Auch während der beschriebenen Ausbauphase der 70er Jahre wurde die Frage erörtert, ob für die individuelle Ausbildungsförderung bereits eine auf Dauer finanzierbare und ihrem sozialen Auftrag am effektivsten entsprechende Form gefunden sei. So überprüfte in den Jahren 1976 bis 1978 eine von der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung eingesetzte Arbeitsgruppe, in der Wissenschaftler und Praktiker zusammenwirkten, die Grundstruktur des Förderungsrechts des Bundes sowie seine Verknüpfung mit anderen Sozialleistungen und dem Steuerrecht. Sie schlug in ihrem Abschlussbericht im Mai 1977 vor:
– grundsätzlich (auch im Hochschulbereich) an dem System einer sozial modifizierten Staatsfinanzierung, also dem geltenden Recht, festzuhalten,
– dieses System durch die Zusammenfassung von steuerlichen Ausbildungsfreibeträgen und Kindergeld zu einem familienunabhängigen Sockelzuschuss, auf die die individuelle Ausbildungsförderung aufbaut, zu ergänzen.
Die Bundesregierung ist der Arbeitsgruppe insoweit gefolgt, als sie sich bei der Vorlage des Regierungsentwurfs des 6. BAföGÄndG 11dafür aussprach, an dem System der subsidiären Finanzierung der individuellen Aufwendungen während der Ausbildungszeit festzuhalten: Es sei besonders geeignet, den sozialen Ausgleich gegenüber den jungen Bürgern in einer endgültigen Form zu vollziehen und ihnen den Zugang zu einer qualifizierenden Ausbildung chancengleich zu eröffnen. „Zugleich bleibt die verwaltungsaufwendige Verteilung zuvor durch die Besteuerung erhobener Mittel auf die Fälle des notwendigen sozialen Ausgleichs beschränkt. Die Inanspruchnahme der Leistungsempfänger entsprechend ihrer späteren wirtschaftlichen Leistungskraft erfolgt im Rahmen des sozial strukturierten Besteuerungssystems“ 12.
Dagegen hat die Bundesregierung den Vorschlag, die unterschiedlichen staatlichen Entlastungsmaßnahmen in einem einkommensunabhängigen sog. Sockelzuschuss zusammenzufassen, nach eingehender Diskussion mit den Ländern, die sich fast ausnahmslos dagegen aussprachen, nicht übernommen: Die vorgeschlagene Vereinheitlichung der ausbildungsbezogenen Maßnahmen würde zwar generell eine stärkere Entlastung von Familien mit geringer wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit, einen unmittelbaren Zufluss der ausbildungsbezogenen Leistungen an den Auszubildenden und eine stärkere Transparenz der staatlichen Entlastungsleistungen bewirken. Die gewachsenen, differenzierten Entlastungsleistungen ermöglichten es dagegen aber besser, den bürgerlich-rechtlich begründeten Unterhaltsverpflichtungen, der unterschiedlichen Struktur der einzelnen Familien sowie dem verfassungsrechtlichen Gebot der gleichmäßigen Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit Rechnung zu tragen 13.
2.5Leistungsbegrenzung und -rückführung 1981/82
Ein abruptes Ende fand die Ausbauphase im Herbst 1980. Der Grund war das politische Bewusstwerden der finanzwirtschaftlichen Gesamtsituation von Bund und Ländern 14. Der konkrete Anlass für den scharfen Eingriff in das BAföG war der sprunghafte, unerwartete Ausgabenaufwuchs bei der Ausbildungsförderung im Jahr 1980, in dem rd. 20 v. H. mehr Mittel ausgegeben wurden als 1979, wofür über den ursprünglichen Haushaltsansatz des Bundes von 2070 Mio. DM hinaus insgesamt 312,7 Mio DM erforderlich waren.
(a) Die Bundesregierung sah sich nach sorgfältiger Abwägung aller Aufgaben, insbesondere auch der Ausgaben für Empfänger anderer Sozialleistungen, nicht in der Lage, eine Erhöhung der Haushaltsmittel für die Ausbildungsförderung über 2,4 Mrd DM hinaus vorzuschlagen. Die begrenzten Ansätze im Haushalt 1981 und im Finanzplan bis 1984 konnten nur eingehalten und die nach dem Anstieg der Lebenshaltungskosten unerlässliche Erhöhung der Leistungsparameter – sogar in einem sehr beschränkten Umfang – nur vorgenommen werden, wenn finanzwirksame Eingriffe in die Regelungen des BAföG erfolgten. Dies ist im 7. BAföGÄndG im Wesentlichen wie folgt geschehen 15:
– Unter dem Leitgedanken, nur eine planvoll angelegte und zielstrebig durchgeführte Ausbildung bis zu einem berufsqualifizierenden wissenschaftlichen Abschluss zu fördern, wurde die Förderung weiterer Ausbildungen auf Ausnahmefälle beschränkt.
– Der materielle Einkommensbegriff wurde mit dem Ziel verändert, Einnahmen in erweitertem Maße als anrechenbares Einkommen zu erfassen.
– Das ermittelte Einkommen wurde zudem zu einem größeren Anteil für die Ausbildung herangezogen, förderungstechnisch: auf den Bedarf angerechnet.
Diese Maßnahmen führten zusammen mit einer ganzen Reihe von Änderungen mit höchst unterschiedlichem finanziellen Gewicht zu Minderausgaben von über 600 Mio DM bei Bund und Ländern (im vollen Jahr). Zum ersten Mal war damit nach den Jahren eines konstanten Ausbaus dieser Sozialleistung eine Leistungseinschränkung zu verzeichnen. Dabei kann kein Zweifel sein, dass nicht nur unbeabsichtigten Entwicklungen begegnet, Mitnahmeeffekten entgegengewirkt und Missbrauch ausgeschlossen wurde. Es mussten auch die Förderung sinnvoller Ausbildungsunternehmungen eingestellt und Leistungsverkürzungen von erheblichem Gewicht vorgenommen werden.
(b) Gleichwohl reichten die erzielten Einsparungen nach Auffassung der sozialliberalen Bundesregierung noch nicht aus. Darum wurden im 2. HStruktG, das im Herbst desselben Jahres 1981 die parlamentarischen Beratungen durchlief, weitere schwerwiegende Eingriffe in das BAföG vorgesehen.
(c) Bei der Beratung des 6. BAföGÄndG im Jahre 1979 hatte der Deutsche Bundestag die Bundesregierung aufgefordert, den „gesetzgebenden Körperschaften bis zum 1. April 1980 einen Zwischenbericht darüber vorzulegen, ob nach der tatsächlichen Entwicklung des 10. Bildungsjahres und den Erfahrungen beim Vollzug des 5. BAföGÄndG eine Aufhebung der jetzigen Befristung des 5. BAföGÄndG empfohlen werden kann“ (BT-Drucks. 8/2868, S. 5). Die Bundesregierung legte diesen Bericht zum 1.4.1982 vor (BT-Drucks. 9/1555) und sah dabei primär aus finanziellen Gründen davon ab, eine Verlängerung der Förderung der Klasse 10 der Berufsfachschulen über den 31.7.1983 hinaus vorzuschlagen: „Der in der Finanzplanung für die Jahre 1983–1985 festgelegte Ausgabenrahmen für die Ausbildungsförderung lässt schon eine begrenzte Verlängerung der Befristung … nicht zu.“
(d) Obwohl die vorgeschilderten gesetzlichen Maßnahmen (7. BAföGÄndG und 2. HStruktG) sowie der Verzicht auf die Fortführung der Ausbildungsförderung für Schüler in den Klassen 10 der beruflichen Grundbildung über den 31.7.1983 hinaus im Jahre 1984, in dem sie sich zum ersten Mal voll auswirkten, zu Minderaufwendungen bei Bund und Ländern von rd. 1 Mrd DM führten, machte es die finanzwirtschaftliche Gesamtentwicklung nach Auffassung der im Herbst 1982 von CDU/CSU und FDP gebildeten Bundesregierung notwendig, die für die Schülerförderung vorgesehenen Ansätze in ganz erheblichem Umfang zurückzunehmen und die Studentenförderung voll auf Darlehen umzustellen. Dies wurde im Haushaltsbegleitgesetz 1983 vollzogen; die Ausgabenreduzierungen beliefen sich im Jahre 1983 auf 310 Mio DM, im Jahre 1984 auf 920 Mio DM.
Die bei der Schülerförderung als notwendig erachteten Einsparungen waren so hoch, dass sie nicht mehr durch Veränderungen einzelner Leistungsbestimmungen, sondern nur noch durch massive Eingrenzung des Förderungsbereichs aufgebracht werden konnten. Die Förderung wurde daher vom Schuljahr 1983/84 an auf die notwendig außerhalb des Elternhauses untergebrachten Schüler, die Auszubildenden in den Abendschulen und Kollegs, also des 2. Bildungswegs im eigentlichen Sinne, sowie eine Gruppe von Fachschülern beschränkt. Die Förderung der Studenten wurde vom Wintersemester 1983/84 an auf Volldarlehen umgestellt.
2.6Basis weiterer Ausbildungsförderung gewonnen
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