CATHRINE. Ey! schämen sie sich doch, Herr Obrister! Sie dencken gewiß, wir sind wie das Orthodoxe Frauenzimmer, welches nichts anders weiß, als den Catechismum und die Gebethe. Uber diese Kleinigkeiten sind [36]wir längstens weg. Hätte ich nur eines von der Frau Glaubeleichtin ihren Büchern hier, so wollte ich ihnen Stellen aufschlagen, daran sie bis Morgen Abend genug zu lesen hätten.
HERR WACKERMANN. Gut! wenn aber eure Herren die Stellen übel auslegen?
FRAU GLAUBELEICHTIN. Das werden sie mir wohl nimmermehr beweisen.
HERR WACKERMANN. Sie haben Recht. Denn da ich kein so grosser GOttes-Gelehrter bin, als sie; so kan ich sie freylich nicht überzeugen. Aber ich weiß doch, daß eine grosse Menge anderer GOttes-Gelehrten, welche wenigstens eben so geschickt sind, als die ihrigen, dafür halten, daß diese Stellen übel verstanden werden; und mich dünckt, dieß wäre allein genung zu ihrer Überzeugung.
FR. GLAUBELEICHTIN, (spöttisch lächelnd.) Das werden mir schöne GOttes-Gelehrten seyn! Ha! ha! ha! ha! Die schwülstigen rasenden Calovianeretwan?
HERR WACKERMANN. Wie Frau Schwester? Alle unsere GOttes-Gelehrten, alle Theologische Facultäten, unsere Lehrer, unsere Prediger sollten, ausser einer geringen Anzahl Heuchler, schwülstige und rasende Calovianer seyn?
FRAU GLAUBELEICHTIN. Ey! ey! das waren wieder schöne Leutchen.
CATHRINE. Warum nehmen sie nicht auch den Doctor Luther noch darzu, mit seinem gantzen Anhange? Ho! ho! ho! ho!
FRAU GLAUBELEICHTIN. Cathrine! was sagst du darzu?
CATHRINE. Gewiß, Madame, ich glaube, daß sie alleine [37]zwantzig Orthodoxen GOttes-Gelehrten die Wage halten, und ihre übrigen Freundinnen nach Proportion. Was mich betrifft; so müste es gewiß sehr schlecht seyn, wenn ich nicht wenigstens so gut wäre, als ein halb Dutzend solcher Herren. Wenn wir nun so rechnen wollen; so haben wir die meisten GOttes-Gelehrten auf unserer Seite.
HERR WACKERMANN. Wahrhafftig! ihr seyd alle beyde närrisch! Ich bedaure euch!
FRAU GLAUBELEICHTIN. Ach! wir sind närrisch. Ha! ha! ha! Cathrine, wir sind närrisch! was sagst du doch darzu? Er bedauret uns. Ach Herr Bruder! was wir sagen, das übersteiget ein wenig die Fähigkeit eines Soldaten: Wenigstens müssen sie mit uns keinen Streit anfangen. Wie würden sie nicht erschrecken, wenn sie in unsern Versammlungenmanche Frau hören sollten, wenn sie ihre Gedancken von der Reinigkeit der allerersten Kirchen Lehrer, und von der Christlichen Sitten-Lehre ihre Gedancken auslässt. Kommen sie doch nur einmahl herein: Und denn sagen sie, ob wir die Theologie verstehen, oder nicht?
HERR WACKERMANN. Potz tausend! das will ich thun. Die Sache ist sehenswerth, denn sie kömmt nicht ofte vor. Ich will gewiß hinein kommen. Ich wollte zwar in die Comödie gehen; allein ich werde nichts dabey verliehren. Die wackern Orthodoxen werden gewiß von euch nicht verschonet werden; und GOtt weiß, wie es dem armen Fechtenund Wernsdorffengehen wird.
FR. GLAUBELEICHTIN, (fällt in Ohnmacht.) Ach Cathrine! halt mich! Ach! – – – Ach! – – – ich sterbe! – – –
CATHRINE. Zum Hencker! wen haben sie da genennt! Sie [38]hätten lieber den Beelzebub und seine Engel ruffen mögen. Da bleibt mir die arme Frau unter den Händen todt.
HERR WACKERMANN. Wie denn? bey Fechtens und Wernsdorffs Nahmen fällt sie in Ohnmacht?
CATHRINE. Allerdings! Sie thut es allezeit. Diß ist schon das drittemahl.
HERR WACKERMANN. Ja! das weiß ich nicht. Bestreichet sie geschwinde mit Ungarischem Wasser: Da habt ihr welches.
CATHRINE. O! das hilfft gar nichts. Dieß ist ihre Artzeney! Schreyen sie brav mit mir: (Sie schreyt.) Arnold! Petersen! Lange! Gichtel! Francke! Tauler! Gnade! Wiedergebuhrt! Der innere Funcke! Die geistliche Salbung! Zum Hencker! so schreyen sie doch mit.
HERR WACKERMANN. Ich glaube, ihr seyd rasend.
CATHRINE. Nein, nein, mein Herr Obrister; sie werdens sehen, daß sie wieder zu sich kommt. (Sie schreyt:) Die Gnade! der innere Mensch! der heilige Jacob Böhme! Sehn sie! sehn sie! sie erholt sich.
FR. GLAUBELEICHTIN, (richtet sich auf.) Ach, Herr Bruder! ich entschuldige ihre Unwissenheit! Aber hüten sie sich ins künfftige.
HERR WACKERMANN. Ich bitte sie um Verzeihung, Frau Schwester. Ich wuste nicht, daß Werns- – – Potz tausend! bald hätte ich mich wieder verredet.
CATHRINE. Nun! Madame, wie ists?
FRAU GLAUBELEICHTIN. Es wird wohl vergehn. Nun, Herr Bruder! ich erwarte sie in einer halben Stunde in unserer Versammlung. Und du Cathrine schicke zum Herrn Magister Scheinfromm und lasse ihn herbitten. [39]Ich hoffe, er wird mir die Luise zu rechte bringen helffen. (Geht ab.)
HERR WACKERMANN. Ich gehe auf die Post! Man hat mir gesagt, daß von meinem Bruder Briefe an mich wären. Wollte GOtt, daß er mir seine Zurückunfft berichtete! Denn dieß ist ein verlohrnes Hauß, wo er nicht bald wiederkömmt. (Geht ab.)
[40]AndereHandlung.
Erster Auftritt.
Herr Liebmann, Cathrine.
CATHRINE. Nun! sie wollen gewiß meine Jungfer sprechen? Nicht wahr?
HERR LIEBMANN. Ist das noch eine Frage?
CATHRINE. Vergebliche Mühe! überflüssige Sorgen! Ach! ihr armen Verliebten, wie übel geht man mit euch um!
HERR LIEBMANN. Was wollt ihr denn damit sagen?
CATHRINE. Damit will ich so viel sagen: Daß sich meine Frau ihrer Heyrath je mehr und mehr widersetzt.
HERR LIEBMANN. Hat denn Herr Wackermann nicht mit ihr gesprochen? Er hat mirs ja zugesagt.
CATHRINE. Er ist hier gewesen; Er hat mit der Frau Glaubeleichtin gesprochen; Er hats ihr vorgetragen; aber – – –
HERR LIEBMANN. Nun! und hat nichts ausgerichtet?
CATHRINE. Nichts, gar nichts. Ja, ich habe gar erfahren, daß meine Frau auf einen andern Freyer vor ihre Tochter denckt.
HERR LIEBMANN, (gantz erschrocken.) O! wenn es so gehen soll, so werde ich auch wissen, was ich thun soll.
CATHRINE. Nun! was wollten sie wohl thun?
HERR LIEBMANN. Ich will meine geliebte Luise aus ihrer Sclaverey befreyen.
CATHRINE. Wie? wollen sie sie entführen?
[41]HERR LIEBMANN. Warum nicht? Mit einem Worte: Es ist meine Frau; und ich bin gewiß, der Obriste Wackermann wird mir nicht zuwider seyn.
CATHRINE. Ja; aber meine Jungfer wird nimmermehr – – –
HERR LIEBMANN. Ich will sie selbst darum bitten; ich hoffe, sie wird sich bewegen lassen.
CATHRINE. Sie hoffen gewiß sehr viel.
HERR LIEBMANN. Ach! ich bitte euch, helfft uns doch! Oder hindert uns nur wenigstens nicht in unserm Vorsatze. Seht! da schencke ich euch den Ring.
CATHRINE. Ach! sie machen mich gantz weichhertzig. Ich sehe wohl, daß man sich ihrer annehmen muß. Aber hüten sie sich, daß Frau Glaubeleichtin sie nicht bey Jungfer Luischen sieht. Gehen sie geschwind hinein: Es kömmt jemand. (Geht ab.)
Herr Mag. Scheinfromm, Cathrine.
HERR SCHEINFROMM, (mit einer andächtigen Mine und Stimme.) Guten Tag, mein liebes Kind! Wie befindet man sich hier?
CATHRINE. Sehr wohl. Frau Glaubeleichtin verlangt sehr nach ihnen.
HERR SCHEINFROMM. Sie hat mich in meinen Bethstunden gestöret. Wisset ihr nicht, warum sie mich hat hohlen lassen?
CATHRINE. Sie spricht: Der Herr Scheinfromm soll ihr helffen die Jungfer Luischen bekehren.
[42]HERR SCHEINFROMM. Wie? hat sie sich worinnen vergangen?
CATHRINE. Frau Glaubeleichtin denckt es; weil dem armen Kinde endlich die Zeit lang wird, daß man ihre Hochzeit so lange aussetzet.
HERR SCHEINFROMM, (beyseite.) Aha! ich mercke es! da habe ich was ich wollte. (Laut:) So will sie denn gerne bald verheyrathet seyn?
CATHRINE. Ach! je eher, je lieber. Wenn der Herr Magister die Mama bereden könnte, die Sache zu beschleunigen, so würde man ihnen ungemein verbunden seyn.
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