Als weiteres Kriterium eines immateriellen Vermögenswerts wird in IAS 38.8 die „Nicht-Monetarität“ genannt. Durch die Definition von monetären Vermögenswerten als „im Bestand befindliche Geldmittel und Vermögenswerte, für die das Unternehmen einen festen oder bestimmbaren Geldbetrag erhält“ (IAS 38.8), wird eine Negativabgrenzung vorgenommen.
(2) Anwendung auf den Fall: Prüfung des Domain-Namens hinsichtlich seines immateriellen Charakters
Im vorliegenden Fall besteht der Domain-Name sowohl aus einem physischen als auch einem nicht-physischen Element. Das nicht-physische Element, also der Domain-Name an sich/die Adresse im Internet, ist in diesem Fall wesentlicher Bestandteil; das physische Element, der Datenserver, auf dem der Domain-Name gespeichert ist, tritt mithin zurück.
Darüber hinaus ist das Kriterium der Nicht-Monetarität erfüllt, da es sich bei dem Domain-Namen weder um Geldmittel noch um einen Vermögenswert handelt, der einen Anspruch auf Geldmittel verkörpert. Der Domain-Name ist folglich zweifelsfrei als immaterieller Vermögenswert zu qualifizieren.
bb) Identifizierbarkeitsmerkmale
(1) Bedeutung und Konkretisierung des Kriteriums
Für die Definition eines immateriellen Vermögenswerts gemäß IAS 38.8 i.V.m. IAS 38.11 ist ferner die Identifizierbarkeit des entsprechenden Vermögenswerts notwendig. Sinn und Zweck der Beschränkung auf identifizierbare immaterielle Vermögenswerte ist gemäß IAS 38.11 die Abgrenzbarkeit vom Geschäfts- oder Firmenwert.244 Diese Abgrenzbarkeit lässt sich durch „Separierbarkeit“ (IAS 38.12(a)) oder die „Entstehung aufgrund vertraglicher oder sonstiger juristischer Rechte“ (IAS 38.12(b)) nachweisen.
Das Vorliegen von Separierbarkeit ist ein „wichtiges Indiz“245, nicht aber notwendige Voraussetzung in Bezug auf die eindeutige Abgrenzbarkeit vom Geschäfts- oder Firmenwert.246 Sie wird gemäß IAS 38.12(a) angenommen bei (hypothetischer) Verwertbarkeit des künftigen wirtschaftlichen Nutzens aus diesem Vermögenswert. Die Separierbarkeit wird bestätigt durch die Möglichkeit der Vermietung, des Verkaufs, des Tauschs oder des Vertriebs, einzeln oder gemeinsam mit einem Vertrag, einem anderen identifizierbaren Vermögenswert oder einer identifizierbaren Schuld. Die Übertragbarkeit nur zusammen mit einer wirtschaftlich selbstständigen Unternehmenseinheit oder dem gesamten Unternehmen reicht für die Separierbarkeit hingegen nicht aus.247
Nach dem sog. Contractual-Legal-Kriterium ist ein Vermögenswert bereits dann identifizierbar, wenn er durch ein vertragliches oder sonstiges gesetzliches Recht abgesichert ist, unabhängig davon, ob der Vorteil i.S.d. Separierbarkeitskriteriums einzeln oder im Verbund verwertbar ist.248
(2) Anwendung auf den Fall: Prüfung des Domain-Namens auf seine „Identifizierbarkeit“
Der gesonderte Erwerb des Domain-Namens im vorliegenden Fall belegt die Einzelverwertbarkeit; der Domain-Name ist folglich vom Geschäfts- oder Firmenwert zweifelsfrei separierbar. Das Kriterium der Identifizierbarkeit ist aber auch i.S.d. Contractual-Legal-Kriteriums gegeben, denn durch den Registrierungsvertrag mit der DENIC hat die Werbeagentur einen rechtlich durchsetzbaren Anspruch auf Nutzung des Domain-Namens.
Im Ergebnis liegen alle Definitionsmerkmale eines immateriellen Vermögenswerts i.S.d. IAS 38 vor.
c) Zusätzliche (kumulativ zu erfüllende) Kriterien für den Ansatz eines immateriellen Vermögenswerts
aa) Kriterium „Wahrscheinlichkeit des Nutzenzuflusses“
(1) Bedeutung und Konkretisierung des Kriteriums
Die gemäß IAS 38.21(a) geforderte Wahrscheinlichkeit des Nutzenzuflusses aus dem Vermögenswert249 muss auf Basis von „vernünftigen und begründeten Annahmen“ sowie der „bestmöglichen Einschätzung seitens des Managements“ (IAS 38.22) ermittelt werden.250 Vor dem Hintergrund des Objektivierungsprinzips wird dabei „externen substanziellen Hinweisen“ ein „größeres Gewicht“ (IAS 38.23) beigemessen als bspw. internen Einschätzungen.251
Bei einzeln erworbenen immateriellen Vermögenswerten besteht die typisierende Vermutung der hinreichenden Wahrscheinlichkeit des Nutzenzuflusses (IAS 38.25). Dieser Typisierung liegt die Annahme zugrunde, dass der Bilanzierende nur deshalb bereit ist, einen bestimmten Preis für das Gut zu zahlen, weil er einen Zahlungsmittelrückfluss in mindestens gleicher Höhe erwartet. Die gleiche Typisierungsvermutung gilt auch bei im Rahmen von Unternehmenszusammenschlüssen erworbenen immateriellen Vermögenswerten (IAS 38.33).
(2) Anwendung auf den Fall: Prüfung des Domain-Namens hinsichtlich des Kriteriums des wahrscheinlichen Nutzenzuflusses
Da es sich bei dem Domain-Namen um einen gesondert erworbenen immateriellen Vermögenswert handelt, ist die Wahrscheinlichkeit des Nutzenzuflusses typisiert erfüllt.
bb) Kriterium „Zuverlässige Bestimmbarkeit der Anschaffungs- oder Herstellungskosten“
(1) Bedeutung und Konkretisierung des Kriteriums
Bei einzelnen Anschaffungsgeschäften ist die zuverlässige Bewertbarkeit der Anschaffungs- oder Herstellungskosten gemäß IAS 38.26 „für gewöhnlich“ durch den Wert der hingegebenen Vermögenswerte (z.B. Zahlungsmittel) problemlos möglich. Im Fall des Erwerbs im Rahmen eines Unternehmenszusammenschlusses bestimmen sich die Anschaffungskosten eines immateriellen Vermögenswerts gemäß IAS 38.33 durch dessen beizulegenden Zeitwert im Erwerbszeitpunkt;252 dieser sei gemäß IAS 38.35 immer berechenbar, da bei Vorliegen der Identifizierbarkeitskriterien immer ausreichende Informationen zur zuverlässigen Bewertbarkeit zur Verfügung stünden. Damit sind bei Zugang immaterieller Vermögenswerte durch einen Unternehmenszusammenschluss beide allgemeinen Ansatzkriterien des IAS 38.21 stets typisierend erfüllt (IAS 38.33).
Gemäß IAS 38.40 reichen hypothetische Anschaffungskosten einer gedachten Transaktion zu regulären Marktbedingungen aus, die zudem gemäß IAS 38.41 durch „Verfahren der indirekten Schätzung“ ermittelt werden dürfen; dazu zählen, „soweit angemessen“, Bewertungen mithilfe von aktuellen marktorientierten Multiplikatoren sowie Bewertungsmodelle zum Barwert. Zwischen dieser denkbar schwachen Konkretisierung zuverlässiger Bewertbarkeit und dem Idealfall der Existenz eines aktuellen Angebotspreises auf einem aktiven Markt existiert eine Reihe von Möglichkeiten zuverlässiger Bewertbarkeit.
(2) Anwendung auf den Fall: Beurteilung der zuverlässigen Bestimmbarkeit der Anschaffungskosten des Domain-Namens
Im vorliegenden Fall sind die Anschaffungskosten des Domain-Namens durch das gezahlte Entgelt zuverlässig bestimmbar; das Kriterium ist mithin erfüllt.
Im Ergebnis erfüllt der Domain-Name sowohl die Definition eines Vermögenswerts als auch die zusätzlichen Ansatzkriterien des IAS 38. Folglich handelt es sich um einen aktivierungspflichtigen Vermögenswert.
4. Fallergänzung: selbst geschaffene immaterielle Vermögenswerte
a) Konkretisierung der allgemeinen Ansatzkriterien für selbst geschaffene immaterielle Vermögenswerte
Die allgemeinen Kriterien für den Ansatz immaterieller Vermögenswerte – die Wahrscheinlichkeit des Zuflusses künftigen Nutzens sowie die verlässliche Bestimmbarkeit der Anschaffungs- und Herstellungskosten – werden für die Zugangsart „Selbsterstellung“ in IAS 38.51–38.64 konkretisiert. Während der Forschungsphase gelten die beiden allgemeinen Ansatzkriterien typisierend als nicht erfüllt; in diesem Zusammenhang anfallende Forschungskosten unterliegen gemäß IAS 38.54 stets einem Aktivierungsverbot und sind sofort aufwandswirksam zu erfassen.253 Die Entwicklungskosten selbst geschaffener immaterieller Vermögenswerte sind bei Erfüllung weiterer Kriterien, bspw. der Fähigkeit der verlässlichen Bewertbarkeit der dem immateriellen Vermögenswert zurechenbaren Ausgaben, zu aktivieren (IAS 38.57).254
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