Frank Kurella
Der Kodex des Bösen
Historischer Roman
DIE HÄUPTER DES HEILIGEN Neuss 1288. Der zum jungen Mann gereifte Marcus gerät in den Verdacht, die Reliquie des heiligen Quirinus aus dem Münster der Stadt Neuss gestohlen zu haben. Er hält gerade den sterbenden Priester, der die tatsächlichen Diebe überrascht hat, in seinen Armen, als zwei weitere Geistliche auftauchen. Mit letzter Kraft spricht der Sterbende einige rätselhafte Worte, die auf die Hintergründe des Raubes hinweisen, bevor Marcus die Stadt fluchtartig verlässt.
Frank Kurella, 1964 in Düsseldorf geboren, lebt heute in Neuss. Seit 2004 ist er als freier Autor tätig. Seine Publikationen haben stets einen Bezug zur Rheinischen Historie. »Der Kodex des Bösen« ist sein zweiter historischer Roman und die Fortsetzung zu seinem Debüt »Das Pergament des Todes«.
Bisherige Veröffentlichungen im Gmeiner-Verlag:
Das Pergament des Todes (2007)
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Alle Rechte vorbehalten
4. Auflage 2020
Lektorat: Katja Ernst
Herstellung: Susanne Tachlinski
Korrektorat: Claudia Senghaas, Susanne Tachlinski
Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart
unter Verwendung des Bildes »Vanitas-Stillleben« von Sebastian Stoskopff, visipix.com
ISBN 978-3-8392-3016-9
Mein besonderer Dank gilt Abt Friedhelm Tissen OSB aus der Abtei Kornelimünster, der mich in einigen klösterlichen Fragen beraten hat.
Dieses Buch ist ein Roman, und die darin geschilderten Ereignisse sind größtenteils frei erfunden. In besonderem Maße gilt das für Handlungen und Äußerungen der auftretenden oder erwähnten Personen, auch wenn einige von ihnen nicht der Fantasie des Autors entsprungen sind. Darüber hinaus sind Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen rein zufällig.
Am Ende des Romans finden Sie ein Glossar, das die lateinischen Begriffe des benediktinischen Ordenslebens erläutert.
Schloss Burg – im Jahre 1188
»Sagen wir 100 Kölnische Mark, verehrter Arnold.«
»Nur 100? Allein die Ländereien in Himmelgeist und Hongen sind diese Summe wert. Gut, meine Liegenschaften in diesem kleinen Dorf an der Dusel gebe ich Euch notfalls dazu, aber Monheim und Holthausen?« Arnold von Tyvern war den Tränen der Verzweiflung nahe. Graf Engelbert kannte seine finanzielle Misere und schien entschlossen, diese auszunutzen. Auf diese Weise hatte der Graf von Berg in den letzten Jahren sein Territorium Stück für Stück, Parzelle um Parzelle ausgeweitet. Die Grafschaft hatte sich rasch vergrößert, und es war ihm gelungen, unterhalb Kölns bereits bis an den Rhein vorzudringen. Jedoch bisher nur unterhalb Kölns.
Jegliche kriegerische Auseinandersetzungen waren dem Grafen verhasst. Vor allem wegen der damit verbundenen Kosten. Sein Geld für Zukäufe weiterer Ländereien zu verwenden, erschien ihm hingegen wesentlich sinnvoller, und so kam ihm die missliche Lage seines Verwandten sehr gelegen. Arnold von Tyvern war einst ein wohlhabender Mann gewesen. Doch eines Tages hatte er sich im Verborgenen der Alchemie und den magischen Kräften verschrieben. Seitdem war er an den einen oder anderen dubiosen Scharlatan geraten, der ihm sein Geld nur so aus den Taschen gezogen hatte. Anfangs war er mehr zufällig in einem Wirtshaus an einen Kerl geraten, der ihm redegewandt weisgemacht hatte, er könne aus einfachem Sand reines Gold gewinnen. Von Tyvern hatte ihm mit kindlicher Naivität geglaubt, dass er die Frucht seiner Gabe aus rein moralischen Gründen mit ihm teilen würde. Schließlich habe er ja das Talent aus göttlicher Hand empfangen und müsse dieses folglich auch im Sinne göttlicher Nächstenliebe verwenden, hatte der Kerl gesagt. Nachdem er aber eine beträchtliche Summe zur Beschaffung der erforderlichen Zutaten erhalten hatte, war er urplötzlich verschwunden. Auch die folgenden Alchemisten hatten alles andere als die erwünschte Vermehrung seines Vermögens gebracht, und so konzentrierte von Tyvern sein Bestreben schließlich auf das Erlangen ewigen Lebens. Das Einzige, das ihm aus diesen Jahren geblieben war, war eine stattliche Sammlung von Schriftrollen und Manuskripten mit zweifelhaften Zaubersprüchen und wertlosen Prophezeiungen. Seine Taschen und Münztruhen waren hingegen leer.
Aber vielleicht hatte er ja schon durch eine der mysteriösen Zeremonien ewiges Leben erlangt, ohne es zu spüren? Woran sollte er erkennen, ob er nicht ohne die teure Magie schon lange tot wäre? Schließlich lebte er ja noch. So tröstete er sich mit kindlicher Naivität über seine chronische Armut hinweg und sprach sich selbst Mut zu. Erst Jahre später wurde ihm schmerzlich bewusst, dass sich seine Hoffnung auf ewiges Leben nicht erfüllen würde.
»Verehrter Engelbert, so habt ein Einsehen. Wovon soll ich denn leben? Ich habe nicht einmal genug Heller für eine tägliche Ration Brot!«
»Daran soll unser Handel nicht scheitern«, erwiderte der Graf von Berg mit ruhiger Stimme. »Du erhältst neben der großzügigen Summe, die ich bereits nannte, das lebenslange Recht, hier auf Schloss Burg zu leben und zu speisen. – Jedoch mit der Dienerschaft, versteht sich.« Der Graf beobachtete aufmerksam die Miene seines Gegenübers. Würde dieser armselige Kerl nach dem letzten Strohhalm greifen, an dem er sich aus dem finanziellen Sumpf ziehen konnte?
»Nun, ja …«, stammelte dieser und schaute demütig zu Boden.
»Dann ist es also abgemacht?«, fragte der Graf mit fester Stimme.
Von Tyvern überlegte kurz, dann nickte er widerwillig. Verzweiflung und Wut waren auf seinem Gesicht zu erkennen.
»Mein Schreiber wird noch heute den Vertrag aufsetzen. Wendet Euch derweil an den Burgvogt. Er ist bereits über alles informiert und wird Euch in Eure neue Kammer geleiten.« Mit einer gönnerhaften Handbewegung schickte Graf Engelbert den Bezwungenen fort.
Zufrieden setze er sich in den hohen Lehnsessel neben dem Kamin und nahm einen großen Schluck Wein. Zurzeit waren die soeben erworbenen Ländereien und Siedlungsteile zwar noch nicht von bedeutendem Wert, doch mit Wehrtürmen oder gar Befestigungen versehen, würden sie eines Tages ein Bollwerk gegen Übergriffe aus dem Westen bilden. Ein Bollwerk gegen die kurkölnischen Truppen des Erzbischofs oder jeden anderen Angreifer, der aus dieser Richtung über den Rhein vorrücken würde. In seinem tiefsten Inneren spürte er, dass der heutige Handel von großem Nutzen für seine Grafschaft war.
Neuss, 100 Jahre später …
Die ersten spärlichen Sonnenstrahlen des Maimorgens tauchten den Turm der Münsterkirche St. Quirin in ein gelblich warmes Licht, als Marcus die Gebrante Gaß hinuntertrottete. Noch etwas verschlafen ging er wie jeden Morgen zum Hafen, um nach einer lohnenden Anstellung für den Tag Ausschau zu halten. Die Schiffer der Lastkähne konnten meist eine starke Hand gebrauchen. Sie brachten vor allem Wein von der Mosel, den oberen Rheingebieten und aus dem Elsass nach Neuss. Von hier aus wurden die Fässer auf dem Landwege nach Flandern gebracht oder gelangten über den Hellweg nach Norden. Auf diese Weise bildete der Weinhandel, neben den sich stetig drehenden Kornmühlen, eine der Säulen, auf der der Reichtum der Stadt beruhte. Doch wesentlichste Quelle blieben die unzähligen Pilger, die nach Neuss kamen und den heiligen Quirinus um seine Führsprache anflehten. Und so waren die sterblichen Überreste des Römers, nicht nur aus religiöser Sicht, ein Segen für die Stadt und ihre Bewohner.
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