Autorinnen und Autoren
Jens Kleinert
Prof. Dr. Jens Kleinert, Dipl.-Sportlehrer; approb. Arzt; Leiter der Abteilung Gesundheit & Sozialpsychologie des Psychologischen Instituts der Deutschen Sporthochschule Köln (DSHS); Arbeitsschwerpunkte Motivation, Emotion, Psychische Gesundheit, Stress, Gruppe/Beziehung; 2004–2006 Professur für Sport und Gesundheit am Institut für Sportwissenschaft der Universität Würzburg; seit 2006 Professur für Sport- und Gesundheitspsychologie an der DSHS Köln; seit 2014 und bis 2024 Prorektor für Studium und Lehre der DSHS Köln.
Almut Zeeck
Prof. Dr. Almut Zeeck, FÄ für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, FÄ für Psychiatrie und Psychotherapie, Zusatzbez. Psychoanalyse, ist stellvertretende ärztl. Direktorin an der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie am Universitätsklinikum Freiburg; Koordinatorin der Arbeitsgruppe Anorexia Nervosa für die S3-Leitlinie Diagnostik und Therapie der Essstörungen, Gründungsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Essstörungen (DGESS); Forschungsschwerpunkte: Essstörungen, Essstörungen und Sport, Psychotherapieforschung, Versorgungsforschung.
Heiko Ziemainz
PD Dr. Heiko Ziemainz, Akademischer Direktor am Department für Sportwissenschaft und Sport an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, u.a. verantwortlich für den Bereich Sportpsychologie, Schwimmen und Triathlon; Forschungsschwerpunkte: Sportsucht, Lauftherapie, Sportpsychologische Trainingsverfahren, Wohlbefinden und Sport.
Unter Mitarbeit von
Hanna Raven und Anna Wasserkampf, beide Psychologisches Institut der Deutschen Sporthochschule Köln.
Jens Kleinert Almut Zeeck Heiko Ziemainz
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1. Auflage 2020
Alle Rechte vorbehalten
© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Print:
ISBN 978-3-17-035637-5
E-Book-Formate:
pdf: ISBN 978-3-17-035638-2
epub: ISBN 978-3-17-035639-9
mobi: ISBN 978-3-17-035640-5
Geleitwort der Reihenherausgeber
Während einzelne Berichte über suchtartige Verhaltensweisen im Kontext von Bewegung und Sport (Anorexia nervosa, Marathonläufer, Gewichtheber etc.) schon seit vielen Jahren kursieren, ist die systematische empirische Erarbeitung dieses für die Gesellschaft zunehmend wichtigen Feldes erst in den letzten Jahren gelungen.
Durch die Konzeptualisierung der Verhaltenssüchte ist es möglich, typische suchtartige Handlungsweisen und Erlebensweisen bei Menschen mit intensiver oder exzessiver Sportausübung und Bewegungsdrang zu beschreiben und einer Therapie zugänglich zu machen. Es ist dem interdisziplinären Autorenteam zu verdanken, nicht nur die psychologischen sondern auch die sportsoziologischen und die den einzelnen Bewegungs- und Sportarten immanenten besonderen Mechanismen darzustellen. Selbstverständlich ist auch bei diesen Störungen sehr auf die Komorbidität und deren Behandlung zu achten, allerdings erklärt diese Komorbidität vor allem bei schweren Fällen nicht die gesamte Varianz und es sind auch Konzepte der Verhaltenssüchte anzuwenden, um den Klienten zu helfen.
Entscheidend ist hierbei die Kenntnis und Wachsamkeit von Psychotherapeuten und Psychiatern aber auch anderen Berufsgruppen, exzessives Sport- und Bewegungsverhalten nicht nur als kuriose Normvariante oder modische Welle abzutun, sondern den Leidensdruck und die dahinterliegenden Motivationen und Mechanismen beim Patienten zu erkennen.
Oliver Bilke-Hentsch, Luzern
Euphrosyne Gouzoulis-Mayfrank, Köln
Michael Klein, Köln
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Einführung
Jens Kleinert, Almut Zeeck und Heiko Ziemainz
Herr W. (24) wird an eine psychosomatische Ambulanz verwiesen. Seine körperliche Verfassung ist bedenklich. Auffallend sind schlechte Stoffwechselwerte, seine Fußsohlen sind teilweise blutig, sein Puls ist kritisch niedrig (< 30 Schläge/Min.), sein Körpergewicht liegt bei einem BMI von 19 kg/m 2.
In der Anamnese zeigt sich, dass Herr W. ein Lauftraining von durchschnittlich 100 km pro Woche durchführt. Als er wegen einer Ermüdungsfraktur das Lauftraining unterbrechen musste, kam es zu einer depressiven Krise. In dieser Zeit hatte er Angst zuzunehmen, und sein BMI sank auf 17,0 kg/m 2.
Freunde habe er eigentlich nie gehabt, vermisse sie auch nicht. Das Laufen sei für ihn der einzige Weg, mit Konflikten und Anspannung umzugehen. Die Sorgen der Ärzte verstehe er nicht wirklich. Eigentlich ginge es ihm soweit gut. Er wolle weiter trainieren. Das Laufen sei das einzige, was er habe.
Vieles in diesem Fallbeispiel wirkt zweifellos »unnormal« oder »krankhaft«. Sporttreiben ist für Herrn W. offensichtlich etwas Zwanghaftes, nicht Kontrollierbares. Er treibt Sport, obwohl er sich selbst hierdurch Schaden zufügt – körperlich, psychisch und vermutlich auch sozial. Dieses Zusammentreffen von Selbstschädigung, exzessivem Ausmaß von Sportaktivität und fehlender Kontrolle des eigenen Verhaltens legen den Verdacht auf eine Sportsucht nahe.
Das Phänomen Sportsucht geht geschichtlich auf eine Studie aus dem Jahr 1970 zurück: Baekeland (1970) beobachtete im Rahmen einer eigenen Untersuchung, dass einzelne Probanden selbst durch Geld nicht dazu zu bewegen waren, ihr Sporttreiben für eine bestimmte Zeit aufzuhören. Er vermutete einen suchtartigen Hintergrund. Seitdem wurden eine Vielzahl von Studien durchgeführt, die Sportsucht näher beschrieben haben und ihre Bedingungen analysierten (s. die Übersichtsarbeiten von Adams und Kirkby 2002, Adams et al. 2003, Allegre et al. 2006, Breuer und Kleinert 2009, De Coverley Veale 1987, Hausenblas und Symons Downs 2002a, Kleinert 2014).
Anfangs haben sich Untersuchungen zur Sportsucht auf extreme Ausdaueraktivitäten (z. B. Laufen, Schwimmen, Radfahren) beschränkt. Suchtartiges Verhalten kann jedoch im Grunde bei jeder Form von Bewegungsaktivität entstehen, beispielsweise im Fitnesstraining oder Erlebnisbereich, weswegen wir in diesem Buch neben Sportsucht auch von suchtartigem Bewegungsverhalten sprechen.
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