(Der Kasse.) INGE Drei Äpfel. Tippen, Rattern, Klingeln. INGE Eine Zitrone Tippen, Rattern, Klingeln. INGE Eine Stange Lauch. Tippen, Rattern, Klingeln. INGE Pastinaken ... 280 Gramm. Tippen, Rattern, Klingeln. INGE Mangold. 200, nee, 320 Gramm. Tippen, Rattern, Klingeln. INGE Und ein Saft. Das ist der ... Apfelsaft. Warte mal ... hier ... Tippen, Rattern, Klingeln. INGE Willst du nicht noch Möhren? Habe ich frisch reinbekommen. BIBIANA Wer ist das? Die beiden Damen folgen Frederick Kaufmann mit den Augen. Dieser überquert mit weit ausladenden Schritten den Marktplatz. Inge Kohlstett nennt einen Preis. INGE Vierund/ Während Frederick Kaufmanns Blick die Schelmengasse hoch fällt, wo er/ Kann man das so sagen? Bitte? Dass sein Blick die Gasse hoch fällt. Das klingt komisch. Wieso? Das ist die Schelmengasse, die ist links neben dem Rathaus. Da kommt er vorbei/ Ja, aber ein Blick fällt doch nicht eine Gasse hoch. Na, der guckt halt in die Gasse. Ja, der guckt in die Gasse, aber du hast gesagt: sein Blick fällt die Gasse hoch. Und du hast gesagt: Die beiden Damen folgen ihm mit den Augen ... Das kann man sagen, aber ein Blick fällt die Gasse hoch? Komm: Der ist auf dem Weg zum Rathaus. Er kommt an der Schelmengasse vorbei, er wendet im Gehen den Kopf zur Seite, schaut in diese Gasse und sieht: Ist das so okay für dich? Sag ja nichts. Und sieht: Eine Horde Kinder, acht, neun Stück 1 . Mit Tornister auf dem Rücken, lachend, krakeelend, sich neckend, eindeutig auf dem Weg nach Hause. Von der Schule. Und im Gehen trifft sein Blick, begegnet sein Blick dem Blick von Luisa Schwerte, zehn Jahre alt, blond, Sommersprossen, Blumenkleidchen. 1 Es sind genau neun Stück: Jan Färber, Julian Frank, Pepe Neu, Paul Haffel, Arthur Herz, sowie die vier Mädchen Luisa Schwerte, Jana Lorgenberg, Maya Habbel und Clara Volz.
13. 13. Melinda Henske vor einem leeren Blatt Papier. Sie schlackert den geliehenen Kuli zwischen Zeigefinger und Ringfinger der rechten Hand. Es will nicht. Was: Es? Vor ihr zwei leere Kaffeetassen. Braune Reste getrockneten Milchschaums am oberen Rand. Im Radio kommt: Starship – Nothing´s gonna stop us now. Melinda kennt das Lied, kann es sogar mitsummen, könnte aber weder Interpret noch Titel nennen. KELLNER Noch einen Kaffee? MELINDA Haben Sie auch Tee?
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Über den Autor
Über das Stück
Impressum
Am Ende dieser Geschichte gibt es einen Toten.
2. Juli, 8.17h morgens.
Auf der Staatsstraße 2154 zwischen Fahrbach und Eslarn, nahe der tschechischen Grenze, nähert sich Frederick Kaufmann dem Ort Randhausen.
Frederick Kaufmann ist Mitte dreißig.
Dreiunddreißig.
Er trägt einen Koffer bei sich, ohne Rollen.
Er schwitzt.
Und er macht einen verärgerten Eindruck.
FRED
Da fährt nicht mal ein Bus in dieses bekackte Dorf! Kackdorf!
Frederick Kaufmann schimpft/
FRED
Ich sage euch was, das hier wird noch/
Aber! Es hört niemand.
FRED
1
Wenn im Wald ein Baum umfällt und keiner ist da, der es hört, macht der dann Krach?
Was man allerdings hört, und Frederick Kaufmann ganz besonders, ist der aufgebohrte Auspuff eines VW Passat CC, der aus Richtung Fahrbach, Amberg, Nürnberg nach Randhausen brettert. Viel zu schnell. Fast ungehalten.
FRED
Das Kennzeichen habe ich mir gemerkt!
Das Kennzeichen hat er sich gemerkt.
1Falls Frederick Kaufmann jetzt etwas sagt, ist es wirklich nicht zu hören!
9:42h.
Im Unterholz zwischen Fahrbach und Randhausen, walzt auf einer kleinen Lichtung, nahe einer Dickung ein Rehricken etwa zwei Quadratmeter Heu platt, legt sich auf die Seite und bringt nach 9,5 Monaten Tragezeit zwei Kitze zur Welt.
Normalerweise gebären Rehe ihre Jungen doch in den Monaten Mai und Juni?
Witterungsabhängig können sie aber durch sogenannte Keimruhe in Jahren mit spätem Frühling die Geburt äsungsabhängig verschieben.
Die pausieren quasi die Schwangerschaft?
Nicht nur quasi.
Kurz vor 10/
9.57h.
9.57h erreicht Frederick Kaufmann den Ort Randhausen. Die Szene erinnert an einen Spaghettiwestern: Ein Marktplatz, Hitze, Leere, Stille. Ein Fremder. (Also Frederick Kaufmann.)
Fehlen noch diese Strohballen.
Was für Strohballen?
Die so rumkugeln. Die so ... chuuuh ... Strohhexen heißen die, glaube ich.
Die heißen nicht Strohhexen.
Sondern?
Steppenläufer.
Was?
Die heißen Steppenläufer. Englisch: Tumbleweed. Deutsch: Steppenläufer.
Klugscheißer.
Nein. Steppenläufer.
Ist ja auch egal.
Ist nicht egal. Die heißen so.
Doch, ist egal. Gibt es eh nicht. In Randhausen, bei Fahrbach.
Also: 2. Juli, 10.03h.
Frederick Kaufmann auf dem Marktplatz von Randhausen.
Was macht er da?
Weiß nicht ... Monolog?
Aber ein sehr leiser Monolog.
Vielleicht ... innerer Monolog.
FRED
Das scheint auf den ersten Blick ein ganz normales Dorf zu sein. Da die Post, eine Bäckerei, ein Gemüseladen. In der Mitte ein Springbrunnen, der/
Frederick Kaufmann sieht auf die Uhr
FRED
Jetzt automatisch eingeschaltet wird.
Was er zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht wissen kann.
FRED
Sieht nicht so aus, als ob irgendjemand auf mich gewartet hätte. Aber ich bin da. Hier. Genau hier. Ich bin unter euch. Auch wenn ihr es noch nicht wisst, aber: Ich bin da!
-
Fertig?
Beinahe wäre diese Szene, in all ihrer Unaufgeregtheit ungesehen verstrichen, wenn nicht Inge Kohlstett (57) gerade in jenem Augenblick Karotten in die dafür vorgesehene Holzkiste im Inneren ihres Gemüseladens verräumt hätte, wobei ihr Blick durch die Scheibe auf den Fremden mit dem Koffer fällt.
Inge Kohlstett sagt nichts. Weder zu sich, noch zu den Karotten. Sie kräuselt aber ihre Lippen auf eine Weise, wie es nur die Kohlstetts können.
Weitaus spektakulärer: Im selben Moment, in dem Inge Kohlstett ihre Lippen kräuselt und Frederick Kaufmann leicht zusammenzuckt, weil vor ihm plötzlich der Springbrunnen anfängt zu sprudeln, erhebt sich das eine der beiden Kitze, die vor kaum einer halben Stunde das Licht der Welt erblickten, und setzt wackelig einen Huf vor den anderen.
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