«Er will es so.»
«Er ist ein bösartiger, verrückter Bastard», sagte Hook.
«Er kann auch freundlich sein», sagte Perrill jämmerlich. «Erinnerst du dich an John Luttocks Tochter?»
«Natürlich erinnere ich mich an sie.»
«Er hat sie von zu Hause weggeholt, aber am Ende hat er John für sie bezahlt, er hat ihm die Mitgift für das Mädchen gegeben.»
«Einhundertsechzig Pennys dafür, dass er sie geschändet hat?»
«Nein!»Die Frage hatte Perrill überrascht. «Ich glaube, es waren zwei Pfund, vielleicht war es sogar mehr. John war sehr zufrieden.»
Es wurde nun schnell dunkel. Die Franzosen hatten ihre geladenen Kanonen für den Moment aufgespart, in dem ihre Gegengrabung den englischen Tunnel erreicht haben würde, und sie feuerten Schuss um Schuss von der Stadtmauer ab. Der Rauch stieg wie Gewitterwolken auf und verdunkelte den ohnehin schon dämmrigen Himmel noch weiter, während die Kanonensteine dröhnend und polternd auf die massiven Seiten der Sau trafen.
«Robert!», rief eine Stimme aus der Sau.
«Das ist Tom!», sagte Robert Perrill, der die Stimme seines Bruders erkannte. Er atmete tief ein, um zu antworten, doch Hook hielt ihm den Mund zu.
«Sei ruhig», knurrte Hook. Ein Armbrustbolzen schoss über den Grabenrand und traf Hooks Kettenhemd. Er hatte seine Kraft schon vorher verloren und sprang seitlich weg, während ein weiterer Bolzen aus einem Flintsteinbrocken, der neben ihnen lag, Funken schlug. «Und jetzt?», fragte Hook und zog seine Hand von Robert Perrills Mund weg.
«Was meinst du damit?»
«Ich bringe dich zurück, und du wirst wieder versuchen, mich umzubringen.»
«Nein!», sagte Perrill. «Hol mich hier raus, Nick! Ich kann mich nicht bewegen!»
«Also, was geschieht jetzt?», fragte Hook beharrlich. Armbrustbolzen trafen in so dichter Folge auf die Sau, dass es klang wie Hagel auf einem Balkendach.
«Ich werde dich nicht töten», sagte Perrill.
«Was soll ich tun?», fragte Hook.
«Zieh mich heraus, Nick, bitte», sagte Perrill.
«Ich habe nicht mit dir gesprochen. Was soll ich tun?»
«Was glaubst du denn?», sagte Sankt Crispin, der strengere Bruder, spöttisch.
«Das ist Mord», sagte Hook.
«Ich werde dich nicht töten!», beharrte Perrill.
«Denkst du, wir haben das Mädchen gerettet, damit sie jetzt geschändet werden kann?», fragte Sankt Crispinian.
«Hol mich aus diesem Dreck heraus», sagte Perill. «Bitte!»
Doch stattdessen streckte Hook seinen Arm nach einem der verschossenen Armbrustbolzen aus. Er war so lang wie sein Unterarm, zwei Daumen dick und mit steifen Lederstreifen befiedert. Die Spitze war rostig, aber immer noch scharf.
Er tötete Perrill mühelos. Er versetzte ihm einen schweren Hieb auf den Kopf, und während der Bogenschütze sich noch von dem Schlag erholte, rammte er ihm den Bolzen in ein Auge. Das Metall drang ganz leicht ein, schürfte an der Augenhöhle entlang, und Hook trieb den dicken Schaft so tief in Perrills Hirn, bis die rostigen Spitze an der Innenwand von Perrills Schädel kratzte. Der Bogenschütze wand und krümmte sich, würgte und zitterte, doch er starb recht schnell.
«Robert!», rief Tom Perrill erneut von der Sau aus.
Ein Springarden-Bolzen fuhr in einen gemauerten Kamin, der über den verkohlten Resten eines verbrannten Hauses emporragte. Der Bolzen wirbelte, sich überschlagend, in die Dämmerung und schoss über die englischen Gräben, um weit dahinter niederzugehen. Hook wischte seine verletzte Rechte an Robert Perrills Wappenrock ab, rieb sich die Schmiere von den Fingern, die aus dem Auge des sterbenden Mannes gespritzt war, und zog sich dann ganz aus der Erde. Es war nun beinahe dunkel, und der Rauch der Kanonen verhüllte das letzte bisschen Tageslicht. Hook stieg mit einem großen Schritt über Perrill hinweg und ging mit unsicheren Schritten zu der Sau, bis seine Beine ihre Kraft wiederfanden. Armbrustbolzen jagten an ihm vorbei, doch sie wurden nicht mehr gezielt abgeschossen. Er hielt sich beim Laufen die Seiten und stolperte schließlich keuchend in die Sicherheit der Saugrube. Laternen beleuchteten sein schmutzverkrustetes Gesicht, und die Männer starrten ihn an.
«Wie viele andere haben überlebt?», fragte ein Feldkämpfer.
«Weiß nicht», sagte Hook.
«Hier.»Ein Priester reichte ihm einen Krug, und Hook trank. Er hatte nicht bemerkt, wie durstig er war, bis er das Ale schmeckte.
«Und mein Bruder?»Thomas Perrill gehörte zu den Männern, die vor Hook standen.
«Von einem Armbrustbolzen getötet», sagte Hook knapp und sah Perrill ins Gesicht. «Genau durchs Auge», fügte er unbarmherzig hinzu. Perrill starrte ihn ungläubig an, und dann drängte sich Sir John Cornewaille durch die kleine Gruppe.
«Hook!»
«Ich lebe, Sir John.»
«Danach siehst du aber nicht aus. Komm.»Sir John packte Hooks Arm und führte ihn zum Lager. «Was ist passiert?»
«Sie sind von oben gekommen», sagte Hook. «Ich war auf dem Weg nach draußen, als die Decke eingestürzt ist.»
«Ist sie auf dich gestürzt?»
«Ja, Sir John.»
«Irgendwer liebt dich, Hook.»
«Sankt Crispinian liebt mich», sagte Hook, und dann sah er Melisande im Licht des Lagerfeuers und sank in ihre Umarmung.
Und später, während der Nacht, hatte er Albträume.
Das Sterben unter Sir Johns Männern begann am nächsten Morgen. Ein Feldkämpfer und zwei Bogenschützen waren mit der Krankheit geschlagen, die das Gedärm in eine Ableitung für eine dünnflüssige Dreckbrühe verwandelte. Alice Godewyne starb. Ein Dutzend weitere Feldkämpfer waren krank, ebenso wie mindestens zwanzig Bogenschützen. Die Armee wurde von dieser Plage schwer heimgesucht, und der Gestank nach Exkrementen hing über dem Lager. Die Franzosen erhöhten jede Nacht ihre Schutzwälle, und in der Dämmerung mühten sich die Männer in die Kanonengruben und Schutzgräben, wo sie sich übergaben und ihre Eingeweide entleerten.
Auch Pater Christopher steckte sich an. Melisande fand ihn in seinem Zelt, wo er zitternd und mit bleichem Gesicht in seinem eigenen Schmutz lag und zu schwach war, um sich zu bewegen. «Ich habe ein paar Nüsse gegessen», erklärte er ihr.
«Nüsse?»
« Les noix », erklärte er mit einer Stimme, die kaum mehr war als ein schwaches Keuchen. «Ich wusste es nicht.»
«Wusste es nicht?»
«Jetzt erzählten die Ärzte, dass man keine Nüsse und keinen Kohl essen soll. Nicht, wenn die Krankheit herrscht. Ich habe Nüsse gegessen.»
Melisande wusch ihn. «Du machst mich nur noch kränker», beschwerte er sich, doch er war zu kraftlos, um sich zu wehren. Sie suchte ein Laken für ihn, doch Pater Christopher schob es zur Seite, als die Hitze des Sommertages unerträglich wurde. Ein großer Teil der Senke, in der Harfleur lag, war immer noch überflutet, und die Hitze flirrte über dem seichten Wasser und ließ die Luft feucht und schwer werden. Die Kanonen feuerten weiter, aber nicht mehr so häufig, denn auch die holländischen Kanoniere waren mit dem Blutfluss geschlagen. Niemand war davor sicher. Männer aus dem Gefolge des Königs wurden krank, bedeutende Lords wurden von der Plage niedergeworfen, und die Todesengel schwebten mit dunklen Flügeln über dem englischen Lager.
Melisande fand einige Brombeeren und erbat sich ein bisschen Gerste von den Vorratsmeistern Sir Johns. Sie kochte die Brombeeren und die Gerste zu einem Brei, süßte ihn mit Honig und fütterte Pater Christopher damit. «Ich sterbe», murmelte er mit schwacher Stimme.
«Nein», verkündete sie entschieden, «Ihr sterbt nicht.»
Der Arzt des König selbst, Master Colnet, kam zu Pater Christophers Zelt. Er war jung und ernsthaft, mit blassem Gesicht und einer kleinen Nase, mit der er an Pater Christophers Fäkalien roch. Er sagte nichts dazu, was er aus den Gerüchen geschlossen hatte, sondern ließ den Priester nur eilig und stark zur Ader. «Die Fürsorge des Mädchens wird Euch nicht schaden», sagte er.
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