Suzanne Speich - Was wir nicht schreiben durften

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Wenn die Autorinnen ihre Nähkästchen öffnen, wird es spannend. Beide sind ausgestattet mit hoher Begabung für die richtige Frage im passenden Moment, mit dem guten Riecher für eine packende Geschichte , dem Herz auf dem rechten Fleck und dem Mut, eine Story auch mal nicht zu bringen, wenn damit Menschen geschadet würde – heute rare journalistische Fähigkeiten.
Wir reisen mit ihnen zu den Kennedys, zu Päpsten, in fremde Kulturen auf Wegen, die selten von Westlern begangen wurden, begegnen Diktatoren und Politgrössen, erleben ungewohnte Blickwinkel auf Länder, die eher negativ konnotiert sind und erfahren was hinter den Kulissen von Zeitungen geschieht.
In Zeiten von Fake-News ein Buch auf der Suche nach Wahrheit hinter den Geschichten.

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Charlotte Peter / Suzanne Speich

Was wir nicht

schreiben durften

Die echten und die falschen Helden

Impressum

© Münster Verlag Basel 2019

Alle Rechte vorbehalten.

Kein Teil dieses Buches darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlags reproduziert werden, insbesondere nicht als Nachdruck in Zeitschriften oder Zeitungen, im öffentlichen Vortrag, für Verfilmungen oder Dramatisierungen, als Übertragung durch Rundfunk oder Fernsehen oder in anderen elektronischen Formaten. Dies gilt auch für einzelne Bilder oder Textteile.

Bilder: Charlotte Peter / Suzanne Speich / Ringier
Potala-Palast: Antoine Taveneaux, CC-Lizenz, modifiziert
Umschlaggestaltung: Stephan Cuber, diaphan gestaltung, Bern
Lektorat: Christine Krokauer
Gestaltung und Satz: Christoph Krokauer, Würzburg
Druck und Einband: CPI books GmbH, Ulm
Verwendete Schriften: Adobe Jenson Pro
Papier: Umschlag, 135g/m 2, Bilderdruck glänzend, holzfrei; Inhalt, 90g/m 2, Werkdruck bläulichweiss, 1,75-fach, holzfrei

ISBN 978-3-907146-52-1

eISBN 978-3-905896-91-6

Printed in Germany

www.muensterverlag.ch

Inhalt

Vorwort

Helden und Lichtgestalten

Jede Nacht eine Flasche Whisky für Churchill

Gefährliche Mission

Begegnung mit Nordkorea, Kuba und Burma – den grossen Bösen

JFK und die Monroe

Ärger mit der Apartheit und mit dem Schah

Das Bild aller Bilder

Der eitle Brigadier Musy

Strände und Safaris mit Schönheitsfehlern

Party des Jahrtausends

Nixons eiserner Händedruck

Schweizer Chefkoch im Weissen Haus

Schulmedizin als Luxusware

Das Drama der Mädchen – Beschneidung

Politisch unkorrekte Mohrenköpfe

Mit dem Papst hoch über dem Mont Blanc

Madonna, Aphrodite, Kali, Quan In und Pachamama

Operation Mini-Rock

Die roten Schuhe einer ehemaligen Leibeigenen im Tibet

Der witzigste Betrug aller Zeiten

Die Kamasutra und die Königin von England

Als der Professor vom Stuhl fiel

Der Bundesrat und die Hasch-Spaghetti

Die guten und die unguten Tabus

Nachwort

Vorwort

Journalisten müssen ungehindert berichten können, heisst es in jedem Pressekodex. Doch jeder Journalist weiss, dass man deswegen noch lange nicht auch alles veröffentlicht, was man in Interviews und mit Recherchen in Erfahrung gebracht hat. Diese Erinnerungen an Jahrzehnte journalistischer Tätigkeit handeln von solchen Fällen, erzählen Geschichten, die man damals nicht publizieren konnte oder wollte. Heute sind die Zeiten andere, die Gewichte haben sich verschoben und viele der Porträtierten sind verstorben. Wir dürfen somit fast alles sagen, was wir damals verschwiegen, aus verschiedensten Gründen.

Manchmal hätte eine Veröffentlichung einem Interviewpartner schlicht mehr geschadet als sie dem Leser genützt hätte. Weshalb also einen Menschen blamieren, ihm sogar schaden oder wehtun, wenn das, was man von ihm weiss, zwar einige witzige Sätze hergibt, die aber ohnehin nicht weltbewegend sind? Ein anderes Mal, sehr häufig sogar, macht man mit dem Interviewpartner einen Deal: Er verrät einem Vieles, aber nicht Alles. Und das, was dazwischen liegt, wird eben nicht veröffentlicht.

Ich kenne Charlotte Peter über ein halbes Jahrhundert und immer hatten wir geplant, eine – hoffentlich grosse – Story zusammen zu machen. Durch Ostkontakte von Charlottes Vater erfuhr sie von einem Sklaven-Trail, auf dem noch immer Menschen von Sansibar nach Riad verschleppt wurden. Bis in die 1930er Jahre hatte es in Saudi-Arabien noch öffentliche Sklaven-Märkte gegeben, doch 1952 hatte Prinz Faisal die Sklaverei offiziell abgeschafft. Aber eben nur halbherzig, von 100'000 bis 200'000 grösstenteils afrikanischen Sklaven wurden nur einige Tausend freigelassen, und wie Charlotte erfuhr, ging der Sklavenhandel im Versteckten auch 25 Jahre später noch weiter.

Es klingt heute verrückt, doch es war so: Wir heckten aus, dass ich in Sansibar verkauft werden und so nach Saudi-Arabien gelangen sollte. Dort würde Charlotte mich erwarten und wir hätten zusammen die Story des Jahres. Und das in einer Zeit, als es weder Mobil-Telefonie noch Internet gab! Ich trug den Plan am BLICK-Desk vor, und die Nachrichtenredaktion war begeistert. Doch ein Jahr später war ich die Ehefrau von BLICK-Chefredaktor Martin Speich, und als Charlotte und ich wieder auf die Sache zu reden kamen, meinte er nur: «Seid ihr wahnsinnig!?!», und damit war die Story gestorben.

Ein paar Jahre später leiteten wir zur gleichen Zeit die beiden wichtigsten Frauenzeitschriften des Landes, Charlotte die ELLE und ich die ANNABELLE. Wir galten zwar als Konkurrentinnen, waren es aber nur, was die Auflage unserer Magazine betraf. Privat blieben wir Freundinnen, dem Schwachsinn von den Frauenfeindschaften am Arbeitsplatz konnten wir nie etwas abgewinnen. Charlotte war etwas Feministin, ich überhaupt nicht. Wir erreichten ja alles, was wir wollten (ausser die Sklaven-Story!), waren super bezahlt und spürten Storys auf, an die kein Mann je kam … nicht zuletzt manchmal eben gerade weil wir Frauen waren.

Jetzt endlich ist es soweit: Wir haben ein gemeinsames journalistisches Projekt, dieses Buch hier.

Ein Bonmot sagt, dass jeder, der redet, auch etwas verschweigt – und meistens das Beste. Unsere Erinnerungen an ein halbes Jahrhundert journalistische Arbeit rufen Storys und Histörchen in Erinnerung, die damals wohl das Beste gewesen wären, aber eben aus verschiedensten Gründen besser nicht geschrieben wurden. Wenn Sie sie lesen, werden Sie verstehen weshalb und ich hoffe, sie amüsieren Sie wenigstens heute.

Suzanne Speich

Helden und Lichtgestalten

Charlotte Peter

Das Volk liebt die Helden, die Lichtgestalten, die Heilsbringer, von denen man sich eine bessere Zukunft erhofft, und die Medien liefern das Gewünschte in Massen. Sie polieren führende Politiker zu unantastbaren Ikonen auf, dies besonders in Krisen- oder in Kriegszeiten. Winston Churchill, Franklin D. Roosevelt, Charles de Gaulle, aber auch die Queen von England wurden wie Heilige verehrt, niemand fragte nach der zweifelhaften Rolle Churchills in den Kolonialkriegen des ausgehenden 19. Jahrhunderts oder nach der mittelalterlich rigiden Familienpolitik des englischen Königshauses, es genügte, auf der richtigen Seite zu stehen.

Für Journalisten eine Knacknuss. Schon meine harmlose Bemerkung über einen unpassenden Hut der Queen löste bei der Leserschaft der Elle Protest aus. Ganz unmöglich, bis zum Ende des zwanzigsten Jahrhunderts die flotten Seitensprünge der Könige von Spanien und Schweden zu erwähnen oder die Affairen des holländischen Prinzgemahls öffentlich zu machen. Die Königshäuser hatten als Hochburgen der Moral zu dienen, statt einer Maitresse en titre wie bei den französischen Königen gab es nur gut versteckte, verleumdete und rechtlose Schätzchen.

Auf Lichtgestalten darf kein Schatten fallen, sie sind makellos und haben immer Recht, das aber kann fatale Folgen haben. Eine hochgeschätzte Ikone aus Fernost war die hübsche Soong Mei-ling, Tochter aus reichster chinesischer Familie und Frau des chinesischen Generalissimus Chiang Kai Shek. Sie wohnte in Washington bei den Roosevelts im Weissen Haus, sprach vor dem amerikanischen Repräsentantenhaus und belehrte mit ihrem 1942 erschienen Bestseller «Unser China» die Welt über ihr Heimatland. Ihr glaubten nicht nur Mann und Frau von der Strasse, ihr glaubten auch die einflussreichsten Politiker, während wirkliche Kenner der Situation wie Harrison Forman, Walter Bosshard, Agnes Smedley, Robert Capa und vor allem Edgar Snow nicht ernst genommen oder gar als Abenteurer eingestuft wurden.

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