Inhaltsverzeichnis
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Vollständige e-Book Ausgabe
»Eine Elfe auf Wolke 7«
© 2020 ISEGRIM VERLAG
in der Spielberg Verlag GmbH, Neumarkt
Covergestaltung: Ria Raven, www.riaraven.de
Coverillustrationen: © shutterstock.com
Alle Rechte vorbehalten.
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ISBN: 978-3-95452-830-1
www.isegrim-buecher.de
Dorothea Masalwurde 1991 in Osthessen geboren und ist gelernte Mediengestalterin Bild und Ton. Zurzeit absol- viert sie ein Studium im Medienbereich. Sie hat schon als Kind gerne Geschichten geschrieben und liebt es, Welten zu erschaffen, in denen man alles um sich herum vergessen kann. Inspirationen dafür findet sie überall – ob in der Natur, beim Sport oder beim Zähneputzen.
Kapitel 1
»Würdest du bitte endlich aufhören, dein Kleid nach unten zu ziehen?«
»Ja, würde ich. Wenn dieses überlange T-Shirt wenigstens genug Stoff hätte, um sich KLEID nennen zu dürfen.«
Zum gefühlt hundertsten Mal an diesem Morgen verdrehte meine beste Freundin, Paisley, neben mir ihre Augen.
»Mia Smith, das IST ein Kleid. Eben ein Minikleid. Na und? Das bringt deine Beine zur Geltung.«
Ja, und genau darauf konnte ich wirklich verzichten. Für meinen Geschmack fehlte da ein ganzes Kleidungstück. Eine Hose zum Beispiel.
Angestrengt versuchte ich mich nicht weiter auf das besagte Kleid zu konzentrieren, was schier unmöglich war. Jeder Lufthauch verursachte eine Gänsehaut auf meinen Oberschenkeln und gab mir das Gefühl eines real gewordenen Albtraums, bei dem man plötzlich halbnackt in der Öffentlichkeit steht. Ständig wanderten meine Augen an mir entlang, um irgendwo noch ein Stückchen Textil auszumachen, das ich zur Verlängerung des Kleides verwenden konnte. Natürlich völlig sinnlos. Also entschied ich mich, stur aus dem Autofenster zu starren und mich auf die viel befahrene Straße zu konzentrieren, in der Hoffnung, mich dadurch gedanklich etwas abzulenken.
Es war der Morgen des 24. Dezembers - Heilig Abend. In diesem Jahr ein Samstag. Was bedeutete, dass erst morgen ein offizieller Feiertag war und sämtliche Geschäfte den ganzen Tag geöffnet hatten. Eigentlich eine coole Sache. Aber mit Sicherheit zum Leidwesen aller Angestellten, die sich am 24. Dezember bestimmt etwas Schöneres vorstellen konnten, als panische Familien mit letzten vergessenen Geschenken, weihnachtsfanatische Shopaholics und Rentner mit zu viel Zeit in einer stets professionell freundlichen Art zu beraten. Ein Umstand, der mir im Prinzip hätte egal sein können, wenn ich nicht ausgerechnet für heute einen Job angenommen hätte. Somit zählte auch ich zu diesen »glücklichen« Angestellten. Gut, eigentlich war ich mit meinen sechzehn Jahren noch Schülerin und der Job nur ein Aushilfsjob. Aber wie gesagt, leider direkt an Heilig Abend. Der einzige Hoffnungsschimmer: Ich trug dieses Schicksal nicht allein, sondern hatte meine beste Freundin, Paisley O’Brien, als »Kollegin« an meiner Seite. Das war auch der Grund, warum wir beide heute Morgen so früh mit Paisleys Mutter in ihrem Van auf das große Einkaufszentrum unserer Kleinstadt zusteuerten.
Während ich meine Versuche, mich abzulenken, aufgab und wieder unruhig an meinem Kleid zupfte, blickte Paisley begeistert aus dem Seitenfenster. Ein eisiger Wind ließ dicke Schneeflocken so schnell an der Scheibe vorbeifliegen, dass fast nur noch ein weißer Schleier zu sehen war. Klasse. Jetzt würde ich mir also auch noch den Allerwertesten in diesem Möchtegernkleid abfrieren und die restlichen Feiertage wahrscheinlich mit Blasenentzündung und Erkältung im Bett verbringen dürfen. Ich schaute auf meine nackten Beine, die unter dem grünen Stoff hervorschauten. Das Kleid hatte einen taillierten Schnitt mit langen Ärmeln und einem Rock, der es kaum bis unterhalb meines Pos schaffte. Kragen und Saum waren an den Enden mit rot-weiß karierten Borten verziert. An meiner rechten Hüfte prangte eine kleine, grüne, aufgenähte Tasche, in der zwei echte Zuckerstangen steckten. Einzig meine kleine Umhängetasche, die ich selbst zu dem Kostüm kombiniert hatte, bot Platz, um private Dinge verstauen zu können. Meine Schuhe waren aus braunem Leder und liefen vorne an den Zehen zu einer nach oben gewundenen Spitze zusammen. Zur Krönung trug ich darunter feine, weiße Seidenstrümpfe, die an den Knöcheln mit Rüschen verziert waren. Nie und nimmer hätte mich jemand freiwillig in dieses Kostüm bekommen. Aber da ich knapp bei Kasse war, mir noch zwei Weihnachtsgeschenke für meine Familie fehlten und Paisley schon immer eine eigenartige Vorliebe für Weihnachten gehabt hatte, hatte sie es kurzerhand geschafft, mich zu überreden, mit ihr zusammen am heutigen Tag die Weihnachtselfen von Santa Claus zu mimen. So konnten wir unser weihnachtliches Taschengeld noch einmal aufstocken. Denn wie in jedem Einkaufszentrum der Region gab es auch hier einen Weihnachtsmann, auf dessen Schoß die Kinder Platz nehmen und ihre Wünsche erzählen durften. Paisley und ich mussten dabei lediglich für Ordnung unter den Anstehenden sorgen und freundlich »Fröhliche Weihnachten« wünschen. Das klang eigentlich ganz simpel. Doch als ich vor zwei Tagen meine »Arbeitsuniform« in einem winzigen Karton zugesendet bekommen hatte, hatte sich meine Vorfreude deutlich gelegt.
»Uns werden alle anstarren«, erwiderte ich missmutig.
»Umso besser. So lange ein paar gutaussehende Jungs dabei sind.« Paisleys Worte bestanden nur aus einem Flüstern. Auf ihrem Gesicht ruhte ein süffisantes Grinsen. Gerne hätte ich ihr einen passenden Kommentar dazu gegeben, wenn nicht gerade in diesem Moment Mrs. O’Brien über den Rückspiegel zu uns nach hinten geschaut hätte, um uns fröhlich zuzuzwinkern. Verschwörerisch blinzelte Paisley noch einmal zu mir hinüber und wandte sich dann wieder dem Schneeflockensturm draußen zu. Wenig überzeugt zog ich die Stirn kraus. Für Paisley war das ganze Minikleid-Thema keine große Sache. Warum auch? Selbst ohne dieses Outfit zog sie sämtliche Blicke auf sich, auch wenn sie sich daraus nicht viel machte. Wieder einmal beneidete ich meine beste Freundin um ihre Lockerheit und ihr Selbstbewusstsein. Für sie war das aber auch nicht weiter schwer. Paisley hätte selbst einen zerfetzten, alten Kartoffelsack überstülpen können und ihr top Body mit den langen Beinen, den braunen Haaren und den strahlenden grünen Augen hätte ihr bei jeder Misswahl den ersten Platz eingebracht. Dahingegen wirkte ich mit meiner rötlichen, wilden, schulterlangen Lockenmähne, meinen braungrünen Augen und den Sommersprossen, als hätte ich gerade in die Steckdose gefasst und wäre dabei vor Schreck in einen Kaktus gefallen.
Zu allem Übel kamen wir jetzt auch noch an dem großen Einkaufszentrum an, was mir signalisierte, dass es für einen letzten Fluchtversuch nun endgültig zu spät war.
»Ihr seht klasse aus, Mädchen.« Mrs. O’Brien hielt vor der riesigen Glastür des Einkaufszentrums, stellte den Motor ab und warf uns noch einen mütterlich prüfenden Blick zu.
»Danke, Mum«, säuselte Paisley und schnitt eine Grimasse, die ausdrückte »Sag ich doch!«. Ich hingegen schaffte es lediglich zu einem gezwungenen Lächeln, das mir wahrscheinlich nicht mal ein Blinder abgekauft hätte. Wieso erlaubte Mrs. O’Brien uns überhaupt, so halbnackt in die Öffentlichkeit zu gehen?! Meine Oma hätte mir vermutlich sofort einen Zwanziger in die Hand gedrückt und gesagt »Hier mein armes Kind, damit du dir was zum Anziehen kaufen kannst.«. Paisleys Mum hätte uns also auf der Stelle wieder nach Hause bringen müssen! Doch nichts dergleichen geschah. Im Gegenteil. Sie wartete geduldig, bis wir aus dem Auto stiegen.
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