Es ist ein kleiner Raum, außer dem Doppelbett hat kaum noch etwas anderes darin Platz. Auf dem Bett lungern Juan E mit einer Flasche Bier und ein paar von seinen Homies herum.
Ich sehe mich einmal um, und was wir hier haben, sind sechs Mann von der U Street Crew, von denen ausnahmslos jeder 300-Dollar-Sneakers und herunterhängende Hosen trägt und mürrisch grinst, und alles, was mir dazu einfällt, ist: Diese Typen sind noch Kinder. Juan E dürfte gerade mal achtzehn sein, von den anderen ist keiner älter als einundzwanzig, maximal fünfundzwanzig. Mit Ausnahme des gelben Niggers. Und der sitzt ganz hinten in einer Ecke, allein, versteckt sich hinter einer alten Sonnenbrille, die er auch drinnen trägt, um 06:00 Uhr in der Früh, scheint in einem Tagtraum versunken zu sein und sieht fern, ESPN, falls er davon etwas mitbekommt. Er ist der alte Hase in seiner Crew. Uralt. Womöglich sogar schon fünfunddreißig. Zu viele von diesen Typen sterben jung, durch eine Waffe oder das Urteil, das dieser meistens nachfolgt. Diese Typen sind Gangster, und wer damit einmal angefangen hat, kehrt nicht mehr zurück. Mit achtzehn Jahren haben die schon auf andere geschossen, wurden angeschossen, saßen bereits sechs- oder siebenmal im Jugendknast, wandern ein und wieder raus. Die haben schon alles gesehen, vielleicht sogar mehr als ich. Vielleicht.
Yo, Cuz, sagt das Kid, das mir am nächsten sitzt, der mit dem Stirnband, und meint wohl seinen Cousin. Die Weißbrote sind da.
Leck mich, sagt Mackie, ganz der Diplomat. Aber er steckt seine Pistole ein.
Dann werden Hände geschüttelt, und alle heucheln sich einen ab. Der mit der Glatze, schlaksig und mit Dauergrinsen, ist Django, und der mit dem USC-Sweatshirt ist Lil Ace, und dann wäre da Malik, einer von den Typen mit versteinerter Visage und definitiv schon ein paar Leichen im Keller, und schließlich noch der mit dem Stirnband, und das ist … Headband. Klar.
Hey. Hi. Hallo. Wie geht's? Ich meine, was will man auch groß sagen in einem Zimmer voller Gangmitglieder? Tja, das überlassen wir wohl am besten Mackie the Lackey:
Und mit wem hängt ihr Typen so ab? Den Bloods? Den Crips?
Jetzt herrscht erst einmal Schweigen.
Juan E starrt Mackie wie Wile E. Coyote an, aber Mackie macht munter weiter:
Sagt schon, bohrt dieser beschissene Henry Kissinger weiter. Auf welcher Seite steht ihr?
Juan E stößt diesen Django-Typen neben sich mit dem Ellenbogen an, und dieser Django-Typ macht ein lustiges Zeichen mit den Fingern an seiner rechten Hand. Die Homies, alle außer dem gelben Nigger, nicken und lachen, nicken und lachen, und schließlich kräuselt Juan E die Lippen und sagt:
Du weißt gar nichts, Mann. Bloods, Crips, Gangs … der Scheiß kann uns gestohlen bleiben. Die USC hat das hinter sich gelassen, alles klar? Uns gehört die Straße, und der Krieg ist vorbei, Baby, hast du's nich' gehört? Es ist vorbei. Wir haben jetzt einen Nigga im Weißen Haus sitzen. Dauert nich' mehr lange, dann können wir es das Schwarze Haus nennen.
Noch mal der Ellenbogen. High Fives. Gelächter, Gelächter, Gelächter.
Aber Mackie sagt: Moment mal, meinst du den Kerl, der Vizepräsident werden will? Scheiße, Mann, das ist kein Nigger. Das ist ein Republikaner.
Dafür erntet er zumindest auch ein wenig Gelächter, doch dann dröhnt durch das Geplapper hindurch diese tiefe Stimme, die nach Hennessy und fünf Päckchen Zigaretten am Tag klingt, und sie stammt von diesem Eismann Malik, und er sagt:
Es ist vorbei, Baby. Nigga bringen keine Nigga mehr um. Wir haben größere Fische an der Angel. Fette Brocken. Verstehst du, wovon ich rede? Weiße Fische.
Ja, schon klar. Das ist CK, und man merkt ihm an, dass er genug hat. Ihr habt Drogen, und ihr habt Waffen, sagt CK. Möge die Revolution beginnen.
Juan E sieht ihn an. Du hörst nich' zu, Motherfucka. Das hier sind rechtschaffene Soldaten, klar? Das neue Afrika.
Ja, ja, ja, sagt CK. Tja, weißt du, ich bin noch vom alten Eisen. Ein Traditionalist. Ich glaube an familiäre Werte, Gebete in der Schule und dass man wissen sollte, wohin man gehört. Ich schätze, ich mochte das alte Afrika lieber.
He, Cuz, sagt Headband zu Juan E. Ich hab keinen Bock auf diese Uralt-Scheiße. Und ich fahr ganz sicher nicht mit so 'nem Mzungu mit.
Mackie beugt sich über Headband und sagt: Wie war das, Arschgesicht? Was war das eben, irgendein Zulu-Mist? Oder Moslem-Sprech?
Headband sieht Mackie mit einem Gesichtsausdruck an, als würde er ihn zum allerersten Mal sehen. Lebst du eigentlich auf diesem Planeten oder warst du einfach nur zu beschäftigt damit, weiß zu sein? So was wie eine Moslem-Sprache gibt's nicht, Mann. Schon mal was von Arabisch gehört? Suaheli? Ich rede von dir, weißer Mann. Du bist Mzungu, der Teufel.
Cool, flüstert Two Hand mir zu, und bevor Mackie den Jungs noch einmal in den Vorgarten scheißen kann, trete ich vor und sage:
Hey, whoa. Auszeit. Vielleicht bin ich ja im falschen Zimmer, aber ich dachte, bei dieser Unterhaltung geht es um etwas, was wir für euch und ihr für uns tun könnt. Und wenn wir das zusammen durchziehen, können wir alle Geld verdienen. Viel Geld. Ist 'ne schöne Sache, Geld. Die hat nichts mit Farben zu tun, außer Grün. Also, warum hören wir nicht auf, uns mit Dreck zu bewerfen, und kommen einfach klar?
Ich zeige auf CK. Das ist Mr. Kruikshank. Er leitet die Show. Und–
Und ich hab was für euch, sagt CK wie aufs Stichwort. Mackie? Holst du mal die Tasche?
Juan E runzelt die Stirn und ruft zu dem gelben Nigger hinüber:
Yo, G.
Wasnlos?, fragt der gelbe Nigger, schiebt sich die Sonnenbrille auf der Nase herunter und sieht Juan E an, als hätte der nach der Uhrzeit gefragt. Seine Augen bestehen aus blauen Schlieren. Der Kerl ist entweder bis oben zugedröhnt oder hat seit drei Tagen nicht mehr geschlafen.
Juan E fragt: Und?
Und der gelbe Nigger macht einfach diese blauen Augen wieder zu, schiebt sich die Sonnenbrille darüber, und ich will verdammt sein, wenn das kein Lächeln ist, und sagt: Lass Mr. Kruikshank seine Arbeit machen.
Juan E nickt CK zu, CK sagt was zu Mackie, und Mackie macht sich auf den Weg hinaus zum Parkplatz. Alle anderen stehen herum und schauen sich an, während der gelbe Nigger noch mehr von den Innenseiten seiner Sonnenbrille in sich aufsaugt. Schließlich ist Mackie mit einer sperrigen Kleidertasche zurück und zieht nach einem weiteren Nicken von CK den Reißverschluss auf und kippt den Inhalt auf dem Bett aus. Das sind 'ne ganze Menge Schießeisen.
CK erklärt ihnen, dass das ein kleines Geschenk sei und sagt: Hier, damit könnt ihr wieder ein paar Kopfschüsse verteilen.
Dafür ernten wir jetzt reihum freudige Gesichter, und vielleicht gibt's ja später sogar noch Snacks.
Während seine Homies mit Aaaahs und Ooohs beschäftigt sind, bleibt der gelbe Nigger weiter gelangweilt. Damit steigt er eine Stufe weiter auf meiner persönlichen Leiter hinauf. Ich hätte auch keines von diesen Mistdingern angerührt. Aber wir verkaufen die wie bekloppt, besonders in der Innenstadt. Die Gangs lieben diese Waffe. Das ist die Cobray M-11/9, von den gleichen ehrbaren Staatsbürgern hergestellt, die auch den Street Sweeper verbrochen haben. Ein Brocken schwarzen Stahls, der ungefähr so viel wiegt wie ein Neugeborenes. Die M-11/9 ist der Nachkomme der MAC-10, die ein kleines Prachtstück ist, gesegnet sei Gordon Ingram. Eine Cobray kauft man aber wegen ihres Aussehens, und das ist böse. Sie ist der Frankenstein unter den vollautomatischen Waffen, jene Waffe, die die Achtziger beherrschte. Man verkauft sie zwar als Halbautomatik – einmal abdrücken, ein Schuss – aber mit ein paar schnellen Handgriffen, nur ein paar Minuten, wenn man den richtigen Typen kennt oder das richtige Buch zur Hand hat, kann dieses kleine Monster zweiunddreißig Schuss in zwei Sekunden rausballern. Dafür tritt das Mistding auch wie ein Pferd aus, wenn man abdrückt. Man braucht beide Hände dafür. Zielen, so viele Schüsse abgeben, wie man nur kann, und beten, dass man etwas getroffen hat, bevor sie sich verklemmt.
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