Thomas Riedel - Charles Finch - Lautlos fiel der Schnee

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In Little Gaddesden, einem kleinen Dorf in der englischen Grafschaft Hertfordshire, lebt ein Mörder. Geliebt und von allen geachtet, mitten unter ihnen. Seinen Namen kennen nur die Toten …
Als der reiche Harold Stamford für ein Jahr ins Ausland muss, lässt er seine attraktive Frau Violett zurück. Um ihr die Zeit seiner Abwesenheit angenehmer zu machen, stellt er ihr seinen besten Freund als Gesellschafter an die Seite.
Während eines Festes zu seiner Rückkehr, fällt draußen lautlos Schnee auf eine Leiche.
Der Tod kam schnell, aber das Sterben des nächsten Opfers wird langsam und qualvoll sein!
Wird es dem renommierten Psychiater Dr. Charles Finch gelingen, alle Puzzleteile zu einem vollständigen Bild zusammenzusetzen?

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Charles Finch:

Lautlos fiel der Schnee

Kriminalroman

Thomas Riedel

Bibliografische Information durch

die Deutsche Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über

http://dnb.de abrufbar

1. Auflage

Covergestaltung:

© 2018 Thomas Riedel

Coverfoto:

© 2018 @ ysbrand, Depositphotos, ID 54034965

Impressum

Copyright: © 2018 Thomas Riedel

Druck und Verlag: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de

ISBN siehe letzte Seite des Buchblocks

»Von seinen Eltern lernt man

lieben, lachen und laufen.

Doch erst wenn man mit Büchern

in Berührung kommt, entdeckt man,

dass man Flügel hat.«

Helen Hayes (1900-1993)

Gewidmet in stiller Erinnerung

meiner Freundin und begnadeten Co-Autorin:

Doris Distler

28.01.1965 – 08.02.2018

»Ich werde 53, aber ich bin noch nicht tot«, sagtest Du noch am 27.12.2017 in einem Zeitungsinterview und hast dabei fröhlich gelacht. »Wenn es morgen vorbei ist, habe ich wenigstens bis heute gelebt.«

Danke dafür, dass Du mein Leben mit Deiner unbeschreiblichen Lebensfreude, auf Deine Dir ganz besondere Art, bereichert hast und all die schöne Zeit, die wir miteinander teilen durften. Du wirst auf ewig einen Platz in meinem Herzen haben.

»Es ist ein kapitaler Fehler,

eine Theorie aufzustellen,

bevor man entsprechende Anhaltspunkte hat.

Unbewusst beginnt man Fakten zu verdrehen,

damit sie zu den Theorien passen,

statt dass die Theorien zu den Fakten passen.«

Sir Arthur Conan Doyle

(1859-1930)

Kapitel 1

Little Gaddesden, England, 1888

Es war nach ein Uhr morgens und im Haus war jeder Raum hell erleuchtet. Zehn oder zwölf Paare tanzten noch zu den eingängigen Melodien eines Drei-Mann-Orchesters. Sie lachten, trugen bunte Hüte aus Papier und lärmten mit Spielzeugtrompeten. Inzwischen war bereits reichlich dem Alkohol zugesprochen worden, doch die illustre Gesellschaft hatte immer noch eine Art zielloser Vitalität.

Wie schon in den letzten Tagen, hatte es draußen wieder zu schneien begonnen. Es war windstill, und lautlos fiel der Schnee in großen, fedrigen Flocken zu Boden. Er deckte die tiefen Furchen auf dem Fahrweg zu, verhüllte die Radspuren auf dem Stellplatz und die zahlreichen Fußspuren, die von und zum Haus führten. Aber er bedeckte auch den Leichnam, der neben dem leeren Schwimmbassin lag, den Stein, der dazu gedient hatte, einen Schädel zu zerschmettern und die Stelle, wo sich der Schnee blutrot eingefärbt hatte.

***

Kapitel 2

Seit mehreren Tagen waren Vorbereitungen für die Party getroffen worden. Sie hatten begonnen, als Miss Uppingham, die das Postamt in dem kleinen Dorf Little Gaddesden, in der englischen Grafschaft Hertfordshire, verwaltete, das Telegramm las, das Violett Stamford von ihrem Mann Harold erhalten hatte. Mr. Stamford sollte nach über einjähriger Abwesenheit nach Hause kommen. Er war inzwischen in Calais angekommen und wollte mit einem Schiff über den Kanal setzen, um am Freitag mit dem Nachmittagszug und einer Kutsche in Little Gaddesden einzutreffen.

Miss Uppingham gehörte nicht zu dem Schlag Menschen, dem die Berufsmoral vorschrieb, die Botschaften, die durch ihre Hände gingen, geheim zu halten, wenn sie irgendetwas von allgemeinem Interesse enthielten.

Und so kam es, dass die Nachricht von Mr. Stamfords Heimkehr eine Menge von Leuten erreichte, noch ehe seine Frau davon erfuhr. Zwei Meilen trennten das Postamt von Stamfords luxuriös umgebauten Landhaus, und Miss Uppingham entschloss sich, die Botschaft persönlich zuzustellen, was ihr gestattete, mit der Neuigkeit bei einem Dutzend Häusern stehenzubleiben, bevor sie schließlich Violett das Telegramm aushändigte.

Sie war nicht so zerfahren, wie sie aussah, und war sich des Knalleffektes ihrer Nachricht voll bewusst.

Sie hätte Marvin Coopers Reaktion voraussagen können. In seinen Augen funkelte der Ärger. »Er kommt ein bisschen spät!«, stellte er säuerlich fest und zerknüllte sein Taschentuch. »Aber besser spät als nie!«

Sie lächelte innerlich, als Elizabeth Cooper meinte: »Wie nett für Violett.« Sie wusste, dass Elizabeth ganz anders darüber dachte. Sie wusste auch im Voraus, wie der junge Kenneth Jackson erbleichen würde – und als sie ihn unterwegs traf und ihn aufhielt, um es ihm zu erzählen, sah sie, dass sie sich nicht geirrt hatte. Sie beobachtete ihn, als er mit zusammengekniffenen Lippen weiterging. Für Kenneth Jackson würde die Sache nicht so leicht sein , dachte sie bei sich.

Noch bevor sie zu den Kennedys kam, wusste Miss Uppingham genau, was Pauline dazu sagen würde. Und tatsächlich sagte sie: »Wir werden eine Feier ausrichten müssen.«

Raymond Kennedy, der sich im Armstuhl des Wohnzimmers räkelte und einen schalen Whiskygeruch verströmte, verzog seinen Mund zu einem schmalen grimmigen Lächeln. »Weiß Violett schon davon?«, erkundigte er sich.

»Ich bin gerade auf dem Weg zu ihr, um ihr das Telegramm zu bringen«, erwiderte Miss Uppingham.

»Gott sei Dank, dass für mich niemals mehr Wichtiges oder Privates kommt!«, knurrte Kennedy darauf mit einem schrägen Seitenblick.

Miss Uppingham fuhr auf. »Die Depesche enthält nichts Privates!«, verteidigte sie sich.

»Der siegreiche Held kehrt heim!«, bemerkte Kennedy spöttisch.

»Das Sie jemals etwas Wichtiges oder Privates bekommen, ist höchst unwahrscheinlich«, fuhr Miss Uppingham fort. »Sie gehen nirgends hin, und Sie haben noch nie etwas getan.«

Raymond Kennedy schenkte ihr ein müdes Lächeln. Seine Augen zwinkerten etwas, weil ein wenig Rauch von seiner Zigarette eingedrungen war. »Arme Miss Uppingham! Wie Sie doch die Leute hassen, die dem Leben nur ein wenig Spaß abgewinnen«, meinte er gelassen. »Dieser Hass dürfte seine Ursache in der Vereitelung aller frühen, jungfräulichen Wünsche haben, vermute ich. Haben Sie jemals andere Freuden gekannt als ihren widerlichen Klatsch über Nachbarn, Miss Uppingham?«

»Ich danke meinem Schöpfer, dass ich nicht mit Ihnen zu leben brauche, Raymond Kennedy«, ereiferte sie sich.

»Das ist eine Quelle gegenseitiger Dankbarkeit, glauben Sie mir! Ja, das können Sie mir wahrlich glauben«, murmelte Raymond halblaut. »Und nun sputen Sie sich und überbringen Sie schon Ihre Unheilsbotschaft. Es wäre allerdings schön für Mrs. Stamford, wenn Sie das Telegramm noch vor Sonnenuntergang bekäme.«

»Ich werde meine Arbeit immer ordentlich erledigen«, gab sie schnippisch zurück, »und das ist weitaus mehr, als man von Ihnen sagen könnte, Mr. Kennedy!«

Miss Uppingham verließ die Kennedys mit gesträubten Federn, doch immer noch eifrig, denn sie hatte sich den besten Bissen für zuletzt aufbewahrt – und sie war äußerst gespannt, wie Violett Stamford auf die Botschaft reagieren würde. Niemand, so sagte sie sich, konnte behaupten, dass sie selbst nicht die toleranteste aller Frauen wäre. Aber Violett Stamford war in ihren Augen eine wirklich skandalöse Person. Sie fragte sich auch, wer es auf sich nehmen würde, Harold Stamford vom Treiben seiner Frau während seiner Abwesenheit zu berichten. Sie hätte es ja brennend gern selbst getan, doch viel Hoffnung, dass ihr dieses Privileg zufallen würde, hatte sie nicht. Stamford war ihr gegenüber immer sehr höflich gewesen, aber dabei hatte er stets auf einen gewissen – recht großen! – Abstand geachtet. Er mochte einfach keinen Klatsch, und er würde ihr vermutlich niemals Gelegenheit geben, ihm die Dinge zu erzählen, die sie wusste.

Man musste es Harold Stamford lassen, dass er aus dem baufälligen alten Landhaus etwas ganz Besonderes gemacht hatte, gestand sich Miss Uppingham ein, als sie mit ihrem wackeligen Einspänner die Auffahrt entlangfuhr. Warum auch nicht, wenn man über solche Mittel verfügte? Er hatte wunderschöne Möbel gekauft, sogar Strom für Licht, Küche und fließend Wasser eingeleitet, für Abdichtungen gegen die Kälte und damit für ausreichende Wärme gesorgt. Dann hatte er Violett heimgeführt – Violett, die nach ihrer Ansicht ebenso wenig hierher passte wie etwa ein paar bunte Pfauen, die zur Sommerzeit über den nicht vorhandenen englischen Rasen stolzieren würden.

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