Während des letzten Aufenthaltes in Moskau hatte Fürst Yussupoff, der Senator und Chef des Kadettenkorps, das Oberkommando der Stadt Petersburg gehabt, wo er während der Abwesenheit des Hofes zurückgeblieben war. Er hatte, teils zu seiner eigenen Unterhaltung, teils zum Vergnügen der Hauptpersonen seiner Umgebung, von den Kadetten abwechselnd die besten russischen Dramen Sumarokoffs und die französischen von Voltaire — die letzteren indes verstümmelt — aufführen lassen, und bei ihrer Rückkehr von Moskau befahl die Kaiserin, daß die Sumarokoffschen Stücke auch bei Hofe aufgeführt werden sollten. Sie fand an diesen Vorstellungen großen Gefallen und man glaubte zu bemerken, daß sie dieselben mit mehr Interesse verfolge, als man erwartet hatte. Das Theater, welches zuerst in einem Saale des Schlosses aufgebaut war, wurde bald ins Innere ihrer Gemächer verlegt; es gefiel ihr, die Schauspieler zu kostümieren, ihnen prächtige Kleider machen zu lassen und sie ganz mit ihren Juwelen zu bedecken. Vor allem bemerkte man, daß der erste Liebhaber, ein schöner junger Mensch von achtzehn bis neunzehn Jahren, wie sich von selbst verstand, am meisten geschmückt wurde; auch außerhalb des Theaters sah man an ihm Diamantschnallen, Ringe, Uhren, Spitzen und sehr feine Wäsche. Bald darauf trat er aus dem Kadettenkorps aus, und der frühere Günstling der Kaiserin, Oberjägermeister Razumowski nahm ihn sofort zu seinem Adjutanten, was ihm Kapitänsrang verlieh. Nun ergingen sich die Hofleute in Schlüssen auf ihre weise und bildeten sich ein, da Graf Razumowski den Kadetten Beketoff zu seinem Adjutanten gemacht, könne dies keinen andern Grund haben, als dem Kammerherrn Schuwaloff die Wage zu halten. Man wußte nämlich, daß letzterer mit der Familie Razumowski nicht gerade auf bestem Fuße stand, und schloß daraus, daß dieser junge Mensch anfange, große Gunst bei der Kaiserin zu genießen. Außerdem erfuhr man, daß Graf Razumowski seinen neuen Adjutanten einem seiner Ordonnanzoffiziere, Iwan Persiliowitsch Yelagin, attachiert habe, der mit einer früheren Kammerfrau der Kaiserin verheiratet war. Niemand anders als sie hatte Sorge getragen, den jungen Menschen mit der obenerwähnten Wäsche, den Spitzen zu versehen, und da sie nichts weniger als reich war, begriff man leicht, daß das Geld für einen solchen Aufwand nicht aus ihrer eigenen Tasche fließe. Keiner aber wurde durch die wachsende Gunst des jungen Mannes mehr in Unruhe versetzt, als meine Ehrendame, die Fürstin Gagarin. Sie war nicht mehr jung und sah sich nach einer ihrer Neigung entsprechenden Partie um. Sie besaß etwas Vermögen, war allerdings nicht hübsch, hatte aber viel Geist und praktische Gewandtheit. Schon zum zweiten Male begegnete es ihr, daß sie ihre Absichten auf dieselbe Person richtete, welche nachher die Gunst der Kaiserin gewann. Der erste war Schuwaloff, der zweite eben dieser Beketoff, von dem ich soeben gesprochen.
Mit der Fürstin Gagarin waren eine Menge junger und hübscher Frauen befreundet, die obendrein eine sehr zahlreiche Verwandtschaft besaßen. Letztere klagte Schuwaloff an, er sei die geheime Veranlassung, daß Ihre Majestät die Fürstin Gagarin unablässig wegen ihrer Toilette tadeln ließ und ihr sowie vielen andern jungen Damen verbot, bald diesen, bald jenen Flitter zu tragen. Hierdurch erbittert, sagten alle jungen Damen und auch die Gagarin Schuwaloff alles Schlechte nach und fingen an, ihn zu verabscheuen, obwohl sie ihm früher sehr gewogen gewesen waren. Er seinerseits glaubte sie zu versöhnen, indem er ihnen den Hof machte und Schmeichelreden sagte, was sie als neue Beleidigung auffaßten. Ueberall wurde er abgewiesen und schlecht empfangen, und alle jungen Damen flohen ihn wie die Pest.
Damals schenkte mir der Großfürst einen kleinen englischen Pudel, den ich mir sehr gewünscht hatte. In meinem Zimmer gab es einen Ofenheizer namens Iwan Uschakoff, und irgend jemand fiel es ein, meinen Pudel nach diesem Menschen Iwan Iwanowitsch zu nennen. Den ganzen Winter hindurch amüsierte uns das Tier auf die angenehmste Weise, und als ich ihn den Sommer darauf nach Oranienbaum mitnahm, taten alle Damen des Hofes nichts, als Kopfputze und Anzüge für meinen Pudel nähen, um den sie sich in der Tat fast rissen. Zuletzt faßte Madame Soltikoff, die Gemahlin meines Kammerherrn, eine solche Zuneigung zu ihm, daß er sich hauptsächlich an sie anschloß, und als sie fortging, weder der Pudel sie, noch sie den Hund verlassen wollte. Sie bat mich so lange, ihn doch bei ihr zu lassen, bis ich ihn ihr schenkte. Darauf nahm sie ihn unter den Arm und begab sich geradewegs nach dem Landhause ihrer Schwiegermutter, welche damals krank war. Als diese sie mit dem Hunde ankommen und tausend Possen treiben sah, wollte sie wissen, wie er hieß, und konnte, als sie seinen Namen erfuhr, nicht umhin, im Beisein mehrerer Personen vom Hofe, die sie von Peterhof aus besucht hatten, ihr Erstaunen darüber auszudrücken. Jene kehrten an den Hof zurück und nach drei oder vier Tagen waren Hof und Stadt von der Neuigkeit voll, daß alle jungen Damen, die Feindinnen Schuwaloffs, einen weißen Pudel besaßen, den sie zum Spott gegen den Günstling der Kaiserin Iwan Iwanowitsch getauft hatten und nur helle Farben tragen ließen, mit denen jener sich zu schmücken liebe. Ja, die Sache ging so weit, daß die Kaiserin den Eltern der jungen Damen sagen ließ, sie finde es impertinent, sich so etwas zu erlauben. Sofort erhielt der weiße Pudel einen andern Namen, wurde aber nach wie vor gefeiert und blieb im Soltikoffschen Hause, von seinen Herren geliebt bis an seinen Tod, trotz des gegen ihn gerichteten kaiserlichen Unwillens. Das Ganze war eine Verleumdung; denn nur dieser eine Hund hatte den Namen bekommen, und man hatte nicht an Schuwaloff gedacht, als man ihn so nannte. Was übrigens Madame Tschoglokoff betrifft, die die Schuwaloffs nicht liebte, so tat sie, als gehe sie der Name des Hundes nichts an, obgleich sie ihn fortwährend hörte und ihm selbst manche kleine Pastete gegeben hatte, wenn sie seine Späße amüsierten.
In den letzten Monaten dieses Winters während der zahlreichen Maskeraden und Hofbälle kamen auch meine früheren Kammerherren Alexander Villebois und Zacharias Czernitscheff, die als Obersten in die Armee versetzt worden waren, wieder zum Vorschein. Da sie mir sehr ergeben waren, war ich hocherfreut, sie wiederzusehen, und empfing sie in entsprechender Weise. Sie ihrerseits vernachlässigten nichts und ließen keine Gelegenheit vorübergehen, mir Beweise ihrer aufrichtigen Anhänglichkeit zu geben. Damals liebte ich den Tanz über alles und wechselte bei den öffentlichen Bällen gewöhnlich dreimal meine Toilette. Meine Kleidung war stets sehr gewählt, und wenn mein Maskenkostüm allgemein Beifall fand, so erschien ich gerade deshalb nie wieder darin, weil ich mir sagte, daß ein Anzug, wenn er einmal großen Effekt gemacht, zum zweiten Male nur einen geringen erzielen werde. Bei den Hofbällen indes, wo das Publikum nicht zugegen war, kleidete ich mich so einfach wie möglich, was die Kaiserin, die es nicht gern sah, wenn man in einem kostbaren Kostüm erschien, sehr gut aufnahm. So oft jedoch die Damen Befehl hatten, in Männerkleidern zu erscheinen, kam ich in prächtigem, ganz in Gold besticktem Anzug, oder in Toiletten vom feinsten Geschmack, und immer ging dies ohne Kritik durch, ja es gefiel sogar der Kaiserin, obgleich ich nicht sagen kann, aus welchem Grunde. Sicher aber hatte die Koketterie damals am Hofe einen so hohen Grad erreicht, daß es nur noch die Frage war, wer es am besten verstehe, die Feinheiten des Anzugs in größter Vollendung zu entfalten. So erinnere ich mich, daß es mir bei einer dieser öffentlichen Maskeraden, als alle sich die kostbarsten neuen Toiletten machen ließen, so daß ich daran zweifelte, die übrigen Damen zu übertreffen, einfiel, ein einfaches Mieder aus weißem Tuch — ich hatte damals eine sehr schlanke Taille — und einen kurzen Reifrock von demselben Stoff anzuziehen. Mein Haar, das sehr lang, sehr voll und schön war, ließ ich nach hinten herunterfallen und mit einer weißen Schleife zusammenhalten, steckte eine aufs natürlichste nachgeahmte künstliche Rose mit Knospen und Blättern hinein, eine andere befestigte ich an meinem Mieder. Um den Hals band ich eine Krause von weißem Tüll, steckte ein Paar Manschetten über, band eine Schürze von demselben Tüll um und begab mich so auf den Ball. Sowie ich eintrat, bemerkte ich sofort, daß aller Augen auf mich gerichtet waren. Ohne mich aufzuhalten, ging ich durch die Galerie in die dahinter liegenden Gemächer, wo ich der Kaiserin begegnete, die zu mir sagte:»Nein, welche Einfachheit! Wie, nicht ein einziges Schönheitspflästerchen?«Ich lachte und erwiderte:»Nur um etwas leichter gekleidet zu sein, habe ich es unterlassen, eins aufzukleben. «Da zog sie ihre Büchse mit den Schönheitspflästerchen aus der Tasche, nahm eins von mittlerer Größe heraus und legte es mir aufs Gesicht. Nachdem ich sie verlassen, kehrte ich schnell in die Galerie zurück, wo ich meinen intimsten Vertrauten das Schönheitspflästerchen zeigte. Dasselbe tat ich auch bei den Günstlingen der Kaiserin, und da ich sehr vergnügt war, tanzte ich mehr als gewöhnlich. In meinem ganzen Leben erinnere ich mich nicht, mehr Schmeicheleien gehört zu haben, als auf diesem Ball. Man sagte, ich sei schön wie der Tag und von eigentümlichem Reiz. Wenn ich indes die Wahrheit sagen soll, so habe ich mich selbst nie für schön gehalten; aber ich gefiel, und darin lag, glaube ich, meine Stärke. Sehr befriedigt über meine von mir selbst erfundene Einfachheit, während alle andern Toiletten von seltenem Reichtum waren, kehrte ich nach Hause zurück.
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