Nach unserer Überzeugung sind die Freuden der Erde im Vergleich zu Jesus, dem Himmelsmanna, wenig besser als die Treber für das Vieh. Ich wollte lieber ein wenig von Christi Liebe und von seiner Gemeinschaft als eine ganze Welt voll fleischlicher Wonnen. Was ist die Spreu gegen den Weizen? Was ein Traum gegen die herrliche Wirklichkeit? Was ist dieser Zeit Freude in ihrem besten Schmuck im Vergleich zu unserem Herrn in seinem verachtetsten Zustand? Wenn ihr etwas von dem inneren Leben wisst, werdet ihr alle bekennen, dass unsere höchsten, reinsten und beständigsten Freuden die Frucht von dem Baum des Lebens gewährt, der im Paradies Gottes wächst. Wie der Prediger sagte, so sagen wir: „Ich sprach zum Lachen: Du bist toll! und zur Freude: Was machst du?“ „Eitelkeit der Eitelkeiten; es ist alles eitel.“ Alle irdische Seligkeit ist von der Erde und irdisch, aber die Tröstungen der Gegenwart Christi sind gleich ihm himmlisch. Wir können unsere Gemeinschaft mit Jesus überschauen und finden keine Leere darin; in diesem Wein ist kein Bodensatz, in dieser Salbe keine tote Fliege. Die Freude am Herrn ist wirklich und fortwährend, und sie ist in Zeit und Ewigkeit wert, genannt zu werden „die einzige wahre Wonne“.
Wir können deutlich sehen, dass dem Gläubigen Christus so köstlich ist, weil es außer Christus für ihn nichts Gutes gibt. Gläubige Seele, hast du nicht inmitten der Fülle einen schmerzlichen Hunger empfunden, wenn dir dein Herr fehlte? Die Sonne schien, aber Christus hatte sich verborgen, und die ganze Welt war dir dunkel. O welche heulende Wüste ist diese Welt ohne meinen Herrn! Wenn er sich in seinem Zorn nur einen Augenblick vor mir verbarg, verdorrten die Blumen meines Gartens, meine schönen Früchte verfaulten, die Vögel ließen ihren Gesang verstummen und schwarze Nacht senkte sich auf alle meine Hoffnungen hernieder. Nichts kann die Gemeinschaft des Heiles ersetzen; alle Kerzen der Erde können keinen Tag machen, wenn die Sonne der Gerechtigkeit untergegangen ist.
Als andererseits dir alle irdischen Tröstungen versagt blieben, hast du da nicht Genüge in deinem Herrn gefunden? Sind deine schlechtesten Zeiten nicht deine besten gewesen? Dein Krankenbett machte Jesus zu einem königlichen Thron, auf welchem du mit ihm regiertest. Jene dunklen Nächte waren nicht dunkel. Denkst du daran, als du arm warst? Wie nahe war dir Christus, und wie reich machte er dich! Du bist von Menschen verachtet und verworfen worden, und niemand gab dir ein gutes Wort; aber seine Gemeinschaft war dir süß, und es war wonnig, ihn sagen zu hören: „Fürchte dich nicht, ich bin mit dir; weiche nicht, denn ich bin dein Gott!“ Als du des Leidens viel hattest, wurdest du auch reichlich getröstet durch Christus. Ja. wir können in stiller Ergebung auf Armut, Krankheit und selbst auf den Tod blicken; denn wenn alle Tröstungen uns genommen werden sollten, würden wir doch gesegnet sein, solange wir die Gegenwart des Herrn, unseres Heilands, genießen dürfen.
Ich tue auch der Wahrheit keinen Zwang an, wenn ich sage, dass der Christ lieber alles andere aufgeben, als seinen Meister verlassen würde. Ich habe etliche gekannt, welche sich fürchteten, dem Wort ins Auge zu sehen, der da sagte: „Wer Sohn oder Tochter mehr liebt als mich, der ist meiner nicht wert.“ Ja, ich habe gefunden, dass gerade die, die sich am meisten fürchteten, es am häufigsten bewiesen, dass sie aufrichtige Liebe zu Jesus hatten. Vielleicht ist es die beste Art, nicht ruhig dazusitzen und unsere Liebe zu wägen, denn sie lässt sich nicht mit kühlem Urteil messen, sondern deine Liebe praktisch auf die Probe zu stellen. Wenn es nun dahin kommt, dass du Christus verleugnen oder das Liebste, das du hast, aufgeben sollst, würdest du erst überlegen? Aber auch, wenn es sich darum handeln sollte: „Willst du deine Augen verlieren oder Christus aufgeben?“ würde ich gern blind werden. Oder wenn es heißen sollte: „Willst du von heute ab stumm sein und nie mehr vor der Menge reden?“
Es ist besser, stumm zu sein, als ihn verlieren. Tatsächlich kommt es mir wie eine Beleidigung meines Herrn vor, Hände und Augen und Zunge mit ihm vergleichen zu wollen. Wenn ich gefragt werden sollte: „Willst du ohne Christus leben oder mit Christus sterben?“ so würde ich nicht erst überlegen, denn mit Christus sterben heißt, mit Christus ewiglich zu leben; aber ohne Christus leben hieße, des anderen Todes, des schrecklichen Todes, des ewigen Verderbens der Seele zu sterben. Nein, hier gibt es keine Wahl. Ich denke, wir könnten weitergehen und, wenn die Liebe inbrünstig ist und das Fleisch unterdrückt wird, sagen, dass wir irgendetwas mit Christus erdulden würden. Es liegt etwas Himmlisches in dem Leiden für Christus. In seinem Kreuz liegt eine solche Majestät und geheimnisvolle Wonne, die, je schwerer es wird, desto leichter auf den Schultern der Gläubigen liegt.
II.
Aber zweitens: die Seele hängt an Christus, und sie hat guten Grund da-zu, denn ihre Worte lauten: „Mein Geliebter ist mir ein Bündel Myrrhen.“ Wir wollen zuerst die Myrrhen nehmen und dann das Bündel betrachten.
Jesus Christus ist gleich Myrrhen. Diese sind wegen ihrer Köstlichkeit mit Recht ein Bild von Christus. Es ist ein überaus kostspieliges Arzneimittel. Die Schrift spricht davon als von einem seltenen und kostbaren Handelsgut. Aber keine Myrrhen lassen sich mit Jesus Christus vergleichen, denn er ist so köstlich, dass, wenn Himmel und Erde zusammengenommen würde, beides nicht einen anderen Heiland erkaufen könnte. Als Gott der Welt seinen Sohn gab, gab er das Beste, das der Himmel hatte. Christus war Gottes Alles, denn steht nicht geschrieben: „In ihm wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig“! Wie unschätzbar köstlich der Leib, den er von der Substanz der Jungfrau annahm! Wie ist er als Myrrhe köstlich in der Darbringung seines großen Versöhnungsopfers! „Erlöst nicht mit Silber oder Gold, sondern mit dem teuren Blut Christi.“ Wie köstlich ist er auch in seiner Auferstehung! Er rechtfertigt sein Volk mit einem Schlag!
Diese herrliche Sonne zerstreute mit einem Aufgehen alle Nächte seines ganzen Volkes. Wie köstlich ist er in seiner Himmelfahrt, wie er das Gefängnis gefangen führt und den Menschen Gaben gibt! Und wie köstlich heute in seiner beständigen Fürbitte, infolge derer die Gnaden Gottes gleich Engeln auf Jakobs Leiter zu unseren bedürftigen Seelen herabkommen! Ja, er ist dem Gläubigen in jeder Hinsicht gleich den Myrrhen.
Myrrhe war sodann angenehm. Es war angenehm, in einem Raum zu sein, der von Myrrhen durchduftet war. Von Christus kann gesagt werden, dass seine Kleider duften wie Myrrhen, Aloe und Kassia; aber er hat nicht allein geistlichen Duft, sondern auch der Geschmack wird befriedigt, denn wir essen sein Fleisch und trinken sein Blut. Seine Stimme ist lieblich und das Ohr unserer Seele wird von seinen Melodien entzückt. Er ist ganz lieblich. Wir können ihn nur mit Myrrhen vergleichen. Er ist alles, was gut anzusehen oder zu schmecken oder zu fühlen oder zu riechen ist; er ist, alles zusammengenommen, der Hauptinhalt aller Wonnen. Wie alle Ströme ins Meer fließen, so haben alle unsere Wonnen ihr Zentrum in Christus.
Ferner macht die Myrrhe wohlriechend. Sie wird gebraucht, um anderen Dingen Duft zu verleihen. Sie wurde mit dem Opfer vermischt, so dass es nicht nur der Rauch von dem Fett der Widder und das Fleisch fetter Tiere war, sondern auch der liebliche Duft der Myrrhe, welcher mit dem Opfer zum Himmel emporstieg. Gewiss macht Jesus Christus sein Volk wohlriechend. Macht er nicht ihre Gebete wohlriechend, so dass der Herr den lieblichen Duft riecht? Durchduftet er nicht unsere Wirksamkeit, denn steht nicht geschrieben: „Er gibt uns allezeit Sieg in Christus und offenbart den Geruch seiner Erkenntnis durch uns an allen Orten; denn wir sind Gott ein guter Geruch Christi unter denen, die selig werden, und unter denen, die verlorengehen“. Unsere Personen werden von Christus durchduftet. Woher anders haben wir unsere Narde als von ihm? „Wir sind angenehm gemacht in dem Geliebten.“ ‒ „Ihr seid vollkommen in ihm ‒ vollkommen in Christus Jesus.“ ‒ „Er hat uns zu Königen und Priestern gemacht vor Gott, und wir werden herrschen in Ewigkeit.“
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