1 ...8 9 10 12 13 14 ...17 Am hinteren Ende führt eine winklige Treppe zu den oberen Etagen mit noch mehr Lagerraum, dann der Buchhaltung und dann dem Loft, in dem die Geschäftsführung hausiert. Ich nicke den Jungs von der Sicherheit und ein paar Leuten auf dem Gang zur Begrüßung zu, und dann sehe ich, wer da drüben auf der Couch sitzt, neben dem Wasserspender und der Treppe:
Dumm und Dümmer, aber in cool. Und schwarz angemalt.
Der erste sitzt zurückgelehnt, ein zotteliger, kleiner Blödmann mit einem eingewachsenen Grinsen, wiegt keine sechzig Kilo, und ich schwöre: Wie aus dem Bilderbuch trägt er das Bandana eng um den Kopf gebunden, trägt ein Sweatshirt, schwarze Jogginghosen, die Goldketten und hat diesen schläfrigen Blick und die Hand zwischen den Beinen, hält sich die Eier wie einer von diesen Gangster-Rappern – Ice Pick, Ice Dick oder was für Namen die sich immer geben. Der andere ist unsichtbar. Er ist da, aber man kann ihn nicht sehen. Man will die ganze Zeit immer nur den anderen Kerl ansehen, und man muss sich auf ihn konzentrieren, muss mit den Augen an ihm kleben bleiben und darf sich nicht ablenken lassen. Er trägt dunkle Klamotten, unauffällige Tarnkleidung für Städte. Seine Baseballkappe hat er sich tief ins Gesicht gezogen, sodass die Krempe direkt auf der Sonnenbrille aufliegt, und er hat diese langen, wollenen Dreadlock-Dinger als Frisur und ein mürrisches Lächeln. Der kleinere von beiden ist so dunkel wie Schokolade, aber der hier ist beinahe schon vanillefarben. Völlig regungslos sitzt er da. Seine Hände liegen ordentlich verschränkt in seinem Schoß, und ich weiß, dass er eine Knarre dabeihat, und ich weiß auch, dass er keine Sekunde zögern würde, sie auch zu benutzen.
CK nickt ihnen zu, und der kleinere von ihnen nickt zurück.
Oh-oh, sage ich leise und gedehnt zu Renny Two Hand. Oh-oh.
Dann sind wir an ihnen vorbei und traben die Treppe hinauf, wo Lukas sich uns anschließt. Von hier oben hat man einen schönen Ausblick auf den Potomac, und da sind ein paar Anzugträger, die herumstehen und sich den Kopf zerbrechen über Rechnungen oder Außenstände oder woher sie den nächsten Becher Kaffee kriegen sollen. Sie sehen uns auf diese seltsame Art an, während wir an ihnen vorbeischlendern. Ich habe diese Buchhalter nie verstanden, aber das ist okay, denn die verstehen mich auch nicht.
Jules, das heißt, Mr. Berenger, hat sein Büro hinter der Tür am anderen Ende der Halle, der Tür mit den Milchglasfenstern und der Aufschrift EXECUTIVE OFFICES, und wem das Fenster noch nicht genügt, dem sage ich Folgendes:
Er ist ein Executive. Tatsächlich ist er in allem ein Ex-Irgendwas: Ex-Militär, Ex-Anwalt, Ex-Häftling, Ex-Ehemann. Er hat zwanzig Jahre dafür gebraucht, aber am Ende hat er seine Nische gefunden. Er leitet UniArms jetzt seit den späten Siebzigern, und das Leben hat ihn gut behandelt. Sollte es auch. Denn er ist immerhin auf Gold gestoßen.
So wie ich ist auch Jules ein Geschäftsmann. Und er kümmert sich um sein Geschäft.
Der Mann ist klein, gebaut wie eine Ziegelwand, er hat grobe, aber auch irgendwie sanfte Gesichtszüge, mit denen er aussieht wie der Großvater von irgendjemandem, obwohl ich nicht glaube, dass er einer ist. Oder es zumindest nicht hoffe. Manchmal bewegen sich nur seine Augen, wie graues Eis, das hin und her huscht. Dahinter passiert eine Menge, unentwegt, der Mann spinnt mehr Winkelzüge als ein Sack voller Anwälte. Ich nehme mir vor, kein Sterbenswort zu sagen, wenn wir erst einmal in seinem Büro sind. Einfach nur hinsetzen und schauen, was passiert.
Jules ist sechzig Jahre alt, und wie die meisten Männer in seinem Alter sieht er auch genauso aus, egal, was er dagegen tut. Er hat ein Haarteil, ist an den Augen und am Kinn ein wenig geliftet, aber sieht immer noch wie sechzig aus. Benimmt sich auch so. Was bedeutet, dass er hinter allem und jedem herjagt, das einen Rock trägt.
Tja, man mag heutzutage nicht mehr allzu viel für sein Geld kriegen, aber zumindest kann man damit noch anständig einen wegstecken. Und was das angeht, macht Jules das Beste aus seinem Geld. Als ich bei ihm anfing, hatte er diese Blondine namens Megan. Die hatte von nichts eine Ahnung, aber Junge-Junge, hatte die einen Kürbishintern. Dann war da Sherry, doch die fuhr Jules BMW zu Schrott, und das war's dann, und dann dieses Gerät von einer Japanerin, Yuki oder Yoko oder wie sie hieß, mit der er etwa einen Monat zusammen war. Dann kam Connie, die Kurse in Massagetherapie an einem Community College nahm, und jetzt ist da Sally, die Raumausstattungen für Hotels oder so macht, aber die meiste Zeit einfach nur da ist. Diese Sally ist nicht einfach nur gut gebaut, die wurde eigens konstruiert. Der Körper von Fisher, das Gesicht von Mary Kay. Ob sie gut aussieht? Dieses Baby sieht aus wie aus der Fernsehwerbung.
CK klopft an die Glasscheibe, und eine Stimme von drinnen ruft: Noch eine Minute.
CK sieht mich an, und ich sehe CK an, und CK sieht wieder mich an, und dann geht die Tür auf und diese Anzugträger kommen heraus, im Gänsemarsch, drei von ihnen. Sie würdigen mich keines Blickes, und ich sie auch nicht, und dann sind wir auch schon drin.
Hi, Jules, sage ich. Gut siehst du aus. Um ehrlich zu sein sieht er so aus, als würde er dringend Urlaub brauchen. Und außerdem um die dreißig Pfund und dieses Haarteil loswerden, das aussieht wie etwas, das eine Katze aus der Gosse gezogen hat. Aber hey, er ist der Boss. Und wie mein Onkel Mort immer zu sagen pflegte: Wenn man nichts Nettes über jemanden sagen kann, hält man besser seine verdammte Klappe.
CK lässt seinen Hintern auf einen dieser gepolsterten Stühle fallen, Mackie the Lackie ebenso, was bedeutet, dass Lukas und Two Hand und ich stehen müssen. Niemand, und damit meine ich wirklich niemand außer dem Mädchen, darf sich auf den Diwan setzen.
Für eine ganze Weile herrscht Schweigen. Jules spricht als Erster, so lautet die Regel, und deshalb stehen wir manchmal nur dumm wie die Kellner herum, während er noch telefoniert oder Akten sortiert oder an sich selber herumspielt. Nicht schlecht, wenn man nach Stunden bezahlt wird. Schließlich, und es hat eine kleine Ewigkeit bis zu diesem Schließlich gedauert, sieht er von seinem Schreibtisch auf, als wären wir gerade erst zur Tür hereingekommen und sagt:
Siehst nicht allzu gut aus, Lane. Tatsächlich siehst du so aus, als würdest du einen langen Urlaub gebrauchen können.
Danke, Sir.
Wir haben ein paar kleinere Angelegenheiten auf der Tagesordnung, und dann kommen wir zum Geschäft. Fangen wir mit dem Safari Guns an, dem Laden draußen in Annandale. Die Buchhaltung sagt, dass die Zahlen jetzt passen. Gute Arbeit, Lane. Aber beim nächsten Mal etwas weniger Drama, okay?
Ich nicke so ernst wie möglich.
Okay, was ist mit diesem Kazanian-Deal? Der Greek Gourmet? Diese Fladenbrot-Typen?
Womit jemand anderes an der Reihe wäre, in die Scheiße zu latschen.
Lukas macht auf cool und tritt einen Schritt vor: Hab den Laden überprüft, wie von Ihnen gewünscht, Mr. Berenger. Die sind sauber.
Dieser Lukas ist ein mieses Stück Scheiße und ein mieser Schauspieler obendrein. Macht seinen Job nicht anständig, findet dann aber immer jemanden, der den Kopf für ihn hinhalten muss. Aber das wird heute nicht passieren.
Ich warte, bis Jules ansetzt: Okay, ich habe hier–
Und dann lasse ich Lukas auflaufen:
Sicher, Lukas? Ich meine, wenn du dir sicher bist, dann okay, aber weißt du was? Ich bin heute Mittag dort vorbeigefahren, das dritte Mal in den letzten zwei Wochen, und ich werd' dir sagen, was ich gemacht habe. Ich hab mich hingesetzt, das habe ich gemacht. Ich hab mich hingesetzt und die Gäste gezählt. Eine halbe Stunde lang. Um die Mittagszeit, wohl gemerkt, und in der Zeit gingen sechzehn Leute rein und raus. Sechzehn Leute in dreißig Minuten. Mit Ach und Krach servieren die fünfzig Mittagessen pro Tag, vielleicht noch mal fünfzig Abendessen. Und jetzt verrate mir eines, Lukas: Was macht ein Laden von der Größe mit vier, fünf oder sechs Fleischlieferungen pro Woche? Wofür brauchen die die ganzen Laster, die da rein- und rausfahren, rein und raus?
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