Ich blickte hin und konnte zuerst nichts sehen. Dann sah ich, dass sein Kopf und seine Schultern dunkel gegen ein schwächeres Dunkel umrissen waren. Ich sah auch, dass diese Milderung der Dunkelheit nicht blau war, wie alles andere Licht im Monde gewesen war, sondern ein bleiches Grau, ein sehr unbestimmtes, blasses Weiß, die Farbe des Tageslichtes. Cavor bemerkte diesen Unterschied noch schneller als ich, und ich glaube, er gab ihm so ziemlich dieselbe wilde Hoffnung ein.
»Bedford«, flüsterte er, und ihm zitterte die Stimme. »Dieses Licht – ist es möglich – –«
Er wagte nicht zu sagen, was er hoffte. Dann kam eine Pause. Plötzlich erkannte ich am Schall seiner Schritte, dass er auf diese Blässe zuging. Ich folgte ihm mit klopfenden Herzen.
Das Licht wurde stärker, als wir näher kamen. In kurzer Zeit war es fast ebenso hell wie die Phosphoreszenz an Cavors Beinen. Unser Tunnel erweiterte sich zu einer Höhle, und dieses neue Licht war am entfernteren Ende. Ich bemerkte etwas, was meine Hoffnung springen und tanzen ließ.
»Cavor«, sagte ich, »es kommt von oben! Ich bin sicher, es kommt von oben.«
Er gab keine Antwort, sondern eilte weiter.
Unbestreitbar war es ein graues Licht, ein silbriges Licht.
Im nächsten Moment standen wir darunter. Es kam durch einen Spalt in den Höhlenwänden herabgesickert, und als ich hinaufstarrte, fiel mir ein Wassertropfen aufs Gesicht. Ich fuhr zusammen und trat beiseite – kling, fiel ein weiterer Tropfen ganz hörbar auf den Felsenboden.
»Cavor«, sagte ich, »wenn einer den anderen hebt, kann er den Spalt erreichen!«
»Ich will Sie heben!«, sagte er und sofort hielt er mich hoch, als wäre ich ein Baby.
Ich hob einen Arm in den Riss und fand gerade an meinen Fingerspitzen einen kleinen Vorsprung, an dem ich mich halten konnte. Ich konnte sehen, dass das weiße Licht jetzt sehr viel heller war. Ich zog mich fast ohne Anstrengung an zwei Fingern in die Höhe, obgleich ich auf der Erde zwölf Steine wiege, griff nach einer noch höheren Felsecke und bekam so die Füße auf den schmalen Vorsprung. Ich richtete mich auf und suchte den Fels nach oben hin mit den Fingern ab; der Spalt wurde oben weiter. »Man kann hinaufklettern«, sagte ich zu Cavor. »Können Sie bis zu meiner Hand heraufspringen, wenn ich sie Ihnen hinunterhalte?«
Ich keilte mich zwischen den Spaltwänden ein, stemmte Knie und Fuß gegen den Vorsprung und streckte eine Hand aus. Ich konnte Cavor nicht sehen, aber ich konnte das Rascheln seiner Bewegungen hören, als er sich zum Sprung niederkauerte. Dann schwipp! und er hing mir am Arm – und nicht schwerer als ein Kätzchen! Ich hob ihn hoch, bis er eine Hand auf meinem Vorsprung hatte und mich loslassen konnte.
»Zum Henker!«, sagte ich, »auf dem Mond könnte jeder Bergsteiger sein;« und damit begann ich ernsthaft zu klettern. Ein paar Minuten lang kletterte ich stetig fort, und dann blickte ich wieder nach oben. Die Spalte erweiterte sich ständig, und das Licht wurde heller. Nur – –
Es war doch kein Tageslicht.
Im nächsten Moment konnte ich sehen, was es war, und bei dem Anblick hätte ich vor Enttäuschung mit dem Kopf gegen die Felsen schlagen können. Denn ich erblickte einfach einen unregelmäßig abschüssigen, offenen Raum, auf dessen schiefem Boden ein Wald kleiner keulenförmiger Pilze wuchs, deren jeder glorreich mit diesem Silberlicht leuchtete. Einen Moment starrte ich ihre milden Strahlen an, dann sprang ich vor und hinauf unter sie. Ich riss ein halbes Dutzend los und warf sie gegen die Felsen und setzte mich dann bitter lachend hin, als Cavors rotes Gesicht auftauchte.
»Es ist wieder die Phosphoreszenz!«, sagte ich. »Keine Eile not. Setzen Sie sich und tun Sie, als ob Sie zu Hause wären.« Und während er über unsere Enttäuschung sprudelte, begann ich, mehr von diesen Gewächsen in den Spalt hineinzuschleudern.
»Ich dachte, es sei Tageslicht«, sagte er.
»Tageslicht!«, rief ich. »Tagesanbruch, Sonnenuntergang, Wolken und windige Himmel! Werden wir solche Dinge je wieder zu sehen bekommen?«
Während ich sprach, schien ein kleines Bild unserer Welt vor mir aufzusteigen, hell und klein und klar wie der Hintergrund eines alten italienischen Gemäldes. »Der wechselnde Himmel, das wechselnde Meer, und die Hügel und die grünen Bäume, und die Städte und Dörfer, die in der Sonne leuchten. Denken Sie an ein nasses Dach bei Sonnenuntergang, Cavor! Denken Sie an die Fenster eines Hauses nach Westen!«
Er gab keine Antwort.
»Hier graben wir in dieser scheußlichen Welt herum, die keine Welt ist, mit ihrem tintigen Ozean, der irgendwo unten in abscheulicher Schwärze verborgen ist, und draußen der dürre Tag und die Totenstille der Nacht. Und all diese Wesen, die uns jetzt jagen, scheußliche Menschen aus Leder – Insektenmenschen, die aus einem Alb stammen! Schließlich haben sie recht! Was haben wir für ein Recht, sie zu zerschmettern und ihre Welt zu stören? Nach allem, was wir wissen, ist schon der ganze Planet auf den Beinen und hinter uns drein. Jede Minute können wir sie winseln und ihre Gongs dröhnen hören. Was wollen wir anfangen? Wohin sollen wir gehen? Hier sind wir so behaglich wie Schlangen von Jamrash, die in einer Surbiton-Villa losgelassen sind!«
»Es war Ihre Schuld!«, sagte Cavor.
»Meine Schuld!«, rief ich. »Großer Gott!«
»Ich hatte eine Idee!«
»Zum Henker mit Ihren Ideen!«
»Wenn wir uns geweigert hätten, uns zu rühren –«
»Unter diesen Stacheln?«
»Ja. Dann hätten sie uns tragen müssen!«
»Über die Brücke da unten?«
»Ja. Sie müssen uns von draußen hereingetragen haben.«
»Lieber wollte ich mich von einer Fliege über eine Decke tragen lassen.«
»Gütiger Himmel!«
Ich nahm meine Vernichtung der Pilze wieder auf. Dann sah ich plötzlich etwas, was mir selbst jetzt gefiel.
»Cavor«, sagte ich, »diese Ketten sind aus Gold!«
Er dachte scharf und seine Hände hielten seine Backen gefasst. Er wandte langsam den Kopf und starrte mich an, und als ich meine Worte wiederholt hatte, starrte er auf die um seine rechte Hand gewundene Kette. »Das ist wahr«, sagte er, »das ist wahr.« Sein Gesicht verlor das flüchtige Interesse, während er noch blickte. Er zögerte einen Moment, dann fuhr er in seinen unterbrochenen Gedanken fort. Ich grübelte eine Zeit lang über die Tatsache nach, dass ich dies erst jetzt bemerkt hatte, bis ich an das blaue Licht dachte, in dem wir gewesen waren, und das dem Metall jede Farbe genommen hatte. Und von dieser Entdeckung aus kam ich auf einen Gedankengang, der mich weit fortführte. Ich vergaß, dass ich noch eben gefragt hatte, was wir auf dem Mond zu suchen hätten. Gold – –
Читать дальше