«Was gesagt, Sir John?»
«Dass ein gewisser Schweinepriester sie bedroht hat!»
«Ich schlage meine eigenen Schlachten», sagte Hook mürrisch.
«Nein!»Sir John ließ seine behandschuhte Hand auf Hooks Schulter niederfahren. «Du schlägst meine Schlachten, Hook.»Ein weiterer Hieb auf Hooks Schulter. «Dafür bezahle ich dich. Aber wenn du meine schlägst, dann schlage ich deine, verstehst du? Wir sind eine Kompanie!»Sir John brüllte die letzten vier Worte so laut, dass sich die Männer noch fünfzig Schritt den Graben hinunter nach ihm umdrehten. «Wir sind eine Kompanie! Keiner bedroht einen von uns, ohne zugleich uns alle zu bedrohen! Eure Mädchen sollen in der gesamten Armee nackt herumlaufen können, ohne dass es auch nur ein Mann wagt, sie anzurühren, weil sie nämlich zu uns gehören! Sie gehören zu unserer Kompanie! Bei Gott, dafür bringe ich diesen frömmlerischen Bastard um! Ich reiße ihm das Rückgrat durch seinen gottverdammten Hals aus dem Körper und verfüttere seinen ausgetrockneten Schwanz an die Hunde! Keiner bedroht uns! Keiner!»
Sir John, dessen eigentliche Feinde sicher hinter ihren rauchverhüllten Festungsanlagen saßen, suchte Streit. Und gerade hatte ihm Hook einen Anlass geliefert.
Hook sah zu, wie Melisande Pater Christopher mit Honig fütterte. Der Priester saß an ein Fass mit Räucherhering gelehnt, das aus England gekommen war. Sein Gesicht war blass und ausgezehrt, er war dünn wie ein Gerippe und schwach wie ein frischgeschlüpfter Vogel, aber er lebte.
«Cobbett ist tot», sagte Hook, «und Robert Fletcher.»
«Der arme Robert», sagte Pater Christopher, «wie geht es seinem Bruder?»
«Lebt noch», sagte Hook, «aber die Krankheit hat er auch.»
«Sind noch andere gestorben?»
«Pearson ist tot, Hull auch, und Borrow und John Taylor.»
«Gott sei ihnen allen gnädig», sagte der Priester und bekreuzigte sich. «Und bei den Feldkämpfern?»
«John Gaffney, Peter Dance, Sir Thomas Peters», zählte Hook auf, «alle tot.»
«Gott hat Seinen Blick von uns abgewandt», sagte Pater Christopher niedergeschlagen. «Spricht dein Heiliger immer noch zu dir?»
«Im Augenblick nicht», gab Hook zu.
Pater Christopher seufzte. Einen Moment lang schloss er die Augen. «Wir haben gesündigt», sagte er grimmig.
«Uns wurde gesagt, Gott sei auf unserer Seite», erwiderte Hook eigensinnig.
«Das haben wir auch geglaubt», sagte der Priester, «wir alle haben es geglaubt, und mit dieser Überzeugung im Herzen sind wir ausgezogen. Und nun offenbart sich Gott. Wir hätten nicht hierherkommen sollen.»
«Wirklich, das hättet Ihr nicht», sagte Melisande nachdrücklich.
«Harfleur wird fallen», beharrte Hook.
«Das wird es wahrscheinlich», räumte Pater Christopher ein und hielt inne, während ihm Melisande einen Tropfen Honig vom Kinn wischte. «Wenn die Franzosen nicht noch zu seiner Befreiung kommen, ja, dann wird es schließlich fallen. Und was dann? Wie viel ist von unserer Armee noch übrig?»
«Genug», sagte Hook.
Pater Christopher lächelte matt. «Genug wofür? Um auf Rouen zu marschieren und die nächste Belagerung anzufangen? Oder um Paris einzunehmen? Wir würden uns kaum selbst verteidigen können, falls die Franzosen mit einer Entsetzungstruppe hier auftauchten. Also, was werden wir tun? Wir ziehen in Harfleur ein, bauen seine Stadtmauer wieder auf, und anschließend segeln wir nach Hause. Wir sind gescheitert, Hook. Wir sind gescheitert.»
Hook schwieg. Eine der übriggebliebenen englischen Kanonen feuerte, und das Geräusch klang schwach durch die warme Luft. Irgendwo im Lager sang ein Mann. «Wir können nicht einfach nach Hause gehen», sagte er nach einer Weile.
«Doch, das können wir», erwiderte Pater Christopher, «und sehr wahrscheinlich werden wir auch genau das tun. All das viele Geld für nichts! Für Harfleur vielleicht. Und was wird es uns noch kosten, diese Mauern wieder aufzurichten?»Er zuckte mit den Schultern.
«Vielleicht sollten wir die Belagerung aufgeben», schlug Hook missmutig vor.
Der Priester schüttelte den Kopf. «Das wird Henry niemals tun. Er muss gewinnen! Auf diese Weise kann er beweisen, dass er in Gottes Huld steht, und davon abgesehen würde es ihm als Schwäche ausgelegt, wenn er die Belagerung aufgäbe.»Er schwieg einen Moment lang und fuhr dann stirnrunzelnd fort: «Sein Vater hat den Thron mit Gewalt an sich gebracht, und Henry fürchtet, dass andere das Gleiche tun könnten, falls er die geringste Schwäche zeigt.»
«Esst, redet nicht», sagte Melisande nachdrücklich.
«Ich habe genügend gegessen, meine Liebe», sagte Pater Christopher.
«Ihr solltet noch etwas mehr essen.»
«Das werde ich. Heute Abend. Merci .»«Gott verschont Euch, Pater», sagte Hook.
«Vielleicht will Er mich nicht im Himmel haben», vermutete Pater Christopher mit einem schwachen Lächeln, «oder vielleicht gibt Er mir Zeit, um ein besserer Priester zu werden.»
«Ihr seid ein guter Priester», sagte Hook flammend.
«Das werde ich Sankt Petrus sagen, wenn er mich fragt, ob ich es verdiene, in den Himmel zu kommen. Frag Nick Hook, werde ich sagen. Und Sankt Petrus wird mich fragen: Wer ist Nick Hook? Oh, werde ich antworten, er ist ein Dieb, ein Gauner und wahrscheinlich auch ein Mörder, aber frag ihn trotzdem.»
Hook grinste. «Ich bin jetzt ehrlich, Pater.»
«Du bist nicht fern vom Reiche Gottes, Hook, aber lasst uns hoffen, dass es noch viele lange Tage dauert, bis wir uns dort begegnen. Wenigstens wird uns dort die Gesellschaft Sir Martins erspart bleiben.»
Melisande schnaubte. «Er ist ein Feigling. Un poltron !»«Die meisten Männer werden zu Feiglingen, wenn sie Sir John begegnen», sagte Pater Christopher milde.
«Er hat sich nicht verteidigt!», sagte Melisande.
Sir John war zu den Unterständen von Lord Slaytons Männern gegangen. Er hatte Hook und Melisande mitgenommen und durchs Lager gebrüllt, dass jeder Mann, der Hook umbringen wolle, es hier und jetzt tun könne. «Kommt und nehmt euch seine Frau», hatte Sir John gerufen. «Wer von euch will sie?»
Lord Slaytons Bogenschützen, seine Feldkämpfer und seine anderen Gefolgsleute waren gerade dabei, ihre Rüstungen zu säubern, das Essen vorzubereiten oder sich einfach nur auszuruhen, doch nun wandten sich alle Sir John zu, um nichts zu verpassen. Sie beobachteten ihn schweigend.
«Los kommt, holt sie euch!», hatte Sir John gerufen. «Sie gehört euch! Ihr könnt euch abwechseln wie die Köter an einer Hündin! Macht schon! Sie ist hübsch! Wollt ihr euch mit ihr vergnügen? Sie gehört euch!»Er hatte gewartet, doch keiner von Lord Slaytons Männern hatte sich gerührt. Dann hatte Sir John auf Hook gedeutet. «Ihr könnt sie alle haben! Aber vorher müsst ihr meinen Ventenar töten!»
Noch immer hatte sich niemand bewegt, und alle hatten darauf geachtet, Sir John nicht direkt anzusehen.
«Welcher Mann soll dafür bezahlt werden, dass er dich tötet?», hatte Sir John Hook gefragt.
«Der dort», hatte Hook geantwortet und auf Tom Perrill gedeutet.
«Dann komm her», hatte Sir John einladend zu Perrill gesagt. «Komm und töte ihn. Ich gebe dir seine Frau, wenn du es tust.»Perrill hatte sich nicht gerührt. Er hatte sich halb hinter William Snoball versteckt, der als Lord Slaytons Verwalter über einen gewissen Einfluss verfügte, sich aber dennoch nicht gegen Sir John zu stellen wagte. «Da ist nur eins», hatte Sir John hinzugefügt, «und zwar, dass du sowohl Hook als auch mich töten musst, bevor du die Frau bekommst. Also los! Als Erstes kämpfst du gegen mich!»Er hatte sein Schwert gezogen und gewartet.
Niemand hatte sich bewegt, niemand hatte auch nur ein Wort gesagt. Sir Martin hatte das Geschehen hinter einigen Feldkämpfern stehend verfolgt. «Ist das der Priester?», hatte Sir John Hook gefragt.
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