Das Übertragbarkeitskriterium schließt lediglich diejenigen Vermögenswerte aus, die personengebunden sind, also an der Person des Kaufmanns haften,184 oder im Allgemeingebrauch185 stehen. So kann etwa ein Zuschuss zum Bau öffentlicher Straßen (Wegebeitrag) nicht „mit dem Betrieb übertragen werden“, sofern die Nutzung der öffentlichen Straße nicht nur dem Zuschussgeber, sondern auch allen anderen Verkehrsteilnehmern zusteht.186 Wird hingegen ein Kanalanschlusskostenbeitrag geleistet, mit dem das Unternehmen ein Sondernutzungsrecht erwirbt, ist die Übertragbarkeit gegeben.187 Hierfür spricht auch, dass das exklusive Einleitungsrecht im Falle einer Unternehmensübertragung zurückbehalten werden könnte.188
b) Anwendung auf den Fall: Prüfung des Domain-Namens hinsichtlich des Greifbarkeitsprinzips
Bei einem Domain-Namen handelt es sich – wie bereits ausgeführt – nicht um ein gewerbliches Schutzrecht, „da der Inhaber eines Domain-Namens an der Domain kein absolutes Recht erwirbt“189. Gleichwohl ist der Domain-Name mit einem solchen Schutzrecht nach der Rechtsprechung inhaltlich vergleichbar.190 Denn aufgrund der technischen Gegebenheiten kann die DENIC jeden Domain-Namen nur einmal vergeben. In Anbetracht dessen wäre die Greifbarkeit nach der Typisierungsvermutung der älteren BFH-Rechtsprechung gegeben.
Da Domain-Namen nicht direkt zwischen Vertragsparteien gehandelt werden können, sondern zunächst der bisherige Inhaber seinen Registrierungsvertrag bei der DENIC kündigen und der von ihm benannte Dritte der DENIC einen Auftrag zur Registrierung erteilen muss, spricht der BFH von einem „abgeleitete[n] Erwerb“191. Diese „Dreieckskonstruktion“ unterscheidet sich von der Übertragung von Vertragsarztzulassungen im Rahmen von Praxisveräußerungen192, weil die DENIC – anders als die kassenärztliche Zulassungsstelle – nach den soweit maßgeblichen rechtlichen Vorgaben dazu verpflichtet ist, den neuen Registrierungsvertrag mit dem benannten Dritten (und nicht einer anderen Person) abzuschließen193. Der Fall ist hingegen vergleichbar mit dem Transfer von Lizenzspielern in der Fußball-Bundesliga, da dort der Liga-Ausschuss bei Zustandekommen eines wirksamen Ablösevertrags zwischen zwei Vereinen (ebenfalls) die Spielerlaubnis zwingend zu erteilen hat194. Gemäß BFH hat der Domain-Inhaber „damit eine Rechtsposition inne, über die er […] wirtschaftlich frei verfügen kann“195. Auch die nach der neueren Rechtsprechung im Mittelpunkt stehende Konkretisierung der Greifbarkeit durch die Übertragbarkeit ist im vorliegenden Fall erfüllt.
3. Prinzip der selbstständigen Bewertbarkeit als weiteres Objektivierungsprinzip
a) Prinzip der selbstständigen Bewertbarkeit in den handelsrechtlichen GoB
aa) Bedeutung des Prinzips der selbstständigen Bewertbarkeit
Um dem Objektivierungsprinzip gerecht zu werden, muss ein Vermögenswert selbstständig bewertbar sein,196 wobei sich Greifbarkeit und selbstständige Bewertbarkeit grundsätzlich nicht gegenseitig bedingen197. Das Prinzip der selbstständigen Bewertbarkeit folgt aus dem Einzelbewertungsprinzip198 (§ 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB) und verlangt die Abgrenzbarkeit des Vermögenswerts vom Geschäfts- oder Firmenwert der Höhe nach.199 Ist ein vom Geschäfts- oder Firmenwert abgrenzbarer Wert nicht ersichtlich, geht der Vermögenswert in diesem auf.200
bb) Konkretisierung der selbstständigen Bewertbarkeit: enges und weites Verständnis
Folgt man einer strengen Auslegung des Prinzips, ist es notwendig, Zugangs-, Folge- und Abgangswerte bestimmen zu können.201 Die Grenzen dieser Sichtweise werden jedoch bereits bei der Betrachtung des Gliederungsschemas des § 266 Abs. 2 HGB aufgezeigt. Bilanzposten, wie bspw. „Konzessionen, gewerbliche Schutzrechte und ähnliche Rechte und Werte“, ebenso wie der „Geschäfts- oder Firmenwert“, die der Gesetzgeber explizit nennt, würden bei einer strengen Auslegung des Prinzips nicht aktivierungsfähig sein.202 Die Rechtsprechung legt das Kriterium weiter aus und lässt für die Abgrenzung eine „griffweise Schätzung“203 ausreichen.204 Ausreichend ist eine Schätzung, die „im Bereich des Möglichen“ liegt.205 Lediglich, „wenn es an jeglichem Anhaltspunkt für die Bemessung fehlt“206, ist eine objektive Schätzung nicht möglich. Dieser weiten Auslegung des Kriteriums wohnt grundsätzlich eine schwache Objektivierung inne.207
Während sich die selbstständige Bewertbarkeit einzeln erworbener Vermögenswerte meist durch den gezahlten Kaufpreis nachweisen lässt, ist die wertmäßige Abgrenzung vom Geschäfts- oder Firmenwert bei im Rahmen von Unternehmenszusammenschlüssen erworbenen Vorteilen oftmals problematisch. Bspw. verneinte der BFH die selbstständige Bewertbarkeit einer Vertragsarztzulassung im Zusammenhang mit einem Praxiserwerb: „Eine gesonderte Bewertung des Vorteils aus der Zulassung [komme …] aus Gründen der Praktikabilität nicht in Betracht, weil ein sachlich begründbarer Aufteilungs- und Bewertungsmaßstab nicht ersichtlich ist“208. Bei im Rahmen von Unternehmenskäufen übertragenen Kundenstämmen bejahte der BFH in der Vergangenheit die selbstständige Bewertbarkeit nur dann, wenn für die Kundenstämme ein gesondertes Entgelt vereinbart wurde209 oder wirtschaftlicher Hintergrund der Unternehmensübertragung die Erlangung des Kundenstamms war und somit der gesamte Kaufpreis den Anschaffungskosten des Kundenstamms zugerechnet wurde210.
b) Anwendung auf den Fall: Prüfung des Domain-Namens hinsichtlich des Prinzips selbstständiger Bewertbarkeit
Findet ein Unternehmensverkauf statt, bei dem ein Domain-Name zur getrennten Verwertung zurückbehalten wird, oder wird lediglich ein Domain-Name veräußert, so ist dieser eindeutig vom Unternehmenswert trennbar, eine Zugangsbewertung folglich unproblematisch. Die selbstständige Bewertbarkeit wird – wie im vorliegenden Fall – durch das gezahlte Entgelt bekräftigt. Die Prüfung der Vermögensgegenstandskriterien tritt durch das Vorliegen eines entgeltlichen Erwerbs jedoch nicht in den Hintergrund.211 Nur wenn ein greifbarer, selbstständig bewertbarer Vermögenswert vorliegt, kann der entgeltliche Erwerb einen Hinweis auf den wertmäßigen Ansatz in der Bilanz liefern.212
Problematischer gestaltet sich indes die selbstständige Bewertbarkeit eines Domain-Namens, der im Zuge eines Unternehmenskaufs erworben wurde. Wird ein Vermögenswert zusammen mit anderen übertragen, ist er selbstständig bewertbar, wenn sein Wert „als Unterschiedsbetrag zwischen dem (feststellbaren) Marktwert einer bestimmten Gesamtheit von Vermögensteilen und dem (ebenfalls feststellbaren) Marktwert anderer, in dieser Gesamtheit enthaltenen Vermögensteile“213 bestimmt werden kann. Dies ist regelmäßig der Fall bei einem derivativen Geschäfts- oder Firmenwert.214 In Analogie zum Kundenstamm wäre dies möglich, wenn ein gesondertes Entgelt für den Domain-Namen gezahlt wurde oder der gesamte Kaufpreis im Wesentlichen für den Domain-Namen gezahlt wurde.
4. Ergebnis nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Bilanzierung
Nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Bilanzierung ist im vorliegenden Fall ein Vermögensgegenstand gegeben. Das Vermögenswertprinzip sowie die objektivierenden Prinzipien der Greifbarkeit und der selbstständigen Bewertbarkeit sind erfüllt.
5. Fallergänzung: selbst geschaffene Vermögensgegenstände
a) Aktivierungswahlrecht für selbst geschaffene immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens
aa) Vorliegen eines Vermögensgegenstands
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