FRED
Was?
ROBERT
Sie ... Ihre ...
Robert Fogel deutet auf Frederick Kaufmanns Augen.
FRED
Äh? Das ist die Kohlensäure.
ROBERT
Ah...ch ...
FRED
Okay. Das ist ein Saustall. Ich soll hier einen Posten beziehen und ich finde ein verdrecktes Loch. Da ist nichts mit anzufangen. Das ist total zugemüllt. Ich soll da drin sogar schlafen. Da ist nicht mal ein Bett. Wie soll denn das gehen? Der Tisch fällt fast zusammen. Einen Stuhl gibt es auch nicht. Hallo?
ROBERT
Puh ...
FRED
Wissen Sie, was ich dachte? Ich dachte, ich schließe die Tür auf und es riecht nach Zitrone. Nach so Putzmittelzitrone. Und auf einem frisch gewischten Tisch steht ein neuer Rechner, eingeschaltet mit einem Grußwort als Bildschirmschoner.
ROBERT
Oh.
FRED
Oh ja. Und in einem Spind hängt meine Uniform. Und ich kann sofort anfangen. Zum Beispiel gegen die Raser vorzugehen. Mich hätte heute fast einer übern Haufen gedonnert, als ich hergelaufen bin.
ROBERT
Bitte?
FRED
Ja.
ROBERT
Sie sind gelaufen? Von ... Von wo?
FRED
Eslarn.
ROBERT
Von Eslarn hier her? Ha!
FRED
Ja, klar.
ROBERT
Das müssen Sie nicht.
FRED
Doch.
ROBERT
Nein.
FRED
Fährt kein Bus.
ROBERT
Nee, da fährt kein Bus, aber wenn Sie in dem kleinen Kiosk bei der Tankstelle in Eslarn nach Mattes fragen, der fährt Sie.
FRED
Mattes?
ROBERT
Ja.
FRED
Du blöder Depp.
Denkt Fred.
FRED
Hättest du mir ja sagen können. Wie wär´s? Dann hätte ich nicht diesen Scheißkoffer durch den ganzen Wald getragen.
Und die Umhängetasche!
Frederick Kaufmann trinkt Wasser. Kneift die Augen zusammen.
ROBERT
Das hätte ich Ihnen sagen können. Aber jetzt haben Sie ja ein Auto.
FRED
Ja. Auch so was. Wo ist das?
ROBERT
Das Auto? Das ist hier.
1Manfred Rommel (* 24. Dezember 1928 in Stuttgart; † 7. November 2013 ebenda) war ein deutscher Politiker (CDU). Er war von 1974 bis 1996 Oberbürgermeister von Stuttgart. Von ihm stammt das Lied „Rommel Bommel ging spazieren“. Sein Vater Erwin Rommel war Generalfeldmarschall in der Zeit des Nationalsozialismus.
14.57h. Robert Fogel und Frederick Kaufmann in Fogels Büro. Am Fenster.
Sie sehen hinunter auf den Parkplatz. Dort steht ein Streifenwagen. VW Golf. Älteres Modell.
ROBERT
Hier. Gleich neben meinem.
Daneben ein blauer VW Passat CC.
Frederick Kaufmann schlägt sich gegen die Stirn. Robert Fogel zuckt zusammen. Melinda Henske notiert: 1. Vermögen, 2. Balu, 3. Mark.
ROBERT
Sie können heute Nacht bei mir schlafen?
FRED
Leihen Sie mir lieber ne Matratze.
ROBERT
Wo soll ich denn jetzt ne Matratze herkriegen?
FRED
Schlüssel.
ROBERT
Was?
FRED
Für das Auto.
ROBERT
Steckt.
FRED
Ihr lasst einen Streifenwagen mit Schlüssel bei euch aufm Parkplatz rumstehen?
Robert Fogel hat das Gefühl, etwas falsch gemacht zu haben. Melinda Henske streicht Vermögen durch, macht aus der 2 eine 1 und aus der 3 eine 2.
Also steht da jetzt: 1. Vermögen, 1.2. Balu, 2.3. Mark. Frederick Kaufmann verlässt grußlos das Zimmer.
ROBERT
Tschüss dann.
Melinda Henske notiert: 3. Martin. Da ist es 15.09h.
Im Wald zwischen Fahrbach und Randhausen liegen zwei Rehkitze am Boden.
Ihr gepunktetes Fell tarnt sie vor dem Hintergrund der plattgetretenen Freifläche ihres Geburtsortes. Die Ohren der Kitze drehen sich ununterbrochen in alle möglichen Richtungen. Das Muttertier ist nicht bei den Kitzen, sondern umkreist die beiden in einigen Metern Abstand, um eventuelle Fressfeinde früh genug auszumachen.
15.22h ein Raunen kriecht durch den Wald. Die Augen der Kitze vereisen für einen Moment. 1
1Was im Endeffekt ähnlich aussieht wie die von hinten gekitzelten Augen Frederick Kaufmanns, nachdem er vom Sprudelwasser getrunken hat.
19.05h. Vor der Ratsgasse sieben steht ein Streifenwagen, Golf, älteres Modell.
Im Erdgeschoss kämpft Frederick Kaufmann gegen Staub, Gestank und alten Müll 1. Luisa Schwerte kämmt einer namenlosen Puppe das künstliche Haar, um danach einen Zopf zu flechten. Kommt sie aber nicht dazu. Gibt schon Abendbrot. Ein blauer Passat CC rast mit überhöhter Geschwindigkeit und zu lautem Auspuff/ der ist gar nicht aufgebohrt, der ist locker! Richtung Fahrbach, Amberg, Nürnberg. Fabian Martenbach (55) sitzt mit seiner Frau Anne (54) auf der Terrasse. Brot, Wurst, Blick über die Felder, die eigenen, Romantik, Feierabend. Ölgemälde, Deutschland.
ANNE
Die Kohlstett, Inge hat gesagt, wir haben jetzt wieder eine Polizei.
FABIAN
Mh.
ANNE
Doch.
FABIAN
Morgen muss des Kraut bei deinen Kartoffeln raus. Sonst werden die nix. Was sollen wir mit einer Polizei?
ANNE
Wenns den Posten gibt.
FABIAN
Ich brauche Diesel für den Häcksler. Hast du nicht morgen Sport?
ANNE
Yoga? Des war heut´. Und dann habe ich die Inge getroffen im Laden, weil, sie möcht von meinen Kartoffeln, wenns die dann gibt. Und wie ich da so steh, zeigt sie rüber, übern Platz, und sagt: Da ist heut einer rein.
FABIAN
Hm. Kannst mir trotzdem einen Diesel holen? Morgen?
ANNE
Morgen habe ich Amt. Und außerdem muss doch des Kraut raus.
FABIAN
Des kann ich machen.
ANNE
Des sind meine Kartoffeln. Des sollen meine einmal werden.
(Man merkt hier gleich, wie, nur weil es ein landwirtschaftlich tätiges Ehepaar ist, ihnen eine gewisse Grobschlächtigkeit und ein dialektal gefärbter Sprachduktus unterstellt wird. Das ist natürlich mitunter Blödsinn, weil, genauso gut könnte ja der zuvor gezeigte Bürgermeister Robert Fogel mit dialektalem Einschlag sprechen. Hat er aber nicht. Und tun Anne und Fabian eigentlich auch nicht. Aber es hilft doch, das Bild eines Caspar-David-Friedrich 2-haften Dorfendpunktes, will sagen: letztes Haus, nur noch Wiesen und Felder, zu verstärken. Im weiteren Verlauf wird er (der dialektale Einschlag) nicht mehr zur Anwendung kommen, da er sich realiter einfach nicht nachweisen ließ.)
FABIAN
Gut.
Das haben Sie jetzt nicht gehört.
FABIAN
Ich sag das auch zu Anne.
Ah. Sorry.
FABIAN
Machst eben das Unkraut selber raus. Und ich hol den Diesel, obwohl ich genug zu schaffen habe.
ANNE
Vielleicht fahr ich in der Mittagspause schnell rüber. Ist ja nur nach Pfraumberg. 3
FABIAN
Eben.
Dann Schweigen. Stille. Leises Aufstoßen. Und:
1(Was ist schlimmer als Müll? Alter Müll!) s.o.
2Caspar David Friedrich (* 5. September 1774 in Greifswald; † 7. Mai 1840 in Dresden) war ein deutscher Maler, Grafiker und Zeichner. Er gilt als der bedeutendste Künstler der deutschen Frühromantik. [Allerdings hat sich Friedrich nach einem traumatisierenden Ereignis in seiner Jugend in den Feldern rund um Greifswald nie tiefergehend mit Wiesen und Feldern malerisch beschäftigt, sondern sein Hauptaugenmerk auf die Gesteinsformationen des Elbsandsteingebirges gelegt. (Hier weist das Protokoll Ungenauigkeiten auf, wie sie schon zuvor beim Umgang mit Dialekt und Lokalkolorit auftraten.)]
3Přimda (deutsch Pfraumberg) ist eine Stadt in Tschechien. Sie befindet sich im südwestlichen Teil des Okres Tachov, in 700 Metern über Normalnull, unter dem gleichnamigen Berg, zehn Kilomenter von der Staatsgrenze zu Deutschland.
Kurz vor 20h.
FABIAN
Es ist wieder viel zu heiß. Und kein Regen.
Blick in den Himmel.
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