1 ...7 8 9 11 12 13 ...16 „Welche Sprache ist das?“, fragte Jake gedämpft, als ich mich zu ihnen stellte.
„Ich habe immer gedacht, dass es Spanisch ist, aber langsam fange ich an zu glauben, dass sie in Zungen spricht.“
„Das ist kein Spanisch.“
Ich nickte ernsthaft und lächelte Mrs. T dabei auf die gleiche Art und Weise an, wie ich es Lisa Legionen ausländischer Arbeiter gegenüber hatte tun sehen, wenn sie absolut keine Ahnung hatten, was sie von ihnen wollte.
Sie schüttelte den Kopf ob meiner offensichtlichen Dummheit und stakste davon. Jake nahm seine Sonnenbrille ab und griff nach meiner Kamera. Er sah sich die Fotos auf dem kleinen Display an.
„Was hast du damit vor?“
Mir war klar, dass ich ihm früher oder später alles erzählen musste, also sagte ich: „Ich bin nicht sicher. Ich dachte, ich könnte sie vielleicht Angus‘ Professor an der UCLA zeigen.“
Seine Augen verengten sich, als nähme er mich ins Fadenkreuz.
„Welcher Professor ist das?“
„Van Helsing“, sagte ich aufs Geratewohl, denn ich zögerte (aus welchen Gründen auch immer), Snowden dem Arm des Gesetzes auszuliefern. „Habe ich das nicht erwähnt?“
Er war nicht gerade erfreut. „Ich erinnere mich nicht daran, dass der Name des Professors erwähnt wurde. Mir war nicht klar, dass du den Namen von dem Typen kennst. Willst du mir etwa sagen, dass du schon mit ihm gesprochen hast?“
„Kurz.“
„Warum hast du das getan? Warum hast du mir nicht einfach seinen Namen genannt und mir das überlassen? Denn dafür werde ich schließlich bezahlt.“
Da hatte er Recht, also antwortete ich leicht gereizt: „Ich weiß nicht, Jake. Von meiner persönlichen Erfahrung ausgehend, würde ich sagen, dass es nicht unbedingt eine Spazierfahrt ist, wenn die Polizei an deinem Arbeitsplatz auftaucht und Fragen stellt. Ich wusste nicht, dass eine Belohnung darauf ausgesetzt ist.“
„Belohnung?“ Sein Gesicht verschloss sich. „Das hast du nicht zu entscheiden. Du bist kein Cop. Ich habe dir gesagt, dass ich mit Angus sprechen will, dass ich glaube, dass eine Chance besteht, dass er uns eine Spur zu diesen Morden zeigen kann. Du hast nicht daran gedacht, dass es mich interessieren würde, den Namen des Professors zu erfahren, der mit dieser ganzen Scheiße angefangen hat?“
„Mit der ganzen Scheiße? Du hast mir auch gesagt, dass es wahrscheinlich keine Verbindung zwischen deinem Fall und dem hier gibt.“
„Das Mädchen, dass sie in den Hollywood Hills ausgegraben haben? Ihr Name war Karen Holtzer. Sie war Studentin an der UCLA.“
„Ja? Und hatte sie vielleicht auch noch ein Leben oder andere Interessen außerhalb der UCLA?“
Es kam mir so vor, als würde es ihn wirklich kneifen, dass er nicht daran gedacht hatte, zurück bis zum ursprünglichen Kurs zu gehen, den Angus besucht hatte oder bis zu dem Professor, der ihn gegeben hatte – und dass ich das sehr wohl getan hatte.
Aber ich wollte nicht mit Jake streiten, ich sah ihn schon so selten genug. Ich sagte: „Hör zu“, und informierte ihn genau über alles, was gesagt worden war, und zu wem.
Als ich fertig war, starrte Jake mich an wie eine ihm unbekannte Spezies. „Warum zur Hölle mischst du dich da ein?“, fragte er. „Du bist nicht der Vater von diesem Freak. Oder läuft da auch was zwischen euch?“
Ich gebe zu, dass er mich mit dieser gehässigen Frage kalt erwischte. Mein Magen sackte in die Tiefe, mindestens ein oder auch zwei Stockwerke. Ich blinzelte ihn an und war um Worte verlegen. Ich hatte eine plötzliche Vision vor Augen, ich lag in seinen Armen, feucht und klebrig von seinem Sperma. Glaubte er etwa ernsthaft …?
Er starrte mich an, aber dann wandte er den Blick ab. Er verzog das Gesicht. „Vergiss es.“ Er seufzte. „Adrien, du versuchst, dem Burschen zu helfen, aber im Moment sieht es so aus, als machtest du es nur noch schlimmer, und jetzt hast du dich auch noch selbst zur Zielscheibe gemacht.“
„Das weißt du nicht. Snowden hat vielleicht noch mit niemandem geredet. Das könnte einfach eine Art natürlicher Weiterentwicklung sein.“
Er blieb still. Zu still. Als er sich schließlich anscheinend wieder soweit im Griff hatte, dass er sprechen konnte, sagte er knapp: „Ich sage es dir auf die nette Art. Halt dich da raus.“ Er setzte seine Sonnenbrille wieder auf. Ich sah mich und mein saures Gesicht doppelt gespiegelt. „Verstanden?“
„Kapiert“, stieß ich hervor.
Aber mein Ärger verflog schnell, als er eine Hand ausstreckte, mir schnell und beiläufig durch die Haare wuschelte, bevor er sich umdrehte und ging.
* * * * *
Der Laden hieß Dragonwyck. Wie der Zufall es wollte, war er im gleichen Gebäude, das einst das Café Noir beherbergt hatte. Die pinkfarbenen, mit Stuck versehenen Wände waren mit Efeu, Dornengewächsen und magischen Symbolen bemalt. In der Glasvitrine, in der früher die Speisekarte ausgestellt gewesen war, befand sich jetzt eine Liste mit den Kursen, die in diesem Winterhalbjahr angeboten wurden: Magische Hilfsmittel unter der Leitung von Rhiannon. Träumen und Hellsehen unter der Leitung von Cassandra. Erkennung und Kommunikation von Geistführern unter der Leitung von Ariel.
Ich trat ein und wurde von leiser Sitarmusik und dem Geruch von Räucherstäbchen begrüßt. Der Raum war hell ausgeleuchtet, sauber und gut organisiert, was ich nicht erwartet hatte. Wenn Claudes Geist immer noch hier war, dann zeigte er sich mir nicht. Ordentlich beschriftete Regale waren vollgepackt mit Büchern, Halbedelsteinen, Mineralien, Kristallen, Kerzen, Kerzen, noch mehr Kerzen, Pokalen, Kelchen, Räucherwerk, Ölen und Autoaufklebern:
GÖTTIN AUF DER FLUCHT
MEIN ZWEITWAGEN IST EIN BESEN
HEXEN PARKPLATZ (ALLE ANDEREN WERDEN IN KRÖTEN VERWANDELT)
Eine plump wirkende Frau in mittleren Jahren, ganz in lilafarbene Batikgewänder gehüllt, stand am Tresen. Sie hatte ein freundliches, wie sauber geschrubbt wirkendes Gesicht – gar nicht wie die Zuckerpuppen aus Charmed.
„Sei gesegnet“, begrüßte sie mich.
„Hi“, sagte ich.
„Kann ich dir helfen, etwas zu finden? Kräutertee? Ein Kostüm für ein Mittelalterfest?“ Sie zwinkerte mir zu. „Einen Liebeszauber?“
Der Kräutertee war eine Sache, aber sah ich so aus wie der Typ Mann, der ein mittelalterliches Kostüm kaufen würde?
„Informationen.“
Sie schob ihre Brille mit dem Goldrand die Nase hinab und sah mich prüfend an.
Ich zeigte ihr ein paar Fotos, die ich an meinem Computer vergrößert und ausgedruckt hatte.
Sie starrte lange darauf und runzelte die Stirn. Dann sagte sie: „Das ist ein umgedrehtes Pentagramm. Es symbolisiert den Morgenstern – Venus – und Satan. Darum geht es uns nicht. Wir sind Wiccan. Wir haben mit Satan nichts zu tun.“
Das kam mir bekannt vor. Ich hatte zu diesem Thema vor Jahren an Lesungen teilgenommen. Nichts zog Heranwachsende so sehr an wie das Versprechen von Superkräften. Wenn es jemals ein Kind gegeben hatte mit dem verzweifelten Drang, etwas zu überkompensieren, dann war ich das.
„Tatsächlich kennen wir keine oberste böse Gottheit wie Luzifer oder Satan – oder wie auch immer man ihn nennen will – an“, fügte sie hinzu. „Wir verehren den Gott und die Göttin, die Harmonie von männlich und weiblich. Wir ehren Mutter Erde und die Natur ist uns heilig. Dies …“ Sie sah das Foto an. „Dies hier ist etwas ganz anderes. Das ist … böse.“
„Auf jeden Fall ist es ärgerlich.“
Sie schüttelte den Kopf, beharrte: „Es ist böse.“
„Was bedeutet das Symbol in der Mitte des Pentagramms?“
Sie zögerte. „Ariel“, sagte sie leise und sah an mir vorbei.
Sekundenlang dachte ich, sie meinte damit das Symbol, das Ariel repräsentierte. Den einzigen Ariel, den ich kannte, war der Luftgeist, der Prospero in The Tempest diente, und ich glaube nicht einmal, dass das ein wirklich übernatürliches Wesen war. Hinter mir bewegte sich etwas. Eine andere Wicca erschien, diese war groß, knochig, sommersprossig und trug grün-fließende Batik. Anscheinend hatte sie sich zwischen dem getrockneten Zitronengras und Sassafras herumgedrückt.
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