»Besonders der Text letzte Woche hat ihm nicht gefallen.«
»Warum?«
»Charlie, du hast geschrieben, dass Leute, die ... Also, du weißt, was du geschrieben hast.«
»Ja klar. Diese Typen sind nun einmal ...«
»Ist schon gut«, fuhr ihm Samantha dazwischen. »Ich bin ja auf deiner Seite, aber ich habe Freddy versprochen, mit dir das ganze Konzept für die Kolumne noch einmal ruhig durchzusprechen.«
»Aha.«
»Aber beim Meeting wird das nichts. Es geht hier gerade drunter und drüber. Hast du heute Abend schon was vor?«
»Hm«, machte Charlie nachdenklich.
»Nun sei man nicht so. Ich werde dir schon nicht zu arg ins Handwerk pfuschen. Wir sollten nur mal reden. Ich sage dir, was Freddy gesagt hat, und verkaufe ihm dann später deine Meinung. Ich spiele die Moderatorin.«
»Na schön.«
»Dann komm bei mir zu Hause vorbei.«
»Okay«, sagte Charlie.
»Ich schreib dir gleich meine Adresse auf. Sagen wir gegen neun?«
»Okay.«
Seine Zigarette ging zur Neige. Er drückte sie im Aschenbecher aus.
»Schön«, sagte Samantha und drücke ebenfalls ihre Zigarette aus. »Dann tun wir uns jetzt mal dieses verflucht öde Meeting an.«
***
»Das ist die Luftaufnahme von einem indischen Ashram«, sagte Benn erklärend, »ein indisches Meditationszentrum.«
»Ich weiß«, sagte Lynn. »Ich habe auch ein Bild von einem Ashram zu Hause.« Sie stand, Benns Buch vor der Brust haltend, neben ihm. Beide schauten auf die Fotografie, die an der Wohnzimmerwand hing. Sie war sehr groß.
Es war schon Abend geworden. Eigentlich wollte Lynn ja nur schnell ein Exemplar von Benns Buch mitnehmen, aber dann war es anders gekommen. Sie hatten stundenlang geredet. Benn hatte im vorigen Jahr eine Asienreise unternommen und viel davon erzählt, besonders von Indien. Lynn hatte von ihrer Arbeit gesprochen und den Meditationsübungen, die sie regelmäßig absolvierte. Sie hatte auch von ihrer Fastenkur erzählt. Die laufende Chakra-Übung und die einmonatige Enthaltsamkeit hatte sie nicht erwähnt. Außerdem waren ihr ein paar Worte über Charlie herausgerutscht. Sie hatte nicht das Bedürfnis, ihren Ex-Freund allzu viel über ihre aktuelle Beziehung wissen zu lassen, aber einige Bemerkungen und Andeutungen ließen sich nicht verhindern. Irgendwie wollten sie einfach gesagt werden. Benn hatte dankenswerterweise kein einziges Mal nachgehakt. Er war immer ein zurückhaltender Typ gewesen, ein guter Zuhörer. Es hatte eine Zeit gegeben, da hatte Lynn das geliebt.
Draußen war immer noch herrliches Wetter. Die Abendsonne schien. Das Licht, das in den Raum fiel, war golden.
Eine Weile bestaunte Lynn noch die fantastische Aufnahme von dem Ashram. Dann sagte sie: »Ich muss jetzt wirklich los. Wir haben ja den ganzen Tag verquatscht.«
»Ja«, sagte Benn und lächelte glücklich. »Das war doch schön. Wie in alten Zeiten.«
Lynn ging auf die Tür zum Flur zu.
»Lynn?«
»Ja.«
»Ich würde jetzt gern etwas Dummes tun.«
»Was meinst du?«
Er kam dicht an sie heran und umarmte sie. Lynns Herzschlag beschleunigte sich, fing an zu rasen an. Ihre Beine gaben etwas nach.
»Etwas sehr Dummes.« Er küsste sie. Seine Lippen fühlten sich voll und kühl an.
»Ist das zu dumm?«
Er küsste sie noch einmal, bevor sie antworteten konnte. Seine Zunge strich sanft an ihrer Oberlippe entlang. Lynn öffnete den Mund und sie begannen, miteinander zu spielen. Benn hielt sie jetzt fester.
»Du hast mir gefehlt«, flüsterte Benn, als sich ihre Lippen getrennt hatten. »Ich glaube, ich begreife erst jetzt, wie sehr du mir gefehlt hast.«
Wieder zog er sie an sich. Seine Küsse waren sanft, aber sehr leidenschaftlich. Der Rest der Welt schien auf einmal ganz fern zu sein. Lynn ließ das Buch aus ihren Fingern gleiten und presste sich an Benn. Es fühlte sich unwirklich an, als wäre sie in eine Trance verfallen.
Benn drehte sie so herum, dass Lynn an die Wand stieß. Dann glitt sein großer Körper an ihrem herab. Oh Gott, das war alles so schrecklich falsch. Sie spürte, wie Benn ihre Jeans öffnete. Warum tat sie nichts dagegen? Am Morgen hatte sie Charlie zurückgewiesen, aber jetzt ...
Sie hörte, wie Benn ihren Gürtel aufzog. Dann rieb der Jeansstoff an ihrer Haut entlang. Die Erinnerungen an ihre gemeinsamen Monate kamen zurück. So hatte es sich ganz am Anfang angefühlt, als sie frisch verliebt gewesen waren, so aufregend, intim und ehrlich.
Ihre Hände senkten sich auf Benns Haupt und sie spürte seine langen, weichen Haare in ihren Handflächen. Wie automatisch schlüpfte sie mit Benns Hilfe aus ihrer Jeans.
»Das habe ich immer geliebt ...«, hörte sie ihn sagen. Er kniete vor ihr auf dem Boden. »... dich auszuziehen.«
Jetzt fasste Benn an ihren Slip. Er zog ihn nur bis zu ihren Knien herunter. Dort blieb er, während Benns Lippen ihre Oberschenkel liebkosten. Als er seinen Kopf senkte, glitt sein Haar durch Lynns Finger. Seine Küsse fühlten sich weich und wunderbar kühl auf ihrer erhitzten Haut an. Seine Lippen wanderten höher. Lynn hatte Mühe, gerade stehenzubleiben. Zärtlich leckte Benn über ihrer Klit. Es war nur der Hauch einer Berührung, aber es bewirkte, dass ihr Schoß schlagartig feucht wurde. Seine Zunge glitt wieder tiefer, wanderte in sie. Lynn stöhnte auf, aber mit einem Schlag fiel alles zusammen.
Die Lust war fort. Da war kein Glühen mehr unter Benns Liebkosungen. Ihr Körper wurde kalt. Lynn griff an sich herab und drückte den Kopf von ihrer Scham fort.
Benn sah sie fragend an. »Was ist?«
»Es geht nicht. Ich bin mit Charlie zusammen. Wir haben uns verlobt.«
In Benns Gesicht arbeitete es. Er kämpfte sichtlich mit sich.
»Lass mich bitte los.«
Nach einigem Zögern tat er es, ohne ein Wort zu sagen.
Lynn beugte sich, zog ihren Slip wieder richtig an und machte sich daran, zurück in ihre Jeans zu schlüpfen. Benn erhob sich.
»Ich dachte, wir wollten dasselbe«, sagte er, als sie wieder vollständig angezogen vor ihm stand.
»Das dachte ich erst auch. Wir haben uns beide geirrt.«
»Und jetzt?«, fragte Charlie.
»Jetzt gehe ich.«
»Aber Lynn ...«
»Hör zu. Ich habe in diesen Sachen inzwischen einige Erfahrung. Wenn ich sage, dass es vorbei ist, dann ist es vorbei.«
Benn hob und senkte seine Arme. Es wirkte, als wäre er unentschlossen, ob er sie festhalten sollte, oder nicht.
»Und was bitte schön war das gerade? Du hast es doch auch gewollt.«
Lynn biss die Zähne zusammen. »Wie schon gesagt: Ich habe mich geirrt. Du hast mich in einer merkwürdigen Phase erwischt. Es ist vorbei.«
Benn blieb stehen und sah sie ratlos an. Lynn marschierte in den Flur und schlüpfte in ihre Schuhe. Als sie die Tür hinter sich zuzog, musste sie schnaufen.
Charlie hatte recht gehabt: Es geriet tatsächlich alles durcheinander. Und wie! Lynn wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn und eilte die Treppen hinab.
***
Samantha Morten wohnte in einem geräumigen Apartment in bester Citylage. Die Einrichtung hatte einen modernen kühlen Chic. Es gab nur rechte Winkel und bloße Fläche. Es hing kein einziges Bild an den Wänden. Sämtliche Möbelstücke waren entweder schwarz oder weiß.
Charlie war gar nicht erst nach Hause gefahren. Die Aussicht, den Streit mit Lynn fortsetzen zu müssen, hatte ihn davon abgehalten. Nach der Redaktionssitzung beim CHRONICLE war er essen gegangen. Anschließend hatte er sich in ein Café gesetzt und sich ein paar Ideen für seine Kolumne notiert, die ihm durch den Kopf gegangen waren. Dann war er zu Samantha spaziert. Sie wohnte nicht weit vom CHRONICLE entfernt.
Samantha hatte eine Flasche Wein geöffnet und ihm von den Meinungen des Chefredakteurs berichtet. Freddy wollte eigentlich überhaupt nichts ändern. Er war bloß ängstlich, dass Charlie jemanden so arg beleidigte, dass dieser Jemand den CHRONICLE vor Gericht zerrte. Das war verständlich für einen Chefredakteur.
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