Angefangen bei Samuel werden in der Bibel Prophetenschulen beschrieben.
Danach wirst du zu dem Hügel Gottes kommen, wo Wachtposten der Philister sind. Und wenn du dort in die Stadt kommst, wirst du einer Schar von Propheten begegnen, die von der Höhe herabkommen, und vor ihnen her Harfe und Tamburin und Flöte und Zither, und sie werden weissagen. Und der Geist des HERRN wird über dich kommen, und du wirst mit ihnen weissagen und wirst in einen anderen Menschen umgewandelt werden. Und es soll geschehen, wenn bei dir diese Zeichen eintreffen, so tu, was deine Hand finden wird! Denn Gott ist mit dir. Und geh vor mir nach Gilgal hinab! Und siehe, ich werde zu dir hinabkommen, um Brandopfer zu opfern und Heilsopfer zu schlachten. Sieben Tage sollst du warten, bis ich zu dir komme und dir zu erkennen gebe, was du tun sollst. Und es geschah, als er sich umwandte, um von Samuel wegzugehen, da gab ihm Gott ein anderes Herz. Und alle diese Zeichen trafen an demselben Tag ein (1 Sam 10,5-9).
Die Leiter dieser Schulen wurden „Väter“ genannt. Sie waren Mentoren, deren Charakter und Begabung dazu beitrugen, den prophetischen Dienst unter dem Volk Gottes zu vermehren. Andere Leiter von Prophetenschulen waren Elia, gefolgt von seinem Jünger Elisa (vgl. 2 Kön 2; 4,38; 6,1-7; 13,14.) Diese Mentoren waren dazu da, die Propheten unter sich zur Reife zu führen. Sie wussten, dass es Zeit braucht, um den notwendigen Charakter und das nötige Urteilsvermögen zu entwickeln.
Einmal nahm ich an einer Podiumsdiskussion in Sacramento in Kalifornien teil. Die Leute stellten uns Fragen über Prophetie. Eine Person fragte: „Was ist der Unterschied zwischen einem Dienst der Prophetie und dem Amt eines Propheten?“ Meine Antwort war: „Fünfzehn Jahre.“
Man kann schon im Alter von drei Jahren einen Ruf zur Prophetie erhalten, aber es dauert dann noch Jahre, bis man reif wird. Denke nur an Samuel, der als kleiner Junge im Tempel diente, als er berufen wurde. Erst später, als reifer Mann, konnte er die prophetische Handlung vollziehen, Saul zum König zu salben und ihm die Anweisungen Gottes weiterzugeben.
Zwar ist es richtig, dass Saul selbst in einem Augenblick „einer von ihnen“ (der Prophetenschule) wurde, aber seine Charakterlosigkeit führte später zu seinem Untergang. (Du kannst die ganze Geschichte in 1. Samuel 13 und 19,23-24 nachlesen).
Betrachtet man die Geschichte insgesamt, so begann das gegenwärtige Zeitalter der Gemeinde etwa um 33 n. Chr. am Pfingsttag, als der Heilige Geist den Jüngern Jesu gegeben wurde. Dieses Zeitalter wird bis zur Wiederkunft Christi andauern. Auch heute gibt es sehr wohl immer noch Propheten und Prophetien ungeachtet dessen, was viele uns glauben machen wollen.
Zum Beispiel nutzt Justin der Märtyrer (100–165 n. Chr.) in seinem Dialog mit dem Juden Trypho das literarische Mittel eines Gesprächs zwischen einem Christen und einem potenziellen jüdischen Konvertiten. Darin weist er auf die Gabe der Prophetie als Teil seines Beweises hin, dass das Evangeliums wahr ist.
Irenäus (115–202 n. Chr.), der neben Justin dem Märtyrer und vielen anderen heiliggesprochen wurde, macht die klare Aussage, dass die prophetischen Gaben zu seiner Zeit noch in Kraft waren: „Denn die prophetischen Gaben bleiben bei uns, auch bis in die Gegenwart.“ Er warnt auch vor falschen Propheten und schreibt: „So wie es falsche Propheten zur gleichen Zeit wie [die] heiligen Propheten gab, so gibt es jetzt viele falsche Lehrer unter uns, vor denen unser Herr uns gewarnt hat, uns zu hüten.“ 1
Von dem spanischen Theologen, Erzbischof und Enzyklopädist St. Isidor von Sevilla (560–636 n. Chr.) wurde berichtet, dass er in der Gabe der Prophetie wirkte.
Nicht alle Propheten waren Männer. Die deutsche Äbtissin, Mystikerin, Komponistin, Schriftstellerin und Visionärin Hildegard von Bingen (1098–1179 n. Chr.) schrieb ihre Visionen schriftlich auf Wachstafeln, und als sie an Statur und Kühnheit gewann, prangerte sie prophetisch die Korruption in der Kirche an.
Antonius von Padua (1195–1231 n. Chr.), ein Zeitgenosse des heiligen Franz von Assisi, der mit dem Propheten Elia verglichen wurde, war bekannt für seine außergewöhnlichen Gaben des Predigens, der Prophetie und der Wunder. Im Jahr 1231 nahmen 30.000 Menschen an einer Reihe von Fastengottesdiensten teil, bei denen seine Worte zu massiver Versöhnung und Wiederherstellung führten, sodass nicht genug Geistliche da waren, um den Menschen in ihren Bedürfnissen zu helfen.
Bezeichnenderweise schrieb Thomas von Aquin, einer der einflussreichsten Theologen des Mittelalters (1225–1274 n. Chr.): „In jeder Epoche hat es immer einige gegeben, die den Geist der Prophetie hatten, nicht um neue Glaubenslehren zu verbreiten, sondern um den menschlichen Aktivitäten eine Richtung zu geben.“ 2
Später bestätigte Robert Fleming (1630–1694 n. Chr.), ein Pastor und Theologe, dass Gott während der Reformation in Schottland einen prophetischen und apostolischen Geist ausgegossen hatte, der der Ausgießung seines Geistes in neutestamentlicher Zeit ebenbürtig war. 3Er bezog sich dabei auf so einflussreiche Stimmen wie die von George Wishart (1513–1540 n. Chr.), dem schottischen Reformator und Mentor von John Knox (1514–1572 n. Chr.), dem Gründer der Presbyterianischen Kirche von Schottland, und von Alexander Pedan (1626–1686 n. Chr.), der sich zu den schottischen presbyterianischen „Covenantern“ zählte und als Prophet Pedan bekannt war.
So geht es weiter bis in die Gegenwart. Besonders in schwierigen Zeiten sendet Gott prophetische Stimmen, um seine Gläubigen zu leiten. Jetzt, nach zweitausend Jahren, sind die prophetischen Gaben immer noch in der ganzen Gemeinde wirksam – du und ich sind Zeugen dieser Tatsache und Teilhaber am prophetischen Leben der Gemeinde des einundzwanzigsten Jahrhunderts.
Ein wesentlicher Baustein
Wenn es um den Aufbau der Gemeinde geht, ist die Gabe der Prophetie ebenso wichtig wie die Gabe zu evangelisieren, Hirte oder Apostel zu sein oder zu lehren (vgl. Eph 2,19-22). Die vorrangige Tatsache ist, dass Jesus Christus selbst der Eckstein ist, der Fels, dessen Gegenwart das Fundament zusammenhält. Ja, der Stein wurde von den ursprünglichen Aposteln gelegt, aber das reichte nicht aus, um sicherzustellen, dass die Gemeinde ihren Auftrag erfüllen würde. Die Schrift wurde von den frühen Aposteln vollendet, und sie stellten auch die grundlegenden Lehren der Gemeinschaft der Gläubigen zusammen. Aber ohne Generationen von „Gesandten“, also Aposteln, zusammen mit Propheten, Lehrern, Pastoren und anderen Baumeistern, hätte die Arbeit nicht fortgesetzt werden können. Es werden prophetische Stimmen gebraucht, um die Gemeinde zu inspirieren und aufzubauen, brachliegende Böden zu pflügen, Arbeiter für die Ernte auszurüsten, Ortsgemeinden zu gründen und als Boten auf das Missionsfeld hinauszugehen. Der Kanon der Heiligen Schrift ist abgeschlossen. Dennoch sprechen die heutigen Gläubigen mit Offenbarungsgaben weiterhin Gottes Rhema- Wort aus, das sich dem geschriebenen Logos- Wort unterordnet.
Alle Ortsgemeinden, die zusammen die Gesamtgemeinde bilden, haben eine Rolle zu spielen. Einige haben die spezielle Berufung, das Prophetische in besonderer Weise zu betonen, und vielleicht unterhalten sie sogar eine „Prophetenschule“. Andere sind besser bekannt für ihre missionarischen Einsätze, ihre Evangelisationsschulen, ihren Schwerpunkt auf Heilung, ihre pastorale Ausbildung oder ihr Training, wie man Gott im Beruf und der Gesellschaft bekannt macht. Der menschliche Körper ist ein Mikrokosmos des Leibes Christi, der nur mit jedem Finger, jedem inneren Organ und vor allem mit dem Haupt, dem Eckstein, Jesus Christus, vollständig ist (vgl. Ps 118,22; Mt 21,42).
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