Jeanette Erazo Heufelder - Der argentinische Krösus

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Manchmal braucht es zur Verwirklichung einer guten Idee einfach Geld! Der Ruf des von Horkheimer und Pollock gegründeten, von Adorno nach 1945 geprägten ­Frankfurter Instituts für Sozialforschung strahlt in alle Welt. ­Weniger ­bekannt ist, woher das Geld kam: Felix Weil war der ­Erbe ­eines jüdischen Auswanderers, der in Argentinien ein Vermögen verdient hatte, aber nie seine deutschen ­Wurzeln vergaß. Als er zum Ersten Weltkrieg nach Deutschland kam, begeisterte er sich für ­Revolution und Sozialismus. Nach 1920 versammelte der junge, ­steinreiche Argentinier einen schillernden ­Freundeskreis um sich, gründete bald sein Institut, rettete es mit raffi­nierten Schachzügen vor dem Zugriff der Nazis und er­lebte, wie es nach 1945 zu Weltruhm gelangte.

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Der argentinische Krösus - изображение 1 Der argentinische Krösus - изображение 2

JEANETTE

ERAZO HEUFELDER

Der

argentinische

Krösus

Kleine Wirtschaftsgeschichte der Frankfurter Schule

Der argentinische Krösus - изображение 3

Vorwort

1898–1930

Ein Reich aus Weizen

Vom Kronprinzen zum Vertrauten des Vaters

Plötzlich Revolutionär!

Doppelleben in Buenos Aires

Der Institutsstifter

Im Visier der politischen Polizei

Krach mit Moskau

Das Mausoleum

Das Wesen von Freundschaft

Stiller Teilhaber im Malik-Verlag

Der Kaufmann von Berlin

Panzerkreuzer Potemkin

Letzte Tage in Berlin

1930–1950

Ende der Getreide-Ära

ROBEMA in Rotterdam

Zwischen politischen Emigranten und Berufsrevolutionären

Auf der Suche nach einer sinnvollen Aufgabe

Ausflug in die Realpolitik

Ein Zeppelin am Himmel über Buenos Aires

Der Erbstreit

Eine für alle Beteiligten schauerliche Geschichte

Wachsende Abhängigkeiten

Die Finanzen

Jakobowicz und der polnische Oberst

Fietje Kwaak

Das New Yorker Institut

Das argentinische Rätsel

Zum Abschied ein Geschenk

1950–1975

Die letzten 25 Jahre

Die Memoiren

Ein glückliches Leben oder nur Glück gehabt?

Anmerkungen

Nachlässe und Archive

Bibliografie

Dank

… aus London, Rotterdam oder Antwerpen kommen Telegramme mit den Notierungen für die Gebietsvertreter von, etwa, Weil Brothers, deren Gewinne über Jahre die Forschungen der Frankfurter Schule finanzierten, die das orthodoxe ökonomische und mechanistische Trugbild von Basis und Überbau zu überwinden trachtete .

SERGIO RAIMONDI, Weil Brothers

»Seit gestern ist der 16jährige Frank Weil, einziger Sohn von Felix, aus seiner ersten Ehe hier. (…) Er erinnert in vielem an seinen Vater in dessen Jünglingszeit, als ich ihn sehr gern leiden mochte. Leider fehlt das beste, die Leidenschaft für die Enterbten und die Revolution .

Aber die Zeit ist heute allerdings eine andere. Wie sollte heute ein Jüngling, auch wenn er Imagination hätte, sich für die Arbeiter, Sozialismus, Kommunismus und Revolution begeistern?«

KARL KORSCH, 13.2.1941, Brief an Paul Mattick

Fukumoto Kazuo drückte auf den Auslöser Seminarteilnehmer stehend von links - фото 4

Fukumoto Kazuo drückte auf den Auslöser: Seminarteilnehmer stehend (von links): Hede Gumperz, Friedrich Pollock, Eduard Ludwig Alexander, Kostja Zetkin, Georg Lukács, Julian Gumperz, Richard Sorge, Karl Alexander (Sohn), Felix Weil, unbekannt; vorne sitzend (von links): Karl August und Rose Wittfogel, unbekannt, Christiane Sorge, Karl Korsch, Hedda Korsch, Käte Weil, Margarete Lissauer, Béla Fogarasi, Gertrud Alexander

Vorwort

Es gibt kaum Fotos von Felix Weil (1898–1975). Eines der wenigen, auf denen der Gründer des Frankfurter Instituts für Sozialforschung abgebildet ist, datiert vom Mai 1923. Auf der als Gruppenbild inszenierten Aufnahme ist er der Zweite von rechts in der letzten Reihe. Ein schlaksiger, hochgewachsener, noch etwas knabenhaft wirkender Mann mit schmalem Gesicht und vom Wind zerzausten, in die Stirn fallenden Haaren, der von den anderen auf dem Foto freundschaftlich ›Lix‹ genannt wurde und gerade dabei war, der linken Intelligenz seiner Generation in Frankfurt ein Institut zu bauen. Das Foto entstand während eines in der thüringischen Provinz veranstalteten Diskussionsseminars und liefert eine Momentaufnahme aus der Entstehungsphase dieses Instituts, das ein Jahr später in dem von Felix Weil gestifteten Neubau in der Frankfurter Viktoria-Allee seinen regulären wissenschaftlichen Betrieb aufnehmen sollte. Auf völlig unterschiedliche Weise hat fast jeder der zwanzig Seminarteilnehmer, die sich am Rande eines Feldackers für das Erinnerungsfoto aufgereiht hatten, zur Legendenbildung des Frankfurter Instituts für Sozialforschung beigetragen: Friedrich Pollock, der es mit Max Horkheimer später leitete. Bertolt Brechts marxistischer Lehrer Karl Korsch. Richard Sorge, der die eingeschlagene wissenschaftliche Laufbahn verließ, um als sowjetischer Meisterspion in die Geschichte einzugehen. Julian Gumperz und Karl August Wittfogel, deren ideologische Entwicklung in entgegengesetzter Richtung verlief und sie zu überzeugten Antikommunisten machte. Und schließlich Felix Weil, der sich höchst kreativ in dem Spannungsfeld von Geld und Geist zu bewegen wusste, wodurch 1924 überhaupt erst die Existenz eines marxistischen Instituts in einer erzkonservativen Universitätslandschaft möglich geworden war. Legenden entwickeln eine Eigendynamik, sind aber im Kern nicht weniger wahr als die historisch verbriefte Lesart der Wirklichkeit. Nur verdrängt im Fall Felix Weils die Legendenbildung – jüdischer Erbe eines Weizenimperiums kann seinen Vater dafür gewinnen, ein marxistisches Institut zu finanzieren –, dass sich Felix Weils Rolle nicht auf die Stiftung einer akademischen Einrichtung an der Frankfurter Universität beschränkte. Der Argentinier Felix Weil unterstützte in Deutschland kommunistische Freunde, sozialistische Gelehrte, linke Theatermacher, Buchverleger und Künstler, beteiligte sich an avantgardistischen Kinoproduktionen und politischen Wissenschaftspublikationen, ließ zur Geschichte der Arbeiter- und Sozialbewegungen forschen und sammeln und baute eine wertvolle marxistische Spezialbibliothek auf – ein geborener Mäzen wie sein Freund, der Maler George Grosz, einmal bemerkte. 1Er pendelte zwischen Ländern und Kontinenten, Gelehrten- und Kaufmannswelt, Großbürgertum und Arbeiterbewegung, war in der Kommunistischen Internationale und in der US-Air Force aktiv. Wie ein eleganter Maßanzug schmiegen sich die Widersprüche einem Leben an, dem die politisch explosive Grundstimmung der Zeit den roten Faden verlieh. Wo immer sich die Möglichkeit bot, griff Felix Weil diesen Faden auf, um mit ihm Verbindungen zum Marxismus zu knüpfen. Er war Mittelsmann und Netzwerker, und er sah sich als Macher, nicht so sehr als Denker. 2So erklärt es sich auch, dass ein Buch über den Gründer eines Instituts, das die Zeit des Nationalsozialismus im Exil überlebte und in der BRD unter dem Namen Frankfurter Schule berühmt werden sollte, ohne Exkurs auf die Theoriegeschichte dieses Instituts auskommt. Nach dem Tod Max Horkheimers im Jahr 1973 schrieb Felix Weil einen Brief an den Spiegel , in dem er um eine Richtigstellung bat: Im Nachruf auf Horkheimer hatte das Nachrichtenmagazin erwähnt, dass er – Weil – und andere im Institut im New Yorker Exil eine Heimstatt gefunden hätten. Weil wies den Spiegel darauf hin, dass er als gebürtiger Argentinier nie Deutscher und in New York somit auch nie ›Refugee‹ gewesen sei. »Wenn also von einer ›Heimstatt‹ geredet werden kann«, schrieb er, »so fand nicht ich eine beim Institut, sondern es bei mir, denn ohne meine neue Gabe von 100.000 Dollars hätte es nicht weiterbestehen können.« 3Felix Weil war ›the man with the money‹, 4der – radikalisiert durch die revolutionäre Stimmung nach dem Zusammenbruch der wilhelminischen Ära – die Weimarer Kultur dort förderte, wo sie links und politisch war, und auf diese Weise mitprägte, was zum Bleibenden und Gültigen dieser Epoche gehört. Immer am Puls der Zeit und überall die produktivsten Geister an sich ziehend.

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