Wieder ein wahr gewordener amerikanischer Traum.
Aber Geschäftsleuten wie uns macht so was das Leben schwer. Dirty City war mal ein Riesenmarkt für uns, und Aktionen wie diese kappen die Gewinnspanne. Schwer zu sagen, ob man mit oder ohne diesen Typen besser dran wäre. Ich meine, wenn man sich allein mal ansieht, was die Gangster aus dem Strohmann-Spiel gemacht haben.
Irgendwann um Mitternacht herum, am dritten April 1991, übte jemand an der Ecke der 14 thund H Streets North West Zielschießen. Das ist wie weit vom Weißen Haus entfernt – zwei Querstraßen? Ein klassisches Drive-By-Shooting. Ein Zuhälter namens Maurice Overby macht mit einem neuen Reißverschluss quer über der Brust und bis hoch zum Hals eine Schwalbe in den Rinnstein. Neben seiner Leiche findet man elf verschossene Patronenhülsen und eine Intratec DC-9 Assault Pistol.
Eine ganz anständige Waffe, die TEC-9. Als Vollautomatik umgebaut, spuckt sie im Handumdrehen zwanzig Schuss aus. Ein paar Jahre später latscht irgend so ein Spinner ins Polizeihauptquartier von D.C. und – man mag es kaum glauben – legt einen Cop und zwei FBI-Agenten um. Und hat am Ende immer noch eine Kugel für sich selbst übrig.
Die TEC-9, mit der Maurice Overby erschossen wurde, war bei der Richmond Police Equipment Company erworben worden. Die Rechnung war auf einen Otis Campbell ausgestellt. Das ATF-Formular Nummer 4473 ebenfalls. Nur dass dieser Otis Campbell die Waffe vielleicht für ganze zwanzig, maximal dreißig Minuten besessen hat.
Man nennt es die Strohkäufer-Masche , und so funktioniert das Ganze:
Wir fahren raus nach Richmond oder Roanoke, werben die üblichen Verdächtigen an – Obdachlose, Drogenabhängige, Typen, die von der Stütze leben – und schicken sie mit einer Einkaufsliste und einer Handvoll Dollar in die nächsten Waffenläden. Eine alte Dame, bestimmt schon um die achtzig, Tante Becka haben wir sie genannt, hat für uns vielleicht sechzig Handfeuerwaffen in drei Monaten gekauft. Sie machte ihre Arbeit und wurde dafür bezahlt: Fünfundzwanzig Dollar pro Waffe. Wahrscheinlich hat sie davon die Miete bezahlt und ihren Enkeln Spielzeug und was zum Anziehen gekauft, was weitaus mehr ist, als George Bush je für sie getan hat.
Die Strohkäufer-Masche konnte nicht lange gut gehen. Erst recht nicht, als die Stanton Terrace Crew und der 1-5 Mob anfingen, aufeinander loszugehen. Und dann trat noch die U Street auf den Plan. Zu viel Wettbewerb.
Aber wie immer wachen die Feds erst auf, wenn es schon zu spät ist, und dann ist auch noch Wahljahr, also greifen sie hart durch. Und wo? Bei den Waffenläden. Machen Richmond Police Equipment dicht, wegen gefälschter Verkaufsberichte. Der Laden gehörte Lennie Skittings. Netter Kerl. Alleinerziehender Vater mit ein paar Kindern, hat wie der Rest von uns auch nichts weiter gewollt, als seine Hypothek abzuzahlen. Da kommen ein paar Leute vorbei, zeigen die richtigen Ausweise, füllen die richtigen Formulare aus, bezahlen mit richtigem Geld, was also hätte er denn machen sollen? Aber am Ende bekennt sich Lennie Skittings schuldig, schließt sein Geschäft, und dann, an einem schönen Samstag, macht er eine lange Spritztour raus aufs Land und bläst sich mit einer .38er das Hirn raus.
Die Banden fingen relativ einfach an. Damals sind sie in Häuser eingebrochen, für gewöhnlich von einem der Nachbarn, um deren Kanonen zu klauen. Dann kamen sie auf das Strohmann-Spiel. Jetzt kontrollieren sie die Drogen, deshalb haben sie das nötige Geld und kriegen Mengenrabatt. Kriegen Deals. Kriegen sogar Pauschalreisen nach New York City bezahlt.
Es ist, wie CK sagt, sofern das überhaupt ausgesprochen werden muss: Diesen Kerlen kann man nicht trauen. Die legen ihren Bruder, ach Scheiße, die legen sogar ihre eigene Mutter um, wenn sie ihnen in die Quere kommt. Die bringen sich die ganze Zeit über gegenseitig um. Und wenn die schon sich gegenseitig umbringen, welchen Stand hat dann wohl ein Weißer, wenn er grade um die Ecke biegt?
Deshalb: Man kann mit diesen Jungs was essen gehen, man kann mit denen einen heben, und, wenn Jules Berenger es wünscht, kann man sogar mit den Typen zusammenarbeiten.
Aber man darf ihnen nicht trauen.
Ich hatte schon ein paar schwarze Jungs dabei. Einer von ihnen, ein Kerl namens Abednego Jones, war clever. Ich meine nicht gewieft wie die Typen von der Straße, obwohl er das auch draufhatte. AJ war wirklich clever .
Ich erzähle Ihnen mal, wie clever dieser Abednego Jones war: Er zog sich in den Ruhestand zurück. AJ sparte sein Geld, und vielleicht hat er auch hier und da was abgezweigt, und eines Tages sagte er einfach nur: Danke, aber ich bin raus. Er hatte sich ein kleines Haus in Sarasota gekauft und zog mit seiner Frau hinunter. Und jetzt sitzt er den lieben langen Tag in der Sonne, füttert die Vögel oder geht angeln, wenn ihm danach ist. Ich frage mich, ob er einen Sonnenbrand kriegen kann.
Jetzt hätte ich Abednego Jones nie einen Nigger genannt und hätte bestimmt jeden umgelegt, der es getan hätte. Wenn AJ ihn nicht zuerst umgelegt hätte, denn AJ konnte manchmal echt aufbrausend werden. Aber diese Kerle, diese Scheißkerle von Gangstern? Die mögen es, so genannt zu werden. Ich meine, hören Sie sich doch diesen Rap-Mist an, diese Typen reden sich da die ganze Zeit mit Nigger an. Wenn man im Leben ganz unten angekommen ist, ist das ein Name wie jeder andere – man kriegt ihn, und dann lebt man damit, so gut man eben kann.
Und wo wir gerade vom Teufel sprechen, sehe ich die U Street Jungs wieder, als ich zurück ins Erdgeschoss des Lagerhauses komme. Ich sehe, wie CK dem kleineren von beiden, Juan E, der glitzert und funkelt, als wäre es Silvester, die Hand schüttelt, und dann fällt mir auf, dass der andere, der gelbe Nigger, weder seinen Kumpel noch CK auch nur einen Deut beachtet. Stattdessen starrt der den Typen am Fuß der Treppe an. Mich.
SELBST DIE BESTEN PLÄNE …
Sonnenaufgang an einem trägen Morgen, einen Tag zuvor. Also haben wir Donnerstag. Ein Pontiac steht auf einem Parkplatz, und der Himmel sieht aus wie Kotze. Two Hand und ich sitzen hinter CK und Mackie und wetten auf das Spiel der Orioles gegen die Mariners. Ich bin mit 500 Dollar dabei, und Mackie, dieser Schwachkopf, setzt dreihundert auf die Mariners. Der Pontiac parkt vor dem Dollar Bill Motel an der Route 1, südlich von Alexandria an der Straße nach Mount Vernon, wo wir uns, wenn wir mit den Wetten durch sind, mit Kanonen eindecken und die Mannschaft in Augenschein nehmen werden.
Wenn es Zeit für ein krummes Ding ist, sollte man die Leute kennen, die mit von der Partie sein werden. Drinnen in der Absteige befinden sich Typen, wegen denen man uns verhaften könnte oder wegen denen wir vielleicht sogar ins Gras beißen könnten. Unsere afroamerikanischen Brüder.
Das Motel ist jetzt nicht die allerschäbigste Absteige, aber jedes Quality Inn nimmt sich dagegen wie das Four Seasons aus. Zwei kleine eingeschossige Rechtecke. Alle Zimmer – also alle fünfundzwanzig oder dreißig – zeigen nach innen, was bedeutet, dass sie sich gegenüberliegen. Ein malerischer Ausblick. Wir trotten also über den Parkplatz und in den nicht überdachten Gang dieses Zwanzig-Piepen-die-Nacht-Prunkstücks, und Renny zählt die Zimmer zu unserer Rechten ab: 17, 16, 15, Bingo. Er lehnt sich gegen den schwarzen, schmiedeeisernen Türrahmen vor Nummer 14, und seine Puste, eine Uzi, steckt unter seinem Regenmantel. Ich stelle mich neben das Fenster, nah an der Tür zu Nummer 15, und tue so, als würde ich rauchen. CK nickt Mackie zu, der nickt zurück und zieht eine Smith & Wesson Kaliber .40 aus seinem Gürtel. Er hält sie mit der Nase nach unten, greift mit der Linken darüber hinweg und klopft an der Tür zu Zimmer 14 an.
Sesam, öffne dich.
Mackie geht hinein, dann CK, und ich gebe Renny Two Hand ein Zeichen und wage den Schritt ebenfalls. Renny folgt mir, zieht die Tür hinter sich zu, und Halleluja, die ganze Gang ist da.
Читать дальше