Christina Auerswald - Magdalene und die Saaleweiber

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Wenn Aberglaube droht, eine Liebe zu zerstören
Halle an der Saale im Jahr 1693. Else lügt, doch alle denken, dass sie die Wahrheit sagt! Die Altmagd tut, als ob sie Visionen hätte. Sogar Magdalenes Mann hängt an Elses Lippen. Sieht er nicht, dass alles nur ein Schauspiel aus Berechnung ist? Wie kann er glauben, dass Magdalene zu den Saaleweibern gehört, den zauberkräftigen Frauen, die sich abends am Flussufer treffen und ihre magischen Kräfte aus Tieropfern ziehen? Magdalene kann das Lügenwerk und seine Folgen nicht hinnehmen. Doch dann steht sie in Flammen. Und bald zieht das Geschehen größere Kreise …

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Inhaltsverzeichnis

Cover

Titel

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

20. Kapitel

21. Kapitel

22. Kapitel

23. Kapitel

24. Kapitel

25. Kapitel

26. Kapitel

27. Kapitel

Sieben Sagen von Saaleweibern

Auswahl historisch belegter Personen in diesem Buch

Zur Autorin

Leseprobe aus »Das Saturei-Medaillon«

Ebenfalls im Mitteldeutschen Verlag erschienen

Abbildungsnachweis

Impressum

1 KAPITEL Eine Stimme zerschnitt die warme Küchenluft Else Niemand - фото 3

1. KAPITEL

картинка 4

Eine Stimme zerschnitt die warme Küchenluft. »Else!« Niemand antwortete. Im Haus »Zu den Drei Rössern« blieb es still.

»Else, komm endlich in die Küche!«

Die Altmagd Else bewegte sich nicht. Sie stand sechs Ellen von ihrer Hausherrin entfernt reglos im Korridor zwischen Küche und Laden. Ihren Rücken hielt sie gerade wie eine junge Pappel, obwohl sie an die fünfzig war und viele Frauen in ihrem Alter längst einen Buckel besaßen. Else würde nie einen Buckel bekommen. Die weiße Haut ihres Gesichts war zart wie die einer Dreißigjährigen. Sie liebte es, ihren Leib mit einem engen Mieder zu betonen, und an diesem Tag trug sie unter ihrem grauen Arbeitskleid eine Bluse mit bauschigen Ärmeln aus hellem Leinen. Das war eine Aufmachung, als hätte sie etwas Besonderes vor und nicht bloß gewöhnliche Küchenarbeit. Eine Fliege summte an ihrem Kopf vorbei, Else hob lässig die Hand. Die Brauen über ihren blauen Augen zogen sich in einem spitzen Winkel zusammen, der Schönheitsfleck auf ihrem Jochbein zitterte. Die Fliege verschwand.

Magdalene Rehnikel, die Hausherrin, ließ die Hände von der eigenen Arbeit sinken und drehte sich zu ihrer Altmagd um. Sie folgte Elses Blick in den Laden, wo der Geselle Lichtenberg und ihr Mann, der Meister Rehnikel, standen und sich über eine Spezerei beugten. Die Türen zwischen der Küche, dem Treppenhaus und dem Laden standen weit offen. Das Geschäft war ein Spezereienhandel, der einzige in Halle. Else war versunken in die Betrachtung der beiden Männer, ihr Gesicht bewegte sich so wenig wie das einer Puppe. Der Geselle schüttete vorsichtig Körner aus einem Säckchen auf eine Schale der Waage, der Meister hielt seine Nase darüber und murmelte. Seine Worte waren kaum zu verstehen, etwas von »in trockenem Zustand annehmen, da die Beeren sonst schimmeln …«, und Lichtenberg nickte.

»Else!«, rief Magdalene ein drittes Mal.

Else drehte sich nicht um. Stattdessen faltete sie die Hände, wie um mitten im Korridor zu beten, und hob sie theatralisch vor die Brust. Solche Posen liebte Else. Sie tat, als würde sie in einer Andacht versinken, damit ihre Herrin auf eine Zurechtweisung verzichtete. Sie wusste, dass die beiden jungen Mägde im gleichen Moment Mangold wuschen und zupften, eine mühselige Arbeit, bei der ihre Hilfe gebraucht wurde.

Else seufzte.

Georg Rehnikel richtete sich auf. Er zog sein Wams über dem runden Bauch gerade und steckte die Börse fester in den Gürtel. Dann legte er dem Gesellen die Hand auf die Schulter und verließ den Laden mit großen Schritten. Er ging an Else vorbei, ohne sie eines Blickes zu würdigen, und blieb vor Magdalene stehen.

»Ich gehe die Apotheken ab, Lenchen«, sagte er. »Zum Abendessen bin ich wieder da.« Er lächelte, strich ihr über die Wange und beugte sich für einen trockenen Kuss hinüber. Im Gehen hob er grüßend die Hand.

Die Apotheken abgehen, das hieß die fälligen Rechnungen zu kassieren. Georg Rehnikel tat das jede Woche. Er lieferte viele Spezereien an Herrn Becker und Herrn Rudolph, die beiden Apotheker der Stadt. Das war ein zuverlässiges Geschäft. Kranke gibt es immer, in schlechten Zeiten sowieso, erst recht in guten Zeiten, da sich die Leute mehr um sich selbst kümmern können. Die guten Zeiten hatten noch nicht angefangen, obwohl man hier die größten Hoffnungen hegte, seit Halle 1680 zum Kurfürstentum Brandenburg gekommen war. Man schrieb mittlerweile den 15. September 1693. Obwohl der ersehnte Reichtum der Stadt auf sich warten ließ, hatte sich in den letzten Jahren manches getan. Seit einigen Tagen gab es eine dritte Apotheke in der Stadt, und Herr Hoffstadt, der pfälzische Apotheker, hatte schon ein paar Mineralien und Öle im Spezereienhandel bestellt. Vielleicht war das ein Beweis, dass es aufwärtsging.

Die Tür klappte hinter Georg Rehnikel, Else löste sich aus ihrer Erstarrung.

»Komm endlich in die Küche«, rief Magdalene. »Deine Arbeit wartet.«

Else antwortete nicht. Für den Bruchteil eines Augenblicks flatterten ihre Lider. Magdalene, im Vertrauen darauf, dass die Magd ihre Arbeit aufnehmen würde, streifte die klobigen Holzschuhe über und verließ das Haus durch die Hoftür. Sie holte den Rest des Mangolds aus dem Garten, der hinter dem Haus im tieferen Teil des Grundstückes lag. Er stand dort noch in seinem Beet, gut gewachsen, mit dicken Blättern. Dieses Jahr war weniger verregnet als die vergangenen und verwöhnte die Menschen mit Sonnenstrahlen. Das hatte Früchte und Gemüse im Garten gut wachsen lassen.

Magdalene legte gerade den dritten Arm Mangold in den Erntekorb, da kam die Magd Rosina atemlos aus dem Haus gelaufen. Rosina war auf einer Seite lahm, sie hinkte sonst; jetzt war sie so schnell, dass ihr verkrüppelter Fuß kaum den Boden berührte. Zehn Schritte von ihrer Herrin entfernt hob sie den Arm und winkte. In ihrem puterroten Gesicht standen die Augen groß.

»Frau Meisterin, kommt schnell«, rief sie, »mit Else stimmt etwas nicht!«

Magdalene stellte den Korb auf dem Gartenweg ab, schlüpfte aus den Holzpantinen und eilte hinter Rosina ins Haus.

Else saß in der Küche am Tisch. Im ersten Moment konnte Magdalene nichts Ungewöhnliches entdecken. Der Spülstein war blank geputzt, der Suppentopf stand auf dem Herd, das Feuer im Ofenloch knisterte. Else trug noch dasselbe Arbeitskleid mit der Schürze darüber, die hellen Ärmel aufgekrempelt. Die Kleinmagd Gertrud, die atemlose Rosina und Lichtenberg, der Geselle, umringten sie. Ihnen standen die Mäuler offen. Else hatte, wie Magdalene im Näherkommen sah, weit aufgerissene Augen und einen starren Blick zum Fenster hinaus. Die Hände hielt sie erhoben wie ein Priester bei der Segnung. Sie gab merkwürdige Töne von sich, die dem Knurren eines Hundes glichen. Rosina fröstelte. Magdalene sah den Schauder, der über die nackten Unterarme ging und die Härchen auf ihrer Haut steil aufrichtete.

»Else, was treibst du für einen Unsinn«, fuhr Magdalene sie an. Else zuckte nicht, sie stieß weiterhin seltsame Töne aus. Ihre Herrin stemmte die Hände in die Seiten und versuchte es erneut. »Du hast uns lange genug von der Arbeit abgehalten. Steh auf und kümmere dich um die Suppe!«

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