Es ist ihm zugute zu halten, dass er mich noch Wochen danach anrief. Er hinterließ mir beruhigende Nachrichten auf dem Anrufbeantworter, sagte mir, ich bräuchte mir keinen Kopf zu machen und bat mich darum, ihn zurückzurufen. Ich kann mir nicht zugutehalten, dass ich das je getan hätte. Wenn meine Herangehensweise Sex zu lernen einer Feuerprobe glich, war Matthew ein wütendes Feuer, das ich nicht bereit war zu löschen. Von ihm lernte ich, immer, absolut immer (ins Klo) zu pinkeln und hatte am Ende sogar noch zusätzliche Last im Gepäck.
Ich wünschte, ich könnte sagen, dass das alles war. Einfach in die Hände schlagen, mir auf die Oberschenkel hauen und sagen: „So Leute, das war’s. Das war alles an Gefummel, Gewurschtel und Gestolpere auf meinem wenig grazilen Weg in die Sexualität. Ich habe alle Karten auf den Tisch gelegt.“
Tatsächlich aber könnte ich noch endlos viel mehr erzählen. Sex fiel mir nie leicht. Er war weder intuitiv, natürlich, noch graziös. Er war witzig, denkwürdig und voller harter Lektionen und hatte absolut nichts mit dem zu tun, wie ich ihn mir ursprünglich vorgestellt hatte.
Ich manövrierte mich nicht in diese Situationen, weil ich es grundsätzlich nicht hinkriege, oder weil es ein Ergebnis meiner BeHinderung ist. Meine Jungendängste waren völlig fehl am Platz und es stellte sich als falsch heraus, dass meine BeHinderung Sex schwieriger machte. Nein, ich erlebte diese Missgeschicke, weil ich schlecht über Sex informiert war. Wie viele von uns, hing ich diesem Irrglauben an, es gäbe eine Art Geheimrezept, einen Leitfaden, den wir alle kennen und befolgen sollten. Naiv wie ich war, hatte ich konkrete Bilder vor Augen, die mir Filme, Fernsehen und Pornos als Wahrheit verkauft hatten. Ich dachte, es müsse einen nahtlosen Übergang geben von zunächst noch bekleidet sein, dann penetriert werden und dem Ende mit zwangsläufig gleichzeitigen Orgasmen. Gefallen würde es mir dann auch noch, jedes Mal. Ohne jegliche sexuelle Aufklärung (Katherine und ihre Melonen mal außen vor), oder einem Ort, an dem ich heikle Fragen hätte stellen können, blieb mir nichts anderes übrig, als von falschen Annahmen auszugehen.
Das Schweigen rund um das Thema Sex steuert uns in düstere Richtungen. Letztlich kam ich nur durch gesammelte Erfahrungen zu der Erkenntnis, dass es tatsächlich überhaupt keine konkrete Herangehensweise und nicht den einen richtigen Weg gibt, es zu treiben. Mittlerweile weiß ich, dass Sex eine Million verschiedene Gesichter haben kann. Glücklicherweise habe ich jetzt verstanden, dass ich meinen Körper nicht an dem Maßstab eines körperlich nicht beHinderten Bildes von erotischer Intimität anpassen muss. Nun kann ich mir meine eigenen Rahmenbedingungen schaffen und meine eigenen Wünsche formulieren.
Ich glaube, dass es vielen Menschen so ergeht, dass der Sex, den wir an gewissen Punkten in unserem Leben haben, nicht unseren Vorstellungen entspricht. Unsere Vorstellung ist unrealistisch, stammt aus Filmen und Pornos und folgt unerreichbaren Schönheitsidealen. Ich glaube nicht, dass ich mit meiner Erkenntnis allein dastehe, dass Sex unangenehm und schwierig sein kann. Und genau aus diesem Grund tue ich das, was ich tue. Ich betreibe sexuelle Aufklärung, weil ich selbst an diversen Punkten in meinem Leben etwas Aufklärung hätte gebrauchen können. Es hätte mir Jahre der Angst und Verwirrung erspart, wenn sich einfach mal jemand mit mir hingesetzt und mit mir über unsere Körperfunktionen gesprochen hätte. Mein frühes Sexleben wäre komplett anders verlaufen, hätte ich andere Menschen mit BeHinderungen zum Vorbild gehabt. Hätte ich gewusst, dass alle manchmal pinkeln und beißen und pupsen, wenn sie das eigentlich gar nicht wollen, dann hätte mir das manche schlaflose Nacht erspart. Wäre da nicht diese Scham und das Schweigen über Sex, hätte ich vielleicht irgendjemandem meine interessierten Fragen stellen können. Aber das ging nicht.
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