldat, als sein Führer mit dem ihm eigenen geräuschlosen, schleichenden Schritte sich hinwegstahl und durch eine Seitentür hinter den Tapeten verschwand. — »Gute Wache! aber über wen und gegen wen? — denn mit was anderem, außer Fledermäusen und Ratten, gibt es hier zu kämpfen, wenn nicht diese grimmigen, alten Menschenbilder ins Leben treten, um meine Wache zu beunruhigen? — Dem sei nun, wie ihm wolle, es ist einmal meine Pflicht, und ich muß sie erfüllen.«
Mit dem kräftigen Vorsatze, seiner Pflicht nach aller Strenge zu genügen, suchte er sich durch das Singen einiger Lieder, die er in dem Kloster, worin er nach dem Tode seines Vaters Zuflucht gefunden, gelernt hatte, die Zeit zu vertreiben, indem er bei sich selbst dachte, daß, die Vertauschung des Novizenkleides gegen einen reichen militärischen Anzug abgerechnet, sein jetziger kriegerischer Spaziergang in der Galerie des Königs von Frankreich mit denen, welche ihn in der klösterlichen Abgeschiedenheit von Aberbrothock so gelangweilt hatten, sehr viel Aehnliches habe. Als wollte er sich selbst davon überzeugen, daß er jetzt nicht mehr der Zelle, sondern der Welt angehöre, sang er nicht lauter, als ihm verstattet war, einige von den alten, rauhen Balladen für sich hin, welche ihn der alte Familienharfner gelehrt hatte, über die Niederlage der Dänen vor Aberlemno und Forres, so wie über die Ermordung des Königs Duffus zu Forfor. Darüber verging ihm eine geraume Zeit; und es waren denn zwei Stunden des Nachmittags vorüber, als Quentin durch seine Eßlust erinnert wurde, daß die guten Väter von Aberbrothock, obgleich sie ihn strenge zur Beobachtung der Andachtsstunden anhielten, ihn doch gleichfalls auf die Stunde hin in das Speisezimmer abriefen, während man hier im Innern eines königlichen Palastes, nachdem er den lieben langen Morgen sich hatte herumtummeln müssen und sich einen guten Teil des Mittags im Dienste erschöpft hatte, es nicht natürlich finden wollte, daß er sich ungeduldig nach dem Mittagessen sehnte.
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