Er wurde ernst, blickte mir streng in die Augen und fragte: »Hat es sich schon in Rom herumgesprochen, daß ich einen Triumph feiern werde, oder aus was für einem Gründe sonst kommt ein junger Ritter wie du freiwillig hierher? Du hoffst natürlich, ohne viel Beschwer an meinem Triumph teilnehmen zu können!«
Ich antwortete tief gekränkt, daß ich von diesem Triumph nichts geahnt hatte, ja, daß man in Rom vielmehr zu der Ansicht neigte, Claudius würde aus Eifersucht niemals einen Triumph für Kriegstaten in Britannien genehmigen, da er doch selbst nach der sogenannten Unterwerfung Britanniens schon einen Triumph gefeiert hatte. »Ich bin gekommen, um unter einem berühmten Feldherrn die Kriegskunst zu erlernen«, sagte ich. »Der Reiterspiele in Rom bin ich nun müde.«
»Hier gibt es keine seidenblanken Pferde und silbernen Schilde«, erwiderte Aulus barsch. »Und keine warmen Betten und geschickten Masseure. Hier gibt es nur das Kriegsgeschrei blau angestrichener Barbaren in den Wäldern, tägliche Furcht vor Hinterhalten, ewigen Schnupfen, unheilbaren Husten und ständiges Heimweh.«
Daß er kaum übertrieb, das sollte ich in den nächsten zwei Jahren, die ich in Britannien verbrachte, noch erfahren. Aulus Plautius behielt mich einige Tage in seinem Stab, um sich meine Abstammung bestätigen zu lassen, den neuesten Klatsch aus Rom zu hören und mir an einem Relief die Beschaffenheit Britanniens und die Standorte seiner Legionen zu erklären. Er schenkte mir sogar einen ledernen Brustharnisch, ein Pferd und Waffen und gab mir freundliche Ratschläge: »Paß gut auf dein Pferd auf, sonst stehlen es dir die Briten. Sie kämpfen selbst mit Streitwagen, weil ihre kleinen Pferde nicht zum Reiten taugen. Roms Politik und Kriegführung stützen sich auf die Bundesgenossen unter den britischen Stämmen. Daher verfügen auch wir über einige Einheiten, die mit Streitwagen ausgerüstet sind. Trau aber nie einem Briten! Wende nie einem Briten den Rücken zu! Sie versuchen mit allen Mitteln, unserer großen, kräftigen Pferde habhaft zu werden, um selbst eine Reiterei aufzustellen. Claudius verdankt seine Siege in Britannien seinen Elefanten, die kein Brite je zuvor gesehen hatte. Die Elefanten stampften die Verschanzungen nieder und machten die Zugpferde der Streitwagen scheu. Bald lernten aber die Briten, mit ihren Wurfspeeren auf die Augen der Elefanten zu zielen und sie mit Fackeln zu brennen. Außerdem vertragen die Dickhäuter das Klima nicht. Der letzte ging uns vor einem Jahr an Schwindsucht ein.
Ich werde dich der Legion des Flavius Vespasian zuteilen. Er ist mein erfahrenster Krieger und mein zuverlässigster Legat, ein bißchen schwerfällig, aber ruhig und besonnen. Seine Herkunft ist sehr bescheiden, und seine Sitten sind derb und volkstümlich, ansonsten ist er ein Ehrenmann. Mehr als Unterfeldherr wird er wohl nie werden, aber die Kriegskunst kannst du unter ihm erlernen, wenn du wirklich deshalb hierhergekommen bist.«
Ich traf Flavius Vespasian am Ufer der Hochwasser führenden Antona, wo er seine Legion auf einen größeren Raum aufgeteilt hatte und Schanzen bauen ließ. Er war ein Mann von über vierzig Jahren, kräftig gebaut, mit einer breiten Stirn und einem gutmütigen Zug um den Mund. Vor allem aber wirkte er viel bedeutender, als ich nach der überheblichen Schilderung des Aulus Plautius vermutet hatte. Er lachte gern laut und konnte über seine eigenen Mißgeschicke scherzen, die oft von der Art waren, daß sie einen schwächeren Mann zur Verzweiflung getrieben hätten. Seine bloße Gegenwart gab einem ein Gefühl der Sicherheit. Er sah mich pfiffig an und rief: »Wendet sich endlich unser Geschick, da nun ein junger Ritter aus Rom freiwillig zu uns kommt und sein Glück in Britanniens Sümpfen und dunklen Wäldern sucht? Nein, nein, das kann nicht sein. Gesteh nur gleich, was du ausgefressen hast und weshalb du unter meinem Legionsadler Schutz suchst, dann werden wir uns von Anfang an besser verstehen.«
Als er sich genau nach meiner Familie und meinen Beziehungen in Rom erkundigt hatte, dachte er eine Weile nach und meinte dann offenherzig, daß ihm meine Anwesenheit weder zum Vorteil noch zum Nachteil gereiche. Gutmütig, wie er von Natur aus war, beschloß er, mich langsam, Schritt für Schritt, an den Schmutz, die Rauheit und die Mühen des Soldatenlebens zu gewöhnen. Er nahm mich zunächst auf seine Inspektionsreisen mit, damit ich das Land kennenlernte, und diktierte mir seine Berichte an Aulus Plautius, da er selbst zum Schreiben zu faul war. Als er sich vergewissert hatte, daß ich wirklich reiten konnte und auch nicht über mein Schwert stolperte, übergab er mich einem der Baumeister der Legion, damit ich lernte, wie man Holzbefestigungen baut.
Unsere weit abgelegene Garnison bestand aus nicht einmal einer ganzen Manipel. Ein Teil von uns ging auf die Jagd und sorgte für die Verköstigung, ein anderer fällte Bäume und ein dritter baute Schanzen. Bevor Vespasian wieder davonritt, ermahnte er mich, darauf zu achten, daß die Männer ihre Waffen sorglich pflegten und daß die Wachtposten ordentlich aufpaßten und nicht faulenzten, denn, so sagte er, Faulheit im Waffendienst ist die Mutter aller Laster und untergräbt die Zucht.
Nach ein paar Tagen war ich es müde, im Lager umherzuwandern und mir die unverschämten Witzeleien der alten Legionäre anzuhören. Ich nahm eine Axt und begann Bäume zu fällen. Beim Einrammen der Pfähle griff ich mit ins Zugseil der Ramme und stimmte in den Gesang der anderen ein. Die beiden Zenturionen und den Baumeister lud ich abends zum Wein, den man zu unverschämten Preisen vom Händler des Lagers kaufen konnte, aber oft gesellte ich mich auch zu den narbenbedeckten unteren Dienstgraden am Lagerfeuer und teilte mit ihnen Grütze und Pökelfleisch. Ich wurde kräftiger, härter und rauher, ich lernte fluchen und machte mir nichts mehr daraus, wenn man mich fragte, wann ich eigentlich von der Mutterbrust entwöhnt worden sei.
Zu unserer Garnison gehörten zwanzig gallische Reiter. Als deren Führer merkte, daß ich es nicht darauf anlegte, ihm das Kommando abzunehmen, sagte er, es sei an der Zeit, daß ich meinen ersten Briten erschlüge, und nahm mich auf einen Beutezug mit. Wir setzten über den Fluß und ritten auf einer langen Straße zu einer Stadt, deren Bewohner darüber geklagt hatten, daß ein Nachbarstamm sie bedrohe. Sie hatten ihre Waffen versteckt, aber die Veteranen, die uns zu Fuß nachfolgten, wußten sie in den Erdböden der runden Hütten und den Abfallhaufen davor zu finden. Nachdem sie die Waffen ausgegraben hatten, plünderten sie die Stadt und nahmen alles Getreide und einen Teil des Viehs an sich. Die Männer, die ihre Habe zu verteidigen versuchten, machten sie erbarmungslos nieder, da die Briten, wie sie mir versicherten, nicht einmal zu Sklaven taugten. Die Frauen, die sich nicht in den Wäldern versteckt hatten, vergewaltigten sie freundlich grinsend und mit der Selbstverständlichkeit, mit der man Gewohntes tut.
Diese wahnwitzige, zwecklose Zerstörung erschreckte mich, aber der Führer der Reiterabteilung lachte nur und bat mich, ruhig Blut zu bewahren und die Waffen bereitzuhalten. Die Bitte der Stadt um Schutz sei nur eine der üblichen Fallen gewesen, sagte er, das bewiesen ja die Waffen, die wir gefunden hatten. Tatsächlich setzten beim Morgengrauen die blaubemalten Briten von allen Seiten her laut brüllend zum Angriff auf die Stadt an.
Sie hatten gehofft, uns zu überrumpeln, aber wir waren auf der Hut gewesen und hielten den leicht bewaffneten Barbaren, die nicht die starken Schilde unserer Legionäre hatten, ohne weiteres stand. Die Veteranen, die tags zuvor die Stadt verwüstet hatten und denen ich die Bluttaten, die ich mit eigenen Augen angesehen hatte, nie verzeihen wollte, nahmen mich fürsorglich in ihre Mitte und schützten mich. Als die Briten flohen, ließen sie einen Krieger zurück, der am Knie verwundet war. Er schrie wild, stützte sich auf seinen Lederschild und schwang sein Schwert. Die Veteranen stießen mich nach vorn und riefen lachend: »Da hast du einen! Nun töte deinen Briten, kleiner Freund!«
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