Ein belustigtes Schnauben drang unter der Maske hervor. Der Mann drehte sich um und rief seinem Partner, der am Ende der Treppe stehen geblieben war, zu: »Er wird es überleben. Nur ein paar Kratzer. Wahrscheinlich wird er morgen einige blaue Flecken im Gesicht haben, aber nichts Ernsthaftes.«
»Und was ist mit seinem Knöchel?«
Grant drehte seinen Kopf und starrte den anderen Mann an, der sich ihnen jetzt näherte. Er war kleiner und dünner als der erste Kidnapper.
Grant schrie laut auf, als der Mann gegen seinen Knöchel trat.
»Kannst du ihn bewegen?«
Grant drehte seinen Knöchel vorsichtig nach links und rechts. »Es tut ziemlich weh. Wahrscheinlich verstaucht, aber nicht gebrochen«, keuchte er.
»Gut.«
Der Mann bückte sich und hielt nun ein Messer vor Grants Gesicht.
»Nicht!«, flehte der Entführte.
Der dünne Mann lachte daraufhin, packte Grants Handgelenke und schnitt seine Fesseln durch, dann drehte er sich um, schob sich an seinem Partner vorbei und begann, die Treppe hinauf zu steigen.
»Warte!« Grant zog sich unsicher auf die Füße und stützte sich dabei an der Mauer ab. »Wer seid ihr? Wo bin ich?«
Der größere Mann blieb kurz stehen, drehte sich auf halber Treppenhöhe um und starrte Grant böse an. »Keine Fragen.« Dann wandte er sich wieder um und stieg die Treppe hinauf.
Er hörte, wie die Tür zugeschlagen und abgeschlossen wurde. Er blinzelte kurz, lehnte sich gegen die Wand und inspizierte den Raum, in dem er sich befand.
Eine dünne Matratze lag an der gegenüberliegenden Wand und jemand hatte nachlässig ein Kissen und eine Decke darauf geworfen. Grant humpelte langsam hinüber und hob die Decke hoch. Sie war voller Haare und roch nach Hund. Angeekelt warf er sie wieder zu Boden und blickte kurz auf das fleckige Kissen.
Zu guter Letzt starrte er den grauen Metalleimer an, der in einer Ecke des Raumes stand und entdeckte daneben eine Flasche Wasser. Vorsichtig bückte er sich, schraubte den Plastikverschluss ab und trank die halbe Flasche aus, um seinen schrecklichen Durst zu stillen.
Dann verschloss er sie wieder und warf einen Blick auf die Glühbirne, die sanft an der Decke schaukelte. Er suchte nach der Vorrichtung, mit der die Lampe eingeschaltet wurde. Grant seufzte leise und lehnte sich frustriert gegen die Wand. Ein Lichtschalter und keine Zugschnur. Die Kidnapper hatten wirklich an alles gedacht.
Ich kann mich also noch nicht einmal erhängen.
Grant ließ sich auf den Rand der Matratze sinken und begann, mit angewinkelten Knien langsam hin und her zu schaukeln, während er seine Augen schloss und zu ergründen versuchte, was zur Hölle er bloß falsch gemacht hatte.
Während er das Glas in der Hand hin und her drehte und die Eiswürfel sanft gegen das Kristallglas klirren ließ, ließ sich Dan das Aroma des Bourbons auf der Zunge zergehen.
»Cheers«, sagte der General und hob sein Glas.
»Cheers.« Dan nahm einen weiteren Schluck und genoss dabei den Geschmack, der angenehm in seiner Kehle brannte. Direkt nach seiner Rückkehr aus dem Irak war er einige Zeit alkoholabhängig gewesen und hatte nach seinem Entzug keinen einzigen Tropfen mehr angerührt. Inzwischen trank er aber gelegentlich wieder Alkohol, nun allerdings mit dem Wissen, dass es ein Vergnügen war und keine Krücke.
Er sah hoch, als sich die Tür zum Wohnbereich öffnete und Chris hereinkam.
»Komm rüber, Sohn«, lud ihn der General ein. Er stand hinter der Bar, die in eine Ecke des Wohnbereichs eingebaut worden war und füllte ein weiteres Glas mit Bourbon, das Chris mit einem freundlichen Nicken entgegennahm.
»Danke, General.«
Der General kam nun hinter der Bar hervor und ging durch den großen Wohnbereich auf einen steinernen Kamin zu, der die gegenüberliegende Wand dominierte. Er bückte sich, nahm ein paar kleinere Holzscheite und warf diese auf den Kaminrost. Prasselnd stoben die Funken den Schornstein hinauf. Während er sich aufrichtete, grinste er Dan an, der es sich in einem Sessel neben dem Kamin gemütlich gemacht hatte. »Die Winter in Arizona sind tagsüber meistens herrlich, aber nachts können sie verdammt kalt werden.«
Dan lächelte. »Ich würde sie trotzdem jederzeit einem englischen Winter vorziehen«, antwortete er. Er starrte in die Flammen, denn das flackernde Licht faszinierte und beruhigte ihn gleichermaßen. Doch er zuckte leicht zusammen, als er aus dem Augenwinkel plötzlich eine Bewegung wahrnahm, entspannte sich aber gleich wieder, als der Hund des Generals, ein Golden Retriever namens Ripley, an seinem Bein entlangstrich und zu seinem Platz auf dem Kaminvorleger trottete.
Die Stimme des Generals drang nun in seinen Tagtraum ein. »Also … was fangen wir mit diesen neuen Sprengvorrichtungen an?«
Dan schüttelte kurz den Kopf, dann runzelte er die Stirn. »Für einen Hinterhof-Bombenbauer sind sie eindeutig zu sehr Hightech«, stellte er fest. »Wenn man die Sprengvorrichtung betrachtet, die wir zerlegt haben, sind die einzelnen Teile einfach zu gut verarbeitet.«
Chris kam zu ihnen hinüber und ließ sich neben dem Kamin auf ein Sofa fallen. »Meinst du, sie stammen aus einer Massenproduktion?«
»Nicht so, wie du dir das vorstellst«, erklärte Dan, »aber ich denke, dass sie auf jeden Fall in größeren Mengen hergestellt worden sind.«
Der General stand mit dem Rücken zum Feuer und schwenkte den Bourbon in seinem Glas hin und her. »Ist das der Grund dafür, dass einige von ihnen sehr punktgenau explodieren und andere eine erheblich größere Streuwirkung haben?«
»Ich bin mir noch nicht ganz sicher«, antwortete Dan und nahm einen Schluck von seinem Drink, bevor er fortfuhr. »Uns ist aber aufgefallen, dass die Vorrichtung, die wir auseinandergenommen haben, mit einem blauen Klebeband umwickelt war. Die, die wir heute Nachmittag aktiviert haben und wieder entschärfen wollten, jedoch nicht. Ob das nun die Handschrift von zwei verschiedenen Bombenbauern ist, oder der bewusste Versuch, die Explosionskraft der einzelnen Bomben voneinander zu unterscheiden … ich denke, wir müssen das im Auge behalten.«
Er verstummte abrupt, als sich die Wohnzimmertür öffnete und eine schlanke Blondine hereinkam. Sie ging zum General hinüber und gab ihm einen sanften Kuss auf die Wange, bevor sie sich den anderen zuwandte.
»Hallo, Dad … hey, ihr zwei«, meinte sie grinsend. »Wir haben euch heute Nachmittag sogar bis hier draußen gehört … Mom hat Stein und Bein geschworen, dass das Küchenfenster dieses Mal wirklich fast aus dem Rahmen gefallen ist.«
»So schlimm war es nun auch wieder nicht, Anna«, antwortete Dan lächelnd.
Chris lachte. »Das sagt der Typ, der eine Nanosekunde, bevor es losging, mit dem Kopf zwischen seinen Händen den dreckigen Boden geküsst hat.«
»Wirklich?« Annas Augen weiteten sich vor Sorge. »Alles in Ordnung mit dir?«
Dan nickte. »Ist schon eine Weile her, seit es mich fast erwischt hat … aber ja, ich bin okay.«
»Wirst du jetzt wieder Albträume bekommen?«, platzte Anna heraus und wurde sofort rot, als sie ihren Fauxpas bemerkte. »Ich meine, sorry, aber …«
Dan winkte ab. »Ist schon in Ordnung, mach dir keine Sorgen. Ich hoffe, dass sie nicht wieder losgehen, aber wir werden sehen. Wenn ich mich heute Nacht entspannen kann, wird es mir danach hoffentlich wieder gut gehen.«
Anna lächelte unbeholfen, aber ihre grünen Augen blickten ihn traurig an.
»Nimm dir doch etwas zu trinken, Liebling«, sagte der General, als er sie in Richtung Bar schob.
Dan beobachtete Anna, als sie geschmeidig durch den Raum schlenderte. Sie war von durchschnittlicher Größe und schlank und bewegte sich vollkommen ungezwungen, fast schwebend durch den Wohnbereich. Dabei war sie sich der Wirkung, die sie auf die Gäste ihres Vaters hatte, absolut nicht bewusst. Dan schüttelte den Kopf, als er bemerkte, dass Chris ihn angrinste, stellte aber im nächsten Augenblick fest, dass ihm der General mit dem Finger drohte.
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