Sportlich zu sein gilt als soziales Kapital. Dies greift Sportsozialarbeit für die berufliche Praxis auf und entwickelt geeignete Unterstützungsangebote. Soziale Arbeit versteht sich im Gegensatz zu anderen (therapeutischen) Hilfen primär alltagsorientiert und zieht sich nicht an einen dritten, geschützten Ort zurück. In der Sozialen Arbeit richten sich soziale Hilfen auf die Erweiterung von Ressourcen und die Gewährleistung von sozialer Teilhabe, während pädagogische Hilfen die Integrität und Bildung des Subjektes als sozialen Akteur zum Gegenstand haben. Sport und Bewegung bieten angehenden Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern eine Erweiterung des methodisch-konzeptionellen Spektrums und Zugänge, die erstens in den Alltag integriert und verselbständigt werden können und zweitens den engen Rahmen kognitiver Zugänge ergänzen. Handlungsfähigkeit und Gemeinschaft können körperlich unmittelbar erfahrbar gemacht werden, um Bildungs- und Sozialisationsprozesse zu unterstützen. Sportbezogene sozialpädagogische Ansätze ergänzen in der beruflichen Praxis das klassische Handlungsrepertoire der fall-, gruppen- und sozialraumbezogenen Arbeit und erleichtern den Zugang u. a. zu Adressaten und Adressatinnen Sozialer Arbeit, die in herkömmlichen Beratungs- und Betreuungssettings nicht erreicht werden.
Anhand der Darstellung sportbezogener Angebote in verschiedenen Handlungsfeldern Sozialer Arbeit wie z. B. der offenen Jugendarbeit, der Fanarbeit oder der Sozialen Arbeit mit von Exklusion bedrohten Gruppen werden mögliche Einsatzbereiche sportbezogener Sozialer Arbeit anschaulich geschildert, Konzepte konkretisiert und Studierenden wie Fachkräften berufliche Perspektiven aufgezeigt. Die Skizzierung von Praxisbeispielen und Modellprojekten lädt zur Diskussion des jeweiligen theoretischen Bezugsrahmens und dessen praktischer Umsetzung ein.
Heiko Löwenstein, Birgit Steffens und Julie Kunsmann
1 Vorwort Vorwort Mit dem so genannten »Bologna-Prozess« galt es neu auszutarieren, welches Wissen Studierende der Sozialen Arbeit benötigen, um trotz erheblich verkürzter Ausbildungszeiten auch weiterhin »berufliche Handlungsfähigkeit« zu erlangen. Die Ergebnisse dieses nicht ganz schmerzfreien Abstimmungs- und Anpassungsprozesses lassen sich heute allerorten in volumigen Handbüchern nachlesen, in denen die neu entwickelten Module detailliert nach Lernzielen, Lehrinhalten, Lehrmethoden und Prüfungsformen beschrieben sind. Eine diskursive Selbstvergewisserung dieses Ausmaßes und dieser Präzision hat es vor Bologna allenfalls im Ausnahmefall gegeben. Für Studierende bedeutet die Beschränkung der akademischen Grundausbildung auf sechs Semester, eine annähernd gleich große Stofffülle in deutlich verringerter Lernzeit bewältigen zu müssen. Die Erwartungen an das selbständige Lernen und Vertiefen des Stoffs in den eigenen vier Wänden sind deshalb deutlich gestiegen. Bologna hat das eigene Arbeitszimmer als Lernort gewissermaßen rekultiviert. Die Idee zu der Reihe, in der das vorliegende Buch erscheint, ist vor dem Hintergrund dieser bildungspolitisch veränderten Rahmenbedingungen entstanden. Die nach und nach erscheinenden Bände sollen in kompakter Form nicht nur unabdingbares Grundwissen für das Studium der Sozialen Arbeit bereitstellen, sondern sich durch ihre Leserfreundlichkeit auch für das Selbststudium Studierender besonders eignen. Die Autor/innen der Reihe verpflichten sich diesem Ziel auf unterschiedliche Weise: durch die lernzielorientierte Begründung der ausgewählten Inhalte, durch die Begrenzung der Stoffmenge auf ein überschaubares Volumen, durch die Verständlichkeit ihrer Sprache, durch Anschaulichkeit und gezielte Theorie-Praxis-Verknüpfungen, nicht zuletzt aber auch durch lese(r)-freundliche Gestaltungselemente wie Schaubilder, Unterlegungen und andere Elemente. Prof. Dr. Rudolf Bieker, Köln
2 Zu diesem Buch
3 1 Einleitung
4 1.1 Zur Entwicklung der sportbezogenen Sozialen Arbeit
5 1.2 Begriffliche Klärung und Ziele der Sportsozialarbeit
6 1.3 Aufbau des Buches
7 2 Sporttreiben und Sportorganisation
8 2.1 Sportverständnis
9 2.2 Organisierter Sport
10 2.2.1 Aufbau und Struktur des organisierten Sports
11 2.2.2 Sportvereine
12 2.2.3 Gesellschaftliche Bedeutung des organisierten Sports
13 2.3 Schulsport
14 2.3.1 Unterrichtlicher Schulsport
15 2.3.2 Außerunterrichtlicher Schulsport und dessen Relevanz für die Sportsozialarbeit
16 2.4 Informeller Sport
17 2.5 Kommerzieller Sport
18 3 Sportrelevante Praxisfelder der Sozialen Arbeit
19 3.1 Gesundheit
20 3.1.1 Gesundheitsbezogene Soziale Arbeit
21 3.1.2 Bewegung und Gesundheit
22 3.1.3 Sportorientierte sozialpädagogische Angebote im Gesundheitswesen
23 3.2 Bildung
24 3.2.1 Soziale Arbeit in der Kinder- und Jugendhilfe
25 3.2.2 Die Bedeutung des Sports im Aufwachsen
26 3.2.3 Sportorientierte sozialpädagogische Angebote in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen
27 3.2.4 Fanarbeit
28 3.2.5 Sportorientierte Soziale Arbeit mit Erwachsenen und älteren Menschen
29 3.3 Soziales
30 3.3.1 Soziale Teilhabe, Inklusion und Diversität
31 3.3.2 Diversitätssensible sportorientierte sozialpädagogische Angebote
32 4 Theorien Sozialer Arbeit und ihre Relevanz für die Sportsozialarbeit
33 4.1 Lebensweltorientierung nach Thiersch
34 4.1.1 Entstehungskontext: Reflexive Moderne, Selbstinszenierung und Expertokratie
35 4.1.2 Grundverständnis: Lebenswelt als Strukturiertheit von Raum, Zeit und sozialen Beziehungen
36 4.1.3 Relevanz: Welcher Sport macht »Sinn« im Alltag?
37 4.1.4 Praxisbeispiel: KICK-Projektverbund zur Gewaltprävention
38 4.2 Lebensbewältigung nach Böhnisch
39 4.2.1 Entstehungskontext: Jugendforschung, Gesellschaftskritik und Hans Thiersch
40 4.2.2 Grundverständnis: Anomie und Streben nach Handlungsfähigkeit
41 4.2.3 Relevanz: Stress, (Körper-)Selbst und funktionale Äquivalenz
42 4.2.4 Praxisbeispiel: Fanprojekt Bremen
43 4.3 Relationaler Konstruktivismus nach Kraus
44 4.3.1 Entstehungskontext: Systemtheorie und Radikaler Konstruktivismus
45 4.3.2 Grundverständnis: »Von der systemisch-konstruktivistischen Lebensweltorientierung zu einer relationalen Theorie der Sozialen Arbeit«
46 4.3.3 Relevanz: Strukturelle Kopplung zwischen psychischen, sozialen und biologischen Systemen
47 4.3.4 Praxisbeispiel: Vitura Bogenschießen
48 4.4 Deweys pragmatistische Philosophie und Sozialpädagogik
49 4.4.1 Entstehungskontext: Soziale Probleme und Sozialreform
50 4.4.2 Grundverständnis: Deweys Pragmatismus
51 4.4.3 Relevanz: Körper-Geist-Relation und geteilte Erfahrung
52 4.4.4 Praxisbeispiel: football3
53 4.5 Sozialraumorientierung
54 4.5.1 Entstehungskontext: Settlementbewegung, Community Organizing und Raumhandeln
55 4.5.2 Grundverständnis: Von der Gemeinwesenarbeit zur Sozialraumorientierung
56 4.5.3 Relevanz: Vom Ort zum Raum durch Aneignung
57 4.5.4 Praxisbeispiel: Le Parkour
58 4.6 Agency und Akteursorientierung
59 4.6.1 Entstehungskontext: Empowerment, Praxistheorie und Netzwerktheorie
60 4.6.2 Grundverständnis des pragmatistisch-relationalen Agency-Konzepts
61 4.6.3 Relevanz: Der strukturierte und der strukturierende Körper
62 4.6.4 Praxisbeispiel: Ein Vereinstag für geflüchtete Kinder und Jugendliche
63 4.7 Fazit: Sportsozialarbeit im Lichte der Wissenschaft Sozialer Arbeit
64 5 Überlegungen zur Professionalisierung der Sportsozialarbeit
65 5.1 Die soziale Diagnose als Scharnier zwischen Theorie und Praxis
66 5.2 Evidenzbasierung
67 5.3 Relevanz sportwissenschaftlicher Wirkungsforschung für die Soziale Arbeit am Beispiel der Kinder- und Jugendsportberichte
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