Josef Dirnbeck
Die Tränen
haben nicht das
letzte Wort
Wege durch die Trauer
2014
© Verlagsanstalt Tyrolia, Innsbruck
Umschlaggestaltung: stadthaus 38, Innsbruck
Layout und digitale Gestaltung: Tyrolia-Verlag
Druck und Bindung: FINIDR, Tschechien
ISBN 978-3-7022-3400-3 ( gedrucktes Buch )
ISBN 978-3-7022-3401-0 ( E-Book )
E-Mail: buchverlag@tyrolia.at
Internet: www.tyrolia-verlag.at
ES VERSCHLÄGT EINEM DIE SPRACHE ES VERSCHLÄGT EINEM DIE SPRACHE Am Heiligen Abend werden im Gottesdienst uralte Worte eines Propheten verlesen, die bei der Geburt im Stall von Bethlehem in Erfüllung gegangen sind: „Ein Kind ist uns geboren, ein Sohn ist uns geschenkt.“ 1 Und im Evangelium wird gesagt, dass die Freude über die Geburt dieses Kindes „allem Volk“ zuteil werden soll. 2 Kurze Zeit später sind allerdings ganz andere Töne zu hören. Am dritten Tag nach Weihnachten steht das Gedächtnis der „Unschuldigen Kinder“ im Kalender. Da werden wiederum uralte Worte verlesen, die ein Prophet aus dem Alten Testament gesprochen hat und die ebenfalls im Zusammenhang mit der Geburt des Jesuskindes in Erfüllung gegangen sind. Aber von der großartig angekündigten Freude ist nichts mehr zu spüren.
Vom freudigen Ereignis zur Tragödie Vom freudigen Ereignis zur Tragödie Das Evangelium erzählt die schockierende Geschichte von einem König namens Herodes, der von Sterndeutern aus dem Osten Besuch bekommt. Als er erfährt, dass sich diese Leute in sein Herrschaftsgebiet begeben haben, um hier ein Kind zu finden, dem sie als neugeborenem König der Juden huldigen möchten, da versetzt ihn diese Information dermaßen in Panik, dass er blindwütig ganze Geburtsjahrgänge von Kleinkindern in Bethlehem und Umgebung ausrotten lässt, und am Ende des Berichtes heißt es: „Damals erfüllte sich, was durch den Propheten Jeremia gesagt worden ist: Ein Geschrei war in Rama zu hören, lautes Weinen und Klagen: Rahel weinte um ihre Kinder und wollte sich nicht trösten lassen.“ 3 Wie man sieht, ist es auch in der Weihnachtszeit, die so gerne als „fröhlich“ und „selig“ besungen wird, nicht anders als sonst im Leben: Geburt und Tod liegen nahe beisammen. Es begegnen uns Mütter, die eben erst unter Schmerzen ihre Kinder geboren haben und die diese zarten jungen Wesen, an denen ihr Herz hängt, schon bald darauf – wiederum unter Schmerzen, freilich unter ganz anderen und heftigeren Schmerzen – zu Grabe tragen müssen. Das Wort von der Rahel, die sich nicht trösten lassen will, ist zur sprichwörtlichen Redewendung geworden. Frauen, denen es so geht, wie es der jüdischen Stammmutter gegangen ist, hat es immer wieder gegeben. Mütter, die um ihre Kinder weinen und sich nicht trösten lassen, kann man auch heute noch antreffen. Zum Beispiel auf einem katholischen Friedhof. Ein kleiner Leichenzug bewegt sich zu einem kleinen Grab. Auch der Sarg ist klein. In ihm liegt ein Kind. Es hat nur acht Monate gelebt. „Plötzlicher Kindstod“, lautet die Diagnose.
Plötzlicher Kindstod
Und jetzt?
Die Frage nach dem Sinn
Gibt es eine Antwort?
NICHTS IST MEHR SO, WIE ES WAR
Du fehlst mir
Was ein Trauernder durchmacht
Sind Gläubige besser dran?
Das Leid fordert den Glauben heraus
Glauben mit geöffneten Augen
Trauern ist menschlich
Lass den Kelch an mir vorübergehen
WIE KANN MAN TRÖSTEN?
Ein Schicksalsschlag in Raten
Selig sind die Trauernden
Trost hier und jetzt
Hilfe bei der Trauerarbeit
Die Heilkraft der Zeit
ES GIBT EIN LEBEN NACH DER TRAUER
Wenn Trauern krank macht
Verunsicherung in Thessaloniki
Die Witwe von Ephesus
Es gibt ein Leben nach der Trauer
Die Liebe ist stärker als der Tod
JEMAND HAT ZU MIR GESPROCHEN
Selbstmord im Morgengrauen
Das Geheimnis des Tröstens
Was Trost spenden kann
Der Papst und der Arbeiter
Der untröstliche Vater
Eine schwere Kränkung
Das Glück und das Unglück
Trauere hoffend
ES VERSCHLÄGT
EINEM DIE SPRACHE
Am Heiligen Abend werden im Gottesdienst uralte Worte eines Propheten verlesen, die bei der Geburt im Stall von Bethlehem in Erfüllung gegangen sind: „Ein Kind ist uns geboren, ein Sohn ist uns geschenkt.“ 1Und im Evangelium wird gesagt, dass die Freude über die Geburt dieses Kindes „allem Volk“ zuteil werden soll. 2Kurze Zeit später sind allerdings ganz andere Töne zu hören.
Am dritten Tag nach Weihnachten steht das Gedächtnis der „Unschuldigen Kinder“ im Kalender. Da werden wiederum uralte Worte verlesen, die ein Prophet aus dem Alten Testament gesprochen hat und die ebenfalls im Zusammenhang mit der Geburt des Jesuskindes in Erfüllung gegangen sind. Aber von der großartig angekündigten Freude ist nichts mehr zu spüren.
Vom freudigen Ereignis zur Tragödie
Das Evangelium erzählt die schockierende Geschichte von einem König namens Herodes, der von Sterndeutern aus dem Osten Besuch bekommt. Als er erfährt, dass sich diese Leute in sein Herrschaftsgebiet begeben haben, um hier ein Kind zu finden, dem sie als neugeborenem König der Juden huldigen möchten, da versetzt ihn diese Information dermaßen in Panik, dass er blindwütig ganze Geburtsjahrgänge von Kleinkindern in Bethlehem und Umgebung ausrotten lässt, und am Ende des Berichtes heißt es: „Damals erfüllte sich, was durch den Propheten Jeremia gesagt worden ist: Ein Geschrei war in Rama zu hören, lautes Weinen und Klagen: Rahel weinte um ihre Kinder und wollte sich nicht trösten lassen.“ 3
Wie man sieht, ist es auch in der Weihnachtszeit, die so gerne als „fröhlich“ und „selig“ besungen wird, nicht anders als sonst im Leben: Geburt und Tod liegen nahe beisammen. Es begegnen uns Mütter, die eben erst unter Schmerzen ihre Kinder geboren haben und die diese zarten jungen Wesen, an denen ihr Herz hängt, schon bald darauf – wiederum unter Schmerzen, freilich unter ganz anderen und heftigeren Schmerzen – zu Grabe tragen müssen.
Das Wort von der Rahel, die sich nicht trösten lassen will, ist zur sprichwörtlichen Redewendung geworden. Frauen, denen es so geht, wie es der jüdischen Stammmutter gegangen ist, hat es immer wieder gegeben. Mütter, die um ihre Kinder weinen und sich nicht trösten lassen, kann man auch heute noch antreffen. Zum Beispiel auf einem katholischen Friedhof.
Ein kleiner Leichenzug bewegt sich zu einem kleinen Grab. Auch der Sarg ist klein. In ihm liegt ein Kind. Es hat nur acht Monate gelebt. „Plötzlicher Kindstod“, lautet die Diagnose.
Die junge Frau, die hinter dem Sarg geht, ist untröstlich. Sie kann und will nicht begreifen, dass sie ihr Kind nun für immer und ewig hergeben soll. Sie fragt sich: „Warum musste dieses Kind sterben? Wie konnte Gott das zulassen?“ Und sie stellt die Frage: „Was ist das für ein Gott, der so etwas zulässt?“
Die trauernde Mutter, die hinter dem kleinen Sarg geht, hat sich ein besonderes Ritual ausgedacht, um sich von ihrem toten Kind zu verabschieden. Sie hat die Kleider und die Spielsachen des Kleinen auf ein Kissen gelegt und trägt sie vor sich her, um sie ihm mit ins Grab zu geben. Alle, die es miterleben, sind tief erschüttert. Man kann sich kaum vorstellen, dass das Leid, das diese junge Frau durchmacht, noch zu steigern ist. Und doch! Der Pfarrer bringt es fertig. Der Geistliche, der das Begräbnis hält, sorgt dafür, dass die Frau vor dem kleinen Sarg noch heftiger zu weinen beginnt.
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