Unsere Regierungschefin gab ihrer Hoffnung Ausdruck, das möge auch so bleiben, denn die Aufgaben, vor denen wir als Bundesrepublik stehen, sind ja keineswegs kleiner geworden und die Probleme mit USA, Russland und China sind für alle Europäer und damit auch besonders für uns eine permanente Herausforderung!
Wir werden uns nur behaupten können, wenn wir geistige Eliten heranziehen und fördern – und zwar so viele wie irgend möglich! Kein Talent darf unentdeckt verloren gehen – das können wir uns schlichtweg als Land ohne Bodenschätze – außer ein bisschen Kohle, die aus Umweltschutzgründen sowieso keiner mehr will – nicht leisten.
Und, meine Freunde, das wollen wir auch nicht! Zum Glück ist es unseren Vätern vor dreißig Jahren gelungen, das Ruder gerade noch rechtzeitig herumzureißen, um der wachsenden Verblödung unserer Kinder und Jugendlichen zumindest partiell entgegenzutreten! Und zwar dergestalt, dass wir die anspruchs- und niveaulosen Lehrpläne, die wir vor allem linken Spinnern und sonstigen ›Heilsbringern‹ zu verdanken hatten, anstandslos der ›großen Masse‹ der Bevölkerung überlassen haben und für unsere lernwilligen und intelligenten Schüler ganz andere, den Geist tatsächlich fordernde Pläne auf den Tisch gelegt – und für die damals relativ wenigen Kinder auch durchgesetzt haben!
Sie erinnern sich sicher noch, was ein deutsches Abitur vor drei Jahrzehnten wert gewesen ist? Nichts, verglichen mit den Leistungen und dem Kenntnisstand von jungen Menschen anderer relevanter Staaten!
Selbst Länder Afrikas und Asiens, die man vor fünfzig, sechzig Jahren noch als ›Entwicklungsländer‹ eingestuft hat, hatten uns, was Wissen und Fertigkeiten junger Leute anbelangte, zu diesem Zeitpunkt bereits überflügelt. Hochschulprofessoren schlugen regelmäßig die Hände über dem Kopf zusammen, wenn sie mit den ›Leistungen‹ dieser Studienanfänger konfrontiert wurden.
Ja, meine lieben Mitstreiter, den Rückwärtsgang einzuschalten, um den Rutsch in den Abgrund aufzuhalten und noch rechtzeitig umzusteuern in eine Gesellschaft, die wusste, dass ihre einzigen Ressourcen in den Köpfen ihrer einzelnen Mitglieder liegen, die weiß Gott nicht nur aus Hilfsarbeitern oder Hartz-IV-Empfängern bestehen sollten, sondern die imstande waren, im großen Weltkonzert ein wichtiges Instrument zu spielen – das war nicht einfach!
Sie alle haben es noch erlebt und Sie haben auch daran mitgearbeitet, damit es klappte. Vielen Dank dafür!
All denen, die bestrebt gewesen sind, das intellektuelle Niveau unserer Kinder beständig zu senken und dabei die Kapazitäten ihrer Gehirne auf dem unheiligen Altar der sogenannten ›Inklusion‹ zu opfern bereit waren, haben wir, der andauernden Querelen und der dümmlichen Argumente, man dürfe Kinder nicht ›überfordern‹ und ›keinen zurücklassen‹, überdrüssig, ihnen sozusagen ›das Feld überlassen‹, auf dem sie sich seither darum bemühen dürfen, einen großen Teil der Kinder sich in einer angeblichen ›Wohlfühloase‹ der permanenten geistigen Unterforderung, nur ihren ›eigentlichen kindlichen Interessen‹ folgend, zu suhlen.«
Der Referent erntete zustimmendes Murmeln, Kopfnicken und vereinzelt war Klatschen zu hören.
»Ich danke Ihnen, meine verehrten Freunde! Damit kein falscher Eindruck entsteht, möchte ich betonen, dass wir natürlich nichts gegen die Inklusion körperlich Behinderter haben. Drei Prozent unserer derzeitigen Schüler sind physisch stark eingeschränkt.
Kein Problem bei uns! Wir alle werden uns noch an das großartige Genie Stephen Hawking erinnern, der den alten Lateinerspruch ›mens sana in corpore sano‹ aufs Augenfälligste ad absurdum geführt hat! Lassen Sie mich fortfahren, was die damals ›modernen, überaus humanen‹ Damen und Herren Pädagogen unter ›kindgerechtem Unterricht‹ verstanden haben und immer noch hochhalten:
Hausaufgaben? Eine Zumutung, viel zu stressig und absolut unnötig!
Sprecherziehung? Wozu denn? Es würde die jüngeren und älteren Schüler nur hemmen, sich ungeniert zu äußern, wenn sie sich nicht mehr in ihrem heimischen Dialekt oder ihrem gewohnten Kleinkindersprech ausdrücken dürften!
Außerdem würde man Migranten beleidigen, die noch nicht gut Deutsch können, wenn man sie ›oberlehrerhaft‹ verbessern würde. Was nebenbei gesagt dazu führte, dass die meisten Ausländer besser Deutsch konnten, als die Einheimischen. Aber ich will nicht abschweifen.
Rechtschreibung? Igitt! Wer braucht denn so was? Wir schreiben nach Gehör, frisch, fromm, fröhlich, frei, wie es uns gerade einfällt! Eine Zensur findet auf keinen Fall statt! Später (wann denn, bitte schön?) werden wir dann behutsam versuchen, den Kindern Rechtschreibung samt Groß- und Kleinschreibung (wobei die Großschreiberei eigentlich überflüssig ist!) und die noch lästigere Interpunktion näherzubringen. Also: Diktate: Fehlanzeige.
Aber so wichtig ist das nicht: Wer schreibt denn heute noch? Und wenn, dann ist bloß relevant, dass man noch irgendwie versteht, was gemeint ist!
Letzteres erfüllt meines Erachtens schon fast den Tatbestand eines Verbrechens, meine Damen und Herren! Nämlich an der Intelligenz unserer Nachkommen. Ich weiß, Sie sehen das genauso: Jeder vernunftbegabte Mensch weiß doch, dass Abläufe, die sich einmal verfestigt haben, also auch Fehler, nur sehr schwer, wenn überhaupt, zu revidieren sind. Aber, was soll’s?
Dann schreibt eben Hänschen Müller auch noch als Johann Müller: ›Das haus von mein fatter is gros.‹ Und von Margarete Meier, der Schwester meiner Zugehfrau, konnte ich in einem Beschwerdebrief ans Ordnungsamt lesen: ›Da hund fon meiner nachbarin laufte hinder meiner kaz Her und hat sie woln beisn‹, ganz so, wie sie es als Gretchen in der Schule auch zu Papier bringen durfte, ohne dass so ein besserwisserischer Pädagoge dagegen eingeschritten wäre.
Sei’s drum. Dafür haben die lieben Kinderchen eine schöne Kindheit, ohne Schulstress, ohne Noten: logisch! Und ohne demütigende Konkurrenz mit anderen Schülern. Schon blöd, wenn man merkt, dass andere schlauer sind als man selbst! Dafür: keine Demotivierung! Wovon eigentlich? Und ohne – und das ist am allerwichtigsten – lästige ›Verpflichtungen‹. Was für ein garstiges Wort! Und mit der Schulpflicht soll es auch nicht so genau genommen werden.
Was ist denn schon dabei, fragen die Damen und Herren von der human-fortschrittlichen Lehrerzunft, wenn Susanne mal keinen Bock auf Schule hat und stattdessen lieber mit ihren genauso dümmlich gestrickten Freundinnen irgendwo ›abhängt‹, um einfach mal während der Unterrichtszeit ungestört zu chillen, als sich von ihrer Lehrerin mit den Namen von den Hauptstädten unserer Bundesländer anöden zu lassen? Oder noch schlimmer: Womöglich so eine altmodische Geschichte von einem gewissen Bert Brecht – lebt der noch? Wer ist dieser uncoole Typ denn überhaupt? – lesen zu müssen, wo ›Lesen‹ nicht gerade zu ihren Lieblingsbeschäftigungen gehört? Warum überhaupt auf Schüler irgendeinen Zwang ausüben?
Pfui, aber auch! ›Druck erzeugt bloß Gegendruck‹ und gute Pädagogen wissen das selbstverständlich!
›Kinder brauchen Liebe und Verständnis und keine Gebote und schon gar keine Verbote!‹, lautet das Credo aller beschränkten Gutmenschen mit Lehrbefugnis – und von der Sorte gibt's leider viel zu viele. Und sie merken gar nicht, wie sie von den lieben Kleinen an der Nase herumgeführt werden und sich selbst jeglicher Autorität berauben, die sie natürlich ohnehin nur als schlimmes Instrument der Unterdrückung verachten: ›Kinder müssen sich ohne jede Einschränkung entfalten dürfen. Alles andere ist Körperverletzung, wenn nicht gar Vergewaltigung!‹
Dass dann die Gleichung sehr leicht lauten könnte: ›Null Einschränkung ist gleich Beschränktheit‹, weisen sie natürlich weit von sich.
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