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Das Einrichten eines neuen Hauses gehört gewiss zu den reinsten und erlesensten Freuden des Lebens. Es ist die Rückkehr in die glückliche Seele des Kindes, das seine Puppenstube nicht schön genug ausstatten kann. Und wenn die Mittel nicht von Anfang an da sind, um alles auf einmal auszuführen, sondern erst durch geistige Arbeit nach und nach erschwungen werden müssen, so dauert die unschuldige, sich immer erneuernde Freude nur um so länger. Das Tischgeschirr hatte ich schon im Lauf des Winters bei Cantagalli brennen lassen nach einem schönen ländlichen Muster, dessen freudige Farben in die Farbigkeit des Hausgeräts einstimmten, denn nach den harten Jahren, die hinter mir lagen, sollte in dem Sonnenhäuschen, wie wir es nannten, alles auf Schimmer und Freude gestimmt sein. Es durfte mir fortan kein Tag vergehen ohne eine neue Verschönerung, und wenn es nur ein selbstgefertigtes Stuhlkissen war. In all dem Umtrieb nahm sich meine gute Mutter wie ein herzugeflogener kleiner Vogel aus, der vom Gesimse her verwundert zuschaut, was die Menschen alles zum Dasein nötig haben. Aber sie war glücklich. Der Stachel, der sie rastlos von Edgar zu mir, von mir zu Edgar trieb, ruhte, denn unsere Häuser lagen nur hundert Schritte voneinander.
Noch schöner als Bauen und Einrichten war das nächste Geschäft, was ich in Angriff nehmen durfte: das Anlegen eines Gartens; dieses verband die versprengte Seele erst ganz mit den Heilkräften der Erde. Das Grundstück, das die neuen Häuser trug, war zuerst Vigna gewesen und brachte Trauben vom seltensten Wohlgeschmack hervor, allein man konnte sie nicht erhalten, weil das Landvolk sich in unserer Abwesenheit in der Pflege nicht zuverlässig erwies. Es blieb nichts übrig als die kostbaren Rebstöcke auszuraufen und an ihre Stelle zuerst Lupinen, dann Pinien zu säen, die schnell emporwuchsen und Schatten gaben. Im übrigen verfiel ich in den Fehler der meisten Neulinge, gar nicht lange zu fragen, was Boden und Lage hergeben können, sondern nur was meinen Augen wohlgefiel, und ich zahlte viel Lehrgeld in den ersten Jahren. Da waren mit eins die schönsten Baumgruppen schon in voller Höhe wie Kulissen aufgestellt, aber fast ebenso schnell verschwunden, weil der Sand sie nicht nähren konnte; anderes zerfraß mir der Seesturm, der eine Salzkruste niederschlägt, wovon das zartere Blattwerk sich wie Zunder bräunt und schwindet. Nicht einmal die mit viel Mühe und Kosten von den Vorbergen herabgeführten Ölbäume wollten mir richtig Fuß fassen, und um die Zypressen kämpfte ich Jahr um Jahr einen harten Kampf. Schließlich sah ich wie die anderen ein, dass nur das hartgewohnte Geschlecht der Pinien und Steineichen, wozu sich später noch der tapfere, allen Wettern trotzende Oleander gesellte, und als Umzäunung der dickblättrige Evonimus wie auch der Lorbeer, allen Unbilden des unfruchtbaren, sturmdurchtobten Strandes gewachsen waren. Manches lernte ich von dem Beispiel meines Nachbars Vanzetti, der ein leidenschaftlicher Gärtner war und mir mit der Anlage seines Gartens um ein Jahr voraus. Er schaffte mit Feuereifer, und was ihm am schönsten gedieh, davon brachte er mir die Ableger, die sogleich einwuchsen und weitertrieben, weil ja der Mutterstamm schon heimisch war. So konnte ich schnell zwei lange Pappelreihen durch die ganze Tiefe meines Gartens ziehen; es war der einzige Laubbaum der sich anpasste, und er wuchs in wenigen Jahren höher als das Dach des Hauses, weil noch keine Nachbargärten mit eindringendem Wurzelwerk ihm Raum und Nahrung schmälerten. Mit Pfirsichbäumchen hatte ich gleichfalls Glück, nur dass mir die Früchte weggenascht wurden, bevor sie reiften; auch Rosen und andere Blumenarten gaben sich mit der bescheidenen Nahrung zufrieden. Das Wasser musste noch aus dem runden ländlichen Ziehbrunnen am langen Strick geschöpft werden: es war ein im Wetteifer betriebenes Kunststück, den Eimer so hinabzustürzen, dass er sich im Kippen füllte und von selbst wieder aufrichtete, um voll in die Höhe gezogen zu werden. Unzählige der schweren Eimer zog ich Tag für Tag nach Sonnenuntergang und in der ersten Morgenfrühe unter dem ängstlichen Widerspruch meiner Mutter herauf, um alle meine Anpflanzungen zu tränken. Dafür feierte meine Gartenkunst auch einen Triumph, als ich zuerst von allen neuen Ansiedlern einen Regenwurm aufzuweisen hatte zum lebendigen Beweis, dass sich mir der Sand in Humus zu wandeln begann. Einen noch viel größeren Triumph sollte ich erleben, als es mir mit der Zeit gelang, die vor meinem Hause stehengebliebene, nur dem Portal gegenüber durchbrochene künstliche Düne zur Trägerin einer fantastisch üppigen tropischen Flora zu machen. Ursprünglich war das ganze Gelände, worauf jetzt unsere Häuser standen, von ebensolcher Düne geschützt gewesen; die anderen Käufer hatten sie eingeebnet, um Vorgärtchen zu ziehen, die nur der Gewalt des Meeres gegenüber zu kleinlich schienen. Niemand begriff meine Hartnäckigkeit, die zwei nackten Sandhügel Jahr für Jahr vor meinem Hausen stehenzulassen, die allen ein Dorn im Auge waren. Aber ich wusste was ich wollte. Ich gab ihnen eine etwas gefälligere Form, versenkte dann Lasten schwerer Bausteine darein und bepflanzte sie zunächst mit Strandhafer, um sie gegen Regengüsse und Stürme zu festigen. Danach bekamen sie noch mehrere Jahre hindurch nur das schnell wuchernde dicke Kraut »Fetthenne« genannt zu tragen, das sie ganz mit seinem dunklen Grün und im Sommer mit großen roten und gelben Blüten überschüttete, bis sie gründlich mit Wurzelwerk durchflochten waren. Dann aber pflanzte ich die stachelbewehrte, sich rasch verbreitende Aloe an und in Reihen die hochstrebende Jukka; aus ihrer messerscharfen Blätterkrone schoss im Frühjahr und Herbst der mehr als meterlange Stengel mit dem mächtigen weißen Blütenkandelaber empor, der die holde Gestalt des Maiblümchens verriesenfacht und seine schneeigen Glocken im Mondlicht wie Feenleiber schimmern lässt. Ich liebte jedes einzelne meiner Sonnenkinder und sprach sie an, als warteten sie auf den Zuspruch des Menschen, was ich heute noch überzeugter glaube als damals. Meine Pflanzung vermehrte sich mit unglaublicher Schnelligkeit, das indische Gras mit seinen hohen hellen Büscheln wedelte im Seewind darüber, und die dichtbewachsenen, unbetretbaren Hügel gaben mit ihren nach allen Seiten starrenden Waffen den Eindruck eines ebenso fantastischen wie wehrhaften Bollwerks, das jedoch trefflich dem Stil der Landschaft entsprach. Kein Wanderer, der nicht überrascht vor der dichten hochgetürmten grünen Fülle inmitten der weiten unbebauten Sandwüste stehenblieb, und mancher nahm das Bild heimlich in seiner Kamera mit. – Vielleicht war es kindisch und ist es in der Wiedererweckung noch, den Bau des kleinen Gartens so wichtig zu nehmen. Für mich war er mehr, er war mir die erfüllte Sehnsucht eines von vornherein ins Geistige gepflanzten Daseins nach seinem anderen Pol, dem Stofflichen. Wenn meine Hände im Erdboden pflanzten und schafften, so war mir als würde ich durch dieses Tun im greifbar Wirklichen erst ein ganzer Mensch. Keine vom Gärtner geschaffene noch so große und herrliche Anlage hätte mir nur ein Hundertstel von dem Glücksgefühl gegeben, das mich beim Anschauen meiner eigenen kleinen Schöpfungen durchdrang. Sie schienen die Liebe, womit ich sie anblickte, zu fühlen und durch ihr freudiges Wachstum erwidern zu wollen. Denn Liebe ist das irdische Sonnenlicht; nichts Lebendes, und stünde es auf der untersten Stufe, widersteht ihm.
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