Stefan Frank
Der Kontrakt des Söldners
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Inhaltsverzeichnis
Titel Stefan Frank Der Kontrakt des Söldners Dieses ebook wurde erstellt bei
1. Kölner Archiv. Samstag, 6.12.2003, 15:00 Uhr
2. Köln und Venedig. 17. bis 18.11.2003
3. Torcello. Dienstag, 18.11.2003
4. Venedig. Mittwoch, 19.11.2003 bis Freitag, 21.11.2003
5. Venedig. Freitag, 21.11.2003, nachts
6. Venedig. Samstag, 22.11.2003 bis Samstag, 29.11.2003
7. Kölner Archiv. Samstag, 29.11.2003
8. Köln, Wallraf-Richartz-Museum. Samstag, 29.11.2003
9. Köln. Samstag, 29.11.03, abends
10. WRM. Sonntag, 30.11.03, nachmittags
11. Köln. Sonntag, 30.11.2003 bis Montag, 1.12.2003
12. Köln, St. Ursula. Montag, 1.12.2003
13. Köln – Wien – Köln. Dienstag, 2.12.2003
14. Kölner Archiv. Dienstag, 2.12.2003
15. Köln, WRM. Mittwoch, 3.12.2003
16. Kölner Archiv. Mittwoch, 3.12.2003
17. Köln. Donnerstag, 4.12.2003
18. Köln, Hotel Kiesel Palace. Donnerstag, 4.12.2003
19. Kölner Archiv. Donnerstag, 4.12.2003
20. Hotel Kiesel Palace. 4.12.2003 bis 5.12.2003
21. WRM. Freitag, 5.12.2003
22. Köln. Freitag, 5.12.03, nachmittags
23. Kölner Archiv. Freitag, 5.12.2003
24. WRM. Samstag, 6.12.2003
25. Köln, Taxi. Samstag, 6.12.2003
26. Kölner Archiv. Samstag, 6.12.2003
27. Kölner Archiv. Samstag, 6.12.2003
28. Kölner Archiv. Samstag, 6.12.2003, nach 15.00 Uhr
29. Kölner Archiv. Samstag, 6.12.2003
30. Kölner Archiv. Samstag, 6.12.2003
31. Kölner Archiv. Sonntag, 7.12.2003, 1:00 Uhr
32. Torcello. Dienstag, 6.01.2004
Dank:
Impressum neobooks
1. Kölner Archiv. Samstag, 6.12.2003, 15:00 Uhr
Sogar beim Training mit den Navy Seals, etwa nach sechsunddreißig Stunden ohne Schlaf, äußerlich übersät mit Prellungen und Schürfwunden, inwendig verknotet von Muskelkrämpfen, hatte Thomas Zett auf seinem Feldbett immer noch eine Seite John Ruskin gelesen, »Die Steine von Venedig«, ehe er vor der Müdigkeit kapitulierte. Insofern war es unfair, was hier abging.
Doch nicht der Mangel an Fairness erschreckte ihn zutiefst, sondern die Art und Weise, wie diese Frau im businessmäßigen Hosenanzug, die Hose weit geschnitten über ihren dünnen Beinen, sich zusehends im Gestrüpp ihrer Loyalitäten verhedderte. Wie sie mit der Pistole herumfuchtelte, die Legende zerfetzte, seinen fiktiven Lebenslauf, den doch Karl Bucholtz höchstpersönlich abgesegnet hatte.
„Von wegen Kunsthistoriker“, legte sie nach, „du Ursulalegenden-Hochstapler, du überreifer Doktor Sixpack!“
Ihre Stimme überschlug sich in schriller Körperfeindlichkeit, die schlecht zu ihrem eigenen austrainierten Körper passte. Fast selber eine Kampfmaschine, dachte Zett, der Körper einer Läuferin. Das schmale Gesicht melancholisch mit Ringen unter den Augen, wie von einer zu strammen Schwimmbrille.
„Deinen Bonus kannst du jetzt abschreiben. Sei froh, wenn du hier lebend rauskommst!“
„Achten Sie nicht auf das Geschwätz“, nuschelte der Mann im Rollstuhl. „Und Sie halten die Schnauze, Peeters!“
„Sonst was, Herr Lank?“ Sie trat zu Lank, hielt die Waffe allerdings zunächst auf Zett gerichtet, trat zwischen die Vorderreifen des Rollstuhls, und weil klar war, dass Lank den Kopf nicht in den Nacken legen konnte, beugte Peeters sich vornüber und stützte ihre freie Faust auf den Oberschenkel. So gebückt und auf Augenhöhe herrschte sie Lank erneut an: „Sonst was…!“
Zett konnte ihre feuchte Aussprache gut sehen. Lank musste sie wohl spüren.
Das Büro im Erdgeschoss war gediegen eingerichtet, sozusagen Bonner Republik, wobei die irritierende Parksituation in der Auffahrt der großbürgerlichen Fassade jede Menge Risse zufügte. Die gepanzerten Bentleys und Mercedes’ vor den Fenstern mochten ja noch angehen, aber dazwischen parkten auch Hummer mit verchromten Kuhfängern, die neuste Zivilversion des militärischen Humvee der US-Armee. Zett hatte nicht viel Ahnung von Autos, aber dass es – trotz der aktuellen Werbebilder aus dem Irakkrieg – fast unmöglich war, solche Schlachtschiffe nach Deutschland zu importieren, das wusste er genau.
Rings um die neun Fahrzeuge patrouillierten Dreiergrüppchen finster blickender Chauffeure. Männer aus aller Herren Länder. Breitschultrig. Steifbeinig. Bürstenhaarschnitt. Drei Gruppen zu drei Mann, strikt auf Distanz bedacht.
Was Zett anfangs für eine traditionsbesoffene Briefkastenfirma in Sachen internationaler Diplomatie gehalten hatte, entpuppte sich mehr und mehr als paramilitärischer Thinktank, in dem es beißend nach Gefahr stank. Sogar eine Frau Peeters im Büro kickboxte gut genug, um einem Profi wie Zett die Waffe aus der Faust zu treten. Nun pochte und schwoll die eh schon übel verletzte Hand, während Zett versuchte, sich nichts anmerken zu lassen.
Vor einer Stunde, als sie ihn begrüßte, hatte Peeters sich noch durchaus zivilisiert betragen. Ruppig aber zivilisiert. Umso bestürzender wirkte jetzt das Gefuchtel, das sie mit der Waffe, die einmal Zett gehört hatte, im Gesicht des wehrlosen Rollstuhlfahrers aufführte. Sie stippte Richard Lank den Lauf der Makarow gegen die Nase und bohrte das Metall abwechselnd in seine Mundwinkel.
„Sonst was, Herr Lank?“, flüsterte sie dramatisch.
Lank nutzte seinen Spielraum von ein oder zwei Zentimetern, um den Joystick zwischen die Lippen zu bekommen, mit dem er den Rollstuhl lenkte. Da Peeters den Druck ihrer Pistole eher noch verstärkte, schrammte die Mündung einen rosa Streifen über Lanks Wange, als das Gefährt plötzlich losruckelte.
Zett schaute zu und suhlte sich in seiner Schmach. Es gab keine Entschuldigung. Natürlich war er todmüde, angeschossen und zugedröhnt mit Dexamethason. Trotzdem war es unprofessionell gewesen, dieser Frau auch nur eine Sekunde lang mit gesenkter Pistole zu begegnen. Peinlich leicht hatte er es ihr gemacht, die Schuhspitze – diese schicke Metallapplikation ihres Pumps – an seine Rechte mit der Makarow zu bringen. Dabei hatte Bucholtz ihn gewarnt: „Sie ist ein raffiniertes Biest!“ Nun musste Zett den Bonus wohl tatsächlich abschreiben, obwohl ... Lank zumindest schien ihm nichts nachzutragen, sondern stoppte den Rollstuhl kameradschaftlich an seiner Seite, offenbar um ein zusätzliches Hindernis zwischen Peeters und die Tür zu stellen.
„Sie kommt hier nicht raus“, schniefte er. „Man kann die Fenster nicht öffnen. Schalldichte Scheiben, schussfest und vom Park her blind. Da nicht mal Peeters so verantwortungslos wäre, hier ein Handy zu benutzen, führt ihr Weg hinaus nur über unsere Leichen oder das Festnetz.“
Gut fünf mal fünf Meter Büro. Eine Wand mit den Fenstern zur Auffahrt. Gegenüber, hinter Zett und Lank die Schiebetür aus Bleiglas mit floralem Dekor, dessen Rot, Blau und Türkis bei Zett Erinnerungen an die kolumbianischen Aras wachrief. Da war die Hand noch heil und er konnte noch klettern.
An zwei Wänden halbhohe Regale mit Aktenordnern und einem grauen Koffer. In der Mitte der Schreibtisch, um dessen Kanten ein Band aus Perlmuttintarsien lief, abgestimmt auf das Dekor der Borde und Stuhllehnen. Alles sehr aufgeräumt. Zu aufgeräumt für echte Arbeit, offenbar, weil der Raum dem Hausherrn nur als offizielle Fassade diente – am Parktor hatte Zett ein Import-Export-Schild gesehen.
Dem kunsthistorischen Hochstapler Zett summte die Stimme seines toten Mentors Willem Cloerkes im Ohr: „Hübsche Jugendstilmöbel haben die hier! Schätz das ruhig mal, mein Junge, nur so zum Üben, der Schreibtisch tausend -, die Regale je vierhundert Dollar, sagen wir lieber dreihundertfünfzig, die Stühle achtzig pro Stück ...“ Schon trudelten Erinnerungen noch weiter zurück, zu kostspieligen Bildbänden in der elterlichen Buchhandlung, Jahrzehnte, bevor man anfing, so etwas im deutschsprachigen Raum Coffee Table Books zu nennen ... mach keine Eselsohren, hörst du!
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