In der Nacht, in der ich Luna opferte, kam das Mädchen zu mir ins Bett.
Zunächst schlich ich mit dem Hahn in einem Weidenkorb bei Dunkelheit hinaus zu einem abgelegenen, bewaldeten Felsen, von dem man über den Fluss blicken konnte, wo der Wind in den Erlen flüsterte und es nach feuchter Erde roch. Als ich zurückkam, war die Lampe im Fenster erloschen, und das Mädchen lag schlafend auf der Matte. Ich zog mich aus und legte mich ins Bett. Noch voller innerer Unruhe nach der Opferung lag ich im Dunkeln wach.
Bald hörte ich das Mädchen rascheln, und als ich den Kopf drehte, sah ich ihre Silhouette im Mondlicht. Still hob sie meine Bettdecke an und legte sich wortlos zu mir. Sie duftete nach Lavendel, nach Zedernöl und nach Marcellus.
Jedes Soldatenlager hat Kurtisanen. Sie folgen dem Heer von Ort zu Ort, zusammen mit den Weinhändlern, Wahrsagern, Hufschmieden, Schustern und anderen Gewerbetreibenden, die die menschlichen Bedürfnisse befriedigen. Es gab Frauen von einiger Eleganz mit Schminke im Gesicht und städtischen Manieren, die in geschlossenen Wagen mit seidener Ausstattung reisten; es gab raue, ungepflegte Weiber mit derber Wortwahl und lückenhaftem Gebiss – und viele andere dazwischen. Ich hegte eine tiefe Abneigung gegen das, was diese Frauen anboten, obwohl ich es mir nicht erklären konnte, und sie – mit ihrem scharfen Gespür für einträgliche Kunden – ließen mich bald in Ruhe.
Doch dieses Barbarenmädchen, dessen Name ich nicht kannte, überrumpelte mich. Sie ließ mir keine Zeit zu überlegen, und inmitten meiner Trauer war ihre Berührung wie die Wärme des Feuers im Winter. Was sie gab, gab sie willig und mit echter Lust. Ich spürte ihren Stolz, als gehörte er zu ihrem Körper; es war ein Stolz um des Stolzes willen, eine Begegnung von Gleichen.
Später lag sie ganz nah bei mir und zeichnete mit den Fingerspitzen die harten Konturen meiner Brust nach. Ich döste dabei ein und träumte von heiteren Szenen aus meiner Kindheit, von der Jägerin Diana mit ihren Hunden und von meiner Mutter, die ich nie gekannt habe.
Am nächsten Morgen, als ich vom Badehaus zurückkam, entfuhr mir ein freudiger Aufschrei, denn Marcellus saß aufrecht in seinen Kissen. Das Mädchen flößte ihm löffelweise Hühnerbrühe ein. Sie drehte sich lächelnd zu mir um, und ich rannte los, um den Arzt zu suchen.

Nachdem die Rheingrenze gesichert war, kehrten wir für den Winter nach Paris zurück. Im darauffolgenden Frühling schickte der Kaiser einen neuen Heermeister als Ersatz für Severus. Er hieß Lupicinus.
Julian hatte auf seine stille Art den Tod des freimütigen Severus betrauert, der mit ihm geflucht und gestritten hatte, aber nie falsch gewesen war. Ob man mit ihm einverstanden war oder nicht, man wusste immer, woran man bei ihm war, und wenn er eine andere Ansicht vertrat, sagte er das klar und deutlich.
Nicht so Lupicinus. Er hatte sich im Heer des Ostens einen Namen gemacht und war mit seinem Haushalt von Illyricum in das elegante Konstantinopel gezogen, um dort die gebührende Beachtung zu finden. Er hatte harte, selbstsichere Züge, sprach aber auf verhüllende, gekünstelte Art, sodass man immer mit dem Eindruck dastand, nicht so recht zu erfassen, was er hatte sagen wollen – was wohl genau seine Absicht war, denn das ermöglichte ihm jederzeit, eine Mitverantwortung zu leugnen, wenn etwas fehlschlug.
Da Marcellus der Reiterei angehörte, verbrachte er gezwungenermaßen mehr Zeit mit Lupicinus als ich. Schon am ersten Tag, als er ihm mit anderen Offizieren seine Aufwartung machte, entwickelte Marcellus eine Abneigung gegen ihn. Ein alter Hausdiener war zugegen und packte in einer Ecke still Lupicinus’ Gepäck aus. Angespannt und fahrig wegen seines neuen Herrn, ließ der Diener eine Glasplatte fallen, die prompt zerbrach. Lupicinus unterbrach das Gespräch mit seinen Offizieren, begab sich ohne Anzeichen innerer Erregung zu seinem Tisch, nahm den Stock, der dort lag, und ging zu dem Diener, der kauernd die Scherben aufhob. Er schlug ihn blutig und nahm dann die Unterhaltung so beiläufig wieder auf, als hätte er eine lästige Fliege totgeschlagen.
Später erzählte Marcellus mir davon. »Großvater sagte oft zu mir, dass man das Wesen eines Mannes daran erkennt, wie er die behandelt, über die er Macht hat. Solche Brutalität wäre selbst auf dem Schlachtfeld schändlich.«
Julian gegenüber verhielt Lupicinus sich tadellos, zurückhaltend und unverbindlich. Nach der Offenheit eines Severus war das ein großer Verlust. Selbst Julian, der für Intrigen kein waches Gespür besaß, war Politiker genug, um zu erkennen, dass er sich einen Streit mit seinem neuen Heermeister so wenig leisten konnte wie mit dem Präfekten. Und gerade zu der Zeit lagen Julian und Florentius sich wieder einmal in den Haaren.
Jeder wusste, dass Florentius bestechlich war. Doch in jenem Jahr brachten die Bürger Galliens nach und nach ihre Beschwerden vor Julian, dem sie vertrauten. Sie erzählten ihm, wie der Präfekt seine Macht missbrauchte, um Reichtum und Land zu erwerben, wie er Freunde begünstigte und anderen für Gefälligkeiten Gelder abnötigte und wie er sich durch die allgemeine Notlage bereicherte.
Zuerst versuchte Julian, diskret einzugreifen. Er ließ durch andere verbreiten, dass es klug sei, den Machtmissbrauch einzustellen, wer immer dahinterstecke, und äußerte die Hoffnung, der Präfekt werde die Zeit finden, die Vorwürfe zu untersuchen. Doch die ganze Angelegenheit bedrückte ihn, und er drängte sie beiseite, als er gegen die Germanen zu Felde zog.
Dann, während des Winters, erhob eine Abordnung verschiedener Provinzstädte förmlich Anklage, gestützt auf handfeste Beweise. Florentius war zu weit gegangen. Er hatte zu viele Leute gegen sich aufgebracht, und obwohl er den Klägern drohte, hielten sie an der Klage fest.
Es brauchte einige Wochen, um die ganze hässliche Angelegenheit zu entwirren. Doch schließlich, als Florentius seine üblichen Listen ausgeschöpft hatte, ohne dass die Anklage zurückgezogen wurde, und auch die Akten nicht auf unerklärliche Weise verschwinden lassen konnte, kam er zu Julian. Mit der Entrüstung eines zu Unrecht beschuldigten Mannes verlangte er, Julian solle seine Machtstellung nutzen und die Klage abweisen, bevor sie vor Gericht käme.
»Aber Präfekt«, erwiderte Julian, »hast du mir nicht versichert, es sei überhaupt nicht wahr?«
»So ist es«, antwortete Florentius.
»Dann hast du nichts zu befürchten. Für einen Mann von Stand und Ehre, der ein öffentliches Amt bekleidet, ist es sicherlich besser, wenn sich seine Unschuld erweist und die heuchlerischen Anklagen für jeden als solche offensichtlich werden. Oder bist du anderer Meinung?«
»Damit wirst du ihn nur angestachelt haben«, sagte Oribasius später, als wir alle zusammen waren und Julian von dem Gespräch berichtete.
»Möglich. Aber ich habe lange genug geschwiegen. Jetzt will er, dass ich über seinen Machtmissbrauch hinwegsehe. Das ist zu viel verlangt.«
Oribasius sollte recht behalten. Kurz darauf ging Florentius zum Angriff über.
Das wurde Julian spätestens bewusst, als der Quästor Salutius, mit dem er eng befreundet war, plötzlich an den Hof zurückbeordert wurde. Es war ein grausamer Schlag, der eigens geführt wurde, um Julian zu treffen, dem seine Freunde immer sehr wichtig gewesen waren. Salutius war einer der wenigen Männer gewesen, die er nach Paris hatte mitnehmen dürfen, und der Verlust traf ihn schwer.
Zur selben Zeit traf ein Brief von Constantius ein, in welchem er in kaltem Ton befahl, die Autorität des Präfekten nicht zu untergraben. Florentius zeigte damit, dass er Julian jederzeit schaden konnte.
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