CATHRINE. Gelindigkeit? Ja! man verlasse sich nur darauf!
JUNGFER LUISCHEN. Zwey Jahre bin ich schon dem Herrn Liebmann verlobt; gleichwohl habe ich kaum die Erlaubniß ihn zu sprechen. Ich sehe niemanden, als allerley Arten von Heuchlern, Canditaten, Magisters, und lächerliche Beth-Schwestern. Zu Hause schwatzt man von [19]lauter Orthodoxen und Ketzermachern; gehe ich aus, so muß ich eben wieder solch Zeug anhören. Du weist, daß ich der Mama zu gefallen Speners Predigten vonder Wiedergeburt, und so viel anderes Zeug, gantz auswendig gelernet habe. Ich habe mich bisher gestellt, als wenn ich mit ihr einer Meinung wäre; damit ich sie nur gewinnen möchte: Aber nun bin ichs auch überdrüßig. Ich kanns nicht länger aushalten! Und wo mein Vater nach seiner langen Abwesenheit nicht bald wieder kömmt, und allen diesen Verwirrungen ein Ende macht; so – – –
CATHRINE. O ja doch! Sie ist gewiß von den Leuten, die was rechts unternehmen. Sie hat ja nicht das Hertze der Mama ein Wort zu sagen.
JUNGFER LUISCHEN. Es ist wahr! Aber nun habe ich mir es vorgesetzt: Ich will nicht länger heucheln! Ich will ihr meine Meinung sagen, und wanns noch heute wäre.
CATHRINE. Ich muß gestehen, daß ihr Herr Vater sehr unbillig handelt, daß er uns so lange Zeit dem Eigensinne seiner närrischen Frauen überlässt. Er hat sie verlobet: Sie soll die Hochzeit vollziehen, indessen reiset er seiner Geschäffte wegen nach Engelland. Der liebe GOtt sey mit ihm! Mich dünckt aber er wird bey seiner Wiederkunft sehr erschrecken, wenn er sie noch ledig, und sein Haus in diesem schönen Zustande finden wird. Sein Keller ist zur Buchdruckerey; seine Böden sind zu pietistischen Buchläden; und seine Zimmer zu Winckel-Kirchen geworden. Wie wird er nicht erstaunen, wenn er einen Hauffen begeisterter Böhmistenund Quäckerfinden, und seine Frau als eine Päbstin unter ihnen sitzen sehen wird. Die Laquaien selbst zancken sich schon über die dunckeln Schrifft-Stellen; und ich hörte nur noch [20]neulich, daß der Kutscher seine Pferde vor Orthodoxenschalte; weil er kein ärger Schimpf-Wort wuste.
JUNGFER LUISCHEN. Aber du selbst schmeichelst der Mama am allermeisten in dieser Thorheit.
CATHRINE. O! davon habe ich meinen guten Nutzen. Die Mama traut mir. Es wirfft allerley ab; und ich kriege selbst ein Ansehn im Spiele. Glaubt sie wohl, daß Herr Magister Hängekopf mit mir schöne thut? und daß die Schuld nicht an ihm liegt; wenn ich keine handgreiffliche Ketzerey begehe. Aber GOtt sey Danck! Ich bin sehr Orthodox auf meine Ehre!
JUNGFER LUISCHEN. Du bist nicht klug! was meinst du aber von meiner Schwester? mich dünckt sie sucht der Mama meine Heyrath aus dem Sinne zu reden.
CATHRINE. Sollte nicht etwas Neid mit unterlauffen? Vielleicht wohl gar einige Neigung gegen den Herrn Liebmann.
JUNGFER LUISCHEN. Was sagst du? Meine Schwester ist so tugendhafft! Sie ist mit lauter Religions-Zänckereyen beschäfftiget. Es scheint, daß sie die Welt recht ernstlich hasset. Sie kan sich ja kaum entschliessen einen Fischbein-Rockzu tragen.
CATHRINE. Das ist wahr! Aber die strengste Tugend hat ihre schwache Seite.
JUNGFER LUISCHEN. Mich tröstet die Hoffnung, daß mein Vater bald wieder kommen wird.
CATHRINE. Er wird ja freylich bald kommen müssen: Und es heist auch in dem letzten Briefe: Er würde mit ehesten eintreffen.
JUNGFER LUISCHEN. Wenn er aber nicht käme? Könnte nicht auch mein Vetterdie Mama bewegen, daß sie [21]meine Heyrath vollzöge? Er hat mir versprochen, noch heute mit ihr davon zu sprechen. Was meinst du?
CATHRINE. Wer? der Herr Vetter Wackermann? Nein, Jungfer Luischen! Herr Wackermann ist ein Officier, ein redlicher, vernünfftiger, verständiger Mann, der mit ihrer Mama – – – nur klug und vernünfftig redet: Aber damit nimmt sie kein Mensch ein! Doch ich muß gehen.
JUNGFER LUISCHEN. Höre doch! Es fällt mir ein, ob wir nicht den Herrn Scheinfromm gewinnen könnten? Er gilt viel bey der Mama.
CATHRINE. Ja! das weiß ich! aber trau sie ihm nicht. Die Mama thut nichts, als was dieser heilige Mann ihr einbläset: Es ist also sehr wahrscheinlich, daß er wohl gar selbst die Ursache ihrer verzögerten Hochzeit ist. Wer weis, was er für einen Nutzen darunter sucht? Er hat einen Vetter.
JUNGFER LUISCHEN. Nun? Er hat einen Vetter?
CATHRINE. Geb sie acht! Er hat sich wohl gar in den Kopf gesetzt, daß sein Vetter ihr Mann werden soll: Und wenn er es erst beschlossen hat; an der Mama wird es nicht fehlen. Denn es ist erschrecklich, der Mensch hat keine Verdienste, er hat keinen Verstand, es ist gar nichts an ihm: Und er hat mit seinen heuchlerischen Mienen und Reden die Frau so eingenommen. Dem sey wie ihm wolle; Ich mercke daß er seit einiger Zeit gegen mich sehr höfflich thut. Vielleicht hat er mir etwas zu entdecken. Ich wills abwarten. Aber stille! Da kömmt ihre Mama mit der Jungfer Schwester.
Frau Glaubeleichtin, Jungfer Dorchen, Jungfer Luischen und Cathrine.
FRAU GLAUBELEICHTIN. Nun Cathrine! du bringst uns keine Antwort?
CATHRINE. Ach es geht viel neues vor!
JUNGFER DORCHEN. Sags doch geschwinde!
CATHRINE. Es steht sehr schlecht mit der Orthodoxie.
FRAU GLAUBELEICHTIN. Das glaube ich wohl; aber wie?
CATHRINE. Man sagt, etliche HällischeJuristen – – –
JUNGFER DORCHEN. Nun die Hällischen Juristen?
CATHRINE. Man sagt, die Hällischen Juristen haben eine neue Schrifft wider sie heraus gegeben.
JUNGFER DORCHEN. Ey! Mama, das ist schön! das ist schön! Nun werden die Wittenbergeranders pfeiffen müssen.
CATHRINE. Noch viel ärger! man sagt, die Mediciner werden sich auch drein mengen, und man will die Land-Pachter zu Richtern annehmen.
FRAU GLAUBELEICHTIN. Das hat keine Noht! die Juristen werdens schon machen. Aber wo hast du das gehört?
CATHRINE. Der dicke Geistliche, da – – – der so wider die Schrifft- und Bibel-Theologiepredigt – – – je! der so lustig ist – – – Herr – – – Herr Weinfaß hats mir gesagt.
FRAU GLAUBELEICHTIN. Gut, gut! da haben wir in unserer Zusammenkunfft wieder was zu plaudern. Ist dirs nicht lieb Dorchen?
JUNGFER DORCHEN. Ungemein! liebe Mama!
FRAU GLAUBELEICHTIN. Und dir Luischen?
[23]JUNGFER LUISCHEN. Ja! Mama!
FRAU GLAUBELEICHTIN. Was hast du mehr gehört Cathrine?
CATHRINE. Man sagt, die Wächter haben diese Nacht auf der Lestadie1 einen Geistlichen zu packen bekommen, den man für einen Priester aus dem Löbenichtgehalten hat.
FRAU GLAUBELEICHTIN. Verzweifelt! seht! das sind Leute! der wird was schönes im Wercke gehabt haben.
CATHRINE. Es hat sich aber befunden, daß er aus dem Collegio Fridericianogewesen.
FRAU GLAUBELEICHTIN. Ach der arme Mensch! Er hat gewiß ein gottseelig Vorhaben gehabt! Hast du nicht den Herrn Scheinfromm gesehen?
CATHRINE. Ja! Er hat sich die Nacht schlecht befunden, weil er gestern Abend die drey ersten Seiten aus Neumeisters Priesterlichen Lippengelesen hat.
FRAU GLAUBELEICHTIN. Der heilige Mann! Warum liest er auch solch armseeliges Zeug?
CATHRINE. Heute befindet er sich schon besser. Wie ich kam, saß er eben mit zwey andern strengen heiligen Geistlichen bey einem guten Früh-Stücke.
FRAU GLAUBELEICHTIN. Der Mann ist wohl ein rechtes Vorbild der ersten Gläubigen, der Herr Scheinfromm! Er hat mir zuerst die Lehren von Natur und Gnade, und vom innern Wesen der Ichheitbeygebracht. Er hat mich gelehrt, wie man allezeit mit Sanftmuth und Gelindigkeit reden, wie man den Frieden lieben, und die Salbung des Geistes schmecken soll, welche in den Schrifften [24]unserer Hällischen Männer GOttes befindlich ist. Gewiß! der Mann besitzt den Geist der ersten Kirche in einem hohen Grad! Doch ihr kennt ihn alle. Wo bist du mehr gewesen?
CATHRINE. Ich habe die Frau Plappergern gesprochen, welche einen neuen Krafft- und Kern-Catechismum für ihr Haus verfertigt. Ich bin bey der Frau Zanckenheimin gewesen, welche eben mit einem Magister disputirte. Frau Seuffzerin saß mit einem Geistlichen beym Nacht-Tische. Herr Magister Trincklieb gieng eben ins Weinhaus; und Herr Magister Klapperstorch untersuchet eine Wittenbergische Disputation. Sie lassen sie alle schönstens grüssen, und werden bald in der Zusammenkunfft erscheinen. Ich habe auch den Herrn Obristen Wackermann, ihren Herrn Schwager, angetroffen; er fragte mich: Ob sie diesen Morgen zu sprechen wären? Ich glaube, er wird auch kommen.
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