Kurze Zeit später war ich an der Reihe.
Ich war gerade bei Julian in seinem Arbeitszimmer und half ihm, eine Sendung Bücher auszupacken, die Kaiserin Eusebia geschickt hatte. Obwohl Constantius’ Gattin, war sie Julian am Hof eine Freundin gewesen. Sie besaß eine prachtvolle Bibliothek und war, wie er mir erzählte, eine kluge, gebildete Frau, die seine Liebe zum Lernen teilte.
Während wir mit dem Auspacken der Bücher beschäftigt waren, unbeschwert plauderten und ab und zu innehielten, wenn Julian einen besonderen Schatz unter den Büchern entdeckte, klopfte ein Hausdiener an die Tür und meldete, der Bischof von Paris wolle Julian seine Aufwartung machen.
Julian warf einen wehmütigen Blick auf die neu gebundenen Schriften und die honigfarbenen Pergamentrollen und sagte seufzend: »Na schön, bring ihn herein.« Und zu mir, nachdem der Diener gegangen war: »Was kann der jetzt wollen?«
Der Bischof von Paris war kein Mann, dessen Gesellschaft ich gesucht hätte, obgleich er kein so niederträchtiger, intriganter Charakter war wie der Bischof von London, wie ich gerechterweise sagen muss. Er war zurückhaltend und hager, hatte ein kränkliches Aussehen und verbrachte seine Zeit allem Anschein nach mit der Armenpflege.
Julian bewunderte dies, auch wenn er den Beweggründen misstraute. Mittlerweile war seine Verehrung der alten Götter zum offenen Geheimnis geworden, denn solche Dinge offenbaren sich dem Neugierigen wie dem Misstrauischen. Dennoch achtete er auf seine Worte und beging die christlichen Festtage; andernfalls wäre es dem Kaiser berichtet worden. Der Bischof jedoch erkundigte sich nicht allzu eingehend nach dem Glauben des Cäsars und ging auch nicht auf die Gerüchte ein. So kamen sie gut miteinander aus, waren stets höflich und gingen sich im Allgemeinen aus dem Weg.
Der Diener kehrte zurück und führte den Bischof herein. Kaum war er eingetreten, huschte sein Blick zu mir, und ein Ausdruck tiefen Unbehagens erschien auf seinen hageren Zügen. Ich wunderte mich darüber, denn er kannte mich nicht persönlich, und ich hatte ihm nie Grund gegeben, mir feindlich gegenüberzustehen.
Julian, der nichts davon bemerkte, begrüßte ihn, rief ihm in Erinnerung, wer ich war, und sagte etwas über die Bücher, die im Zimmer verteilt lagen. Der Bischof machte eine höfliche Bemerkung dazu, betrachtete die Bücher jedoch, als wären sie lauernde Dämonen. Dann entstand eine Pause.
»Du kommst in einer bestimmten Angelegenheit?«, fragte Julian schließlich.
Der Bischof wechselte unruhig das Standbein und kaute auf der Unterlippe. Ihm sei nicht mitgeteilt worden, dass der Cäsar Gesellschaft habe, sagte er. Sein Anliegen könne warten. Es gebe sicher einen passenderen Augenblick.
»Oh nein, sprich nur«, sagte Julian lächelnd, um dem Mann die Befangenheit zu nehmen. »Geht es wieder um eine Getreidespende?«
Der Bischof räusperte sich und zögerte, wobei er immer wieder Blicke auf mich richtete, bis Julian es bemerkte. Darauf verfinsterte sich sein Gesicht. »Worum geht es, Bischof?«, fragte er, diesmal strenger.
»Das kann warten. Ich komme wieder.«
Inzwischen war hinreichend klar, dass meine Anwesenheit ihn in Verlegenheit brachte, und so sagte ich: »Ich wollte gerade gehen«, und erwähnte eine Sache, um die ich mich zu kümmern hätte.
»Also gut, Drusus«, sagte Julian, ließ mich gehen und wandte sich mit düsterer Miene dem Bischof zu, denn er ahnte bereits die Intrige.
Später kam er zu mir.
»Komm mit mir in den Garten«, sagte er.
Die Pflaumenbäume standen in voller Blüte. Es hatte geregnet. Der grelle Sonnenschein blendete auf dem nassen Marmorpflaster. Wir setzten uns auf eine Bank an der Außenmauer, die durch eine Reihe von Bäumen vor den Palastfenstern verborgen war.
»Den hier hat er mir gebracht«, sagte Julian, zog einen Brief aus dem Mantel und reichte ihn mir.
Ich faltete das Pergament auseinander und warf einen Blick auf die Kopfzeile. Überrascht holte ich Luft. Mein Mund war schlagartig trocken. Ich hatte ein weiteres Schreiben des Hofes mit Anweisungen von Constantius erwartet; stattdessen war der Brief von meinem Feind, dem Bischof von London, und er war an den Bischof von Paris gerichtet.
»Lies ihn«, sagte Julian.
Und so las ich.
Der Bischof sandte Grüße an seinen lieben Bruder und Kollegen in Paris und hoffte, er befinde sich – mit Gottes Gnade – bei guter Gesundheit.
Hastig überflog ich die Höflichkeitsformeln und das bedeutungslose Geplauder, während ich die Worte stumm mit den Lippen formte, während ich die salbungsvolle Stimme des Bischofs im Kopf vernahm.
Bald kam er, wie erwartet, auf mich zu sprechen. Mit Angst und Sorge habe er gehört, dass ein gewisser Drusus, Sohn des hingerichteten Verräters Appius Gallienus, aus der Haft beim Notar Paulus entkommen sei und sich das Vertrauen des höchst ehrenwerten Cäsar Julian erschlichen habe. Nun sei es seine Pflicht, ihn zu warnen. Es folgte eine Auflistung von Verbrechen, die ich begangen haben sollte – Mord, Abfall vom Glauben, Verrat, Sittenlosigkeit –, alle mit Einzelheiten. Ich zwang mich, sie bis zum Ende zu lesen. Dann blickte ich auf.
Ich wusste, dass ich rot geworden war. »Glaubst du ihm?«, fragte ich. Meine Stimme klang angespannt und steif. Schon vor einiger Zeit hatte ich Julian wahrheitsgemäß erzählt, was in Britannien geschehen war; aber das war nichts gegen das Lügengespinst des Bischofs.
Zu meiner Überraschung lachte Julian.
»Natürlich nicht. Ich habe dir den Brief zu lesen gegeben, damit du siehst, zu welchen Mitteln sie greifen.«
Ich sah ihn mit großen Augen an, denn ich verstand nicht.
»Es wundert mich nicht, dass der Bischof in deiner Gegenwart so unruhig war. Er war gekommen, um über dich zu lästern. Und das konnte er schlecht, solange du danebenstandest – jedenfalls nicht dieser Bischof. Er ist im Grunde ein freundlicher Mann, auch wenn er das Werkzeug eines anderen ist.«
Ich holte tief Luft und fragte, was der Bischof gesagt hatte.
»Ach, die üblichen Floskeln. Dass er nur seine Pflicht tue, der Familie des Kaisers die Treue schulde und dergleichen. Wenn jemand so anfängt, weiß man immer gleich, dass etwas im Busch ist. Ich erwiderte, dass Pulcher falsch unterrichtet sei und er solle nicht weiter daran denken. Der arme Mann steckt zu tief drin, er weiß es nur nicht.« Er drehte sich um. »Ah, da kommt Eutherius. Ich habe ihn gebeten, sich zu uns zu gesellen.«
Ich drehte mich ebenfalls um. Eutherius kam unter der Kolonnade hervor und tappte mit seinen rehledernen Pantoffeln vorsichtig über die nassen, vom Regen herabgefallenen Pflaumenblüten. »Meine lieben Freunde«, sagte er lächelnd, schaute prüfend über die nasse Steinbank, auf der wir saßen, schürzte die Lippen und beschloss, stehen zu bleiben.
»Sieh dir das an«, sagte Julian und reichte ihm den Brief.
Eutherius las. Dann warf er das Schreiben beiseite, wobei sich Belustigung und Verachtung in seiner Miene spiegelten.
»Dilettantisch! Eine plumpe Widerwärtigkeit. Genau der niederträchtige Unfug, bei dem Constantius aufblüht, nur dass dieser Unsinn so offenkundig ist, dass er niemanden täuscht. Also wirklich, können sie es nicht besser? Außerdem dachte ich, der Bischof von Paris sei mehr mit der Armenspeisung beschäftigt.«
»So ist es. Der alte Mann wurde lediglich angestiftet.«
»Von Bischof Pulcher«, sagte ich.
»Oh nein«, widersprach Eutherius und lächelte mich ob meiner Naivität freundlich an. »Dein Londoner Bischof ist auch nur ein Werkzeug.«
Ich blickte auf den Brief wie auf ein bissiges Tier. Mir schien, dass Pulcher sich einige Mühe gemacht hatte. Er hatte ein paar Körnchen Wahrheit mit abscheulichen Lügen verflochten. Mir war, als würde ich in den Spiegel schauen und ein hässlich verzerrtes Bild meiner selbst erblicken.
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